Regierungskoalition ebnet den Weg für deutsche Söldnerfirmen

von Paul Schäfer

Ein Blick in die Bundestagswahlprogramme von CDU/CSU und SPD produziert so manche Überraschung. Beide sprechen sich unisono für eine Stärkung des staatlichen Gewaltmonopols aus und fordern mehr Kontrolle und Beschränkungen für private Sicherheitsfirmen. Die SPD behauptet gar, den Einfluss dieser Akteure zurückdrängen zu wollen. Das scheint indessen weniger späte Einsicht zu sein als vielmehr bewusste Wählertäuschung: Noch im Juni 2009 haben beide Parteien mit einem Antrag im Bundestag die Weichen dafür gestellt, dass in Zukunft auch deutsche Sicherheitsfirmen militärische Dienstleistungen á à la Blackwater im Ausland erbringen können (BT-Drs. 16/10846).

Wohl wissend um die Brisanz dieses Themas haben sie im Vorfeld eine ernsthafte politische Auseinandersetzung darüber gescheut. Ohne wesentliche Änderungen wurde im Herbst 2008 ein alter Antrag der CDU/CSU Fraktion aus dem Jahr 2004 eingebracht, der im Dezember ohne parlamentarische Debatte durch den Bundestag geschleust werden sollte (BT-Drs. 15/3808). Nur Dank medialer Aufmerksamkeit und offensichtlicher Abstimmungsprobleme zwischen Regierungsparteien und Regierung wurde das Vorhaben auf Eis gelegt, kurz vor der Sommerpause dann aber doch noch durchgewunken. In der Bundestagsdiskussion am 23. April 2009 hat sich gezeigt, wie tief der Privatisierungsgedanke im Bereich der Sicherheitspolitik bei den meisten Fraktionen bereits verankert ist. Im Antrag heißt es denn auch: „Ein striktes Verbot von privaten militärischen Sicherheitsunternehmen ist nicht durchsetzbar (…)“. Folgerichtig wurde der Antrag der Fraktion DIE LINKE für ein kategorisches Verbot dieser Dienstleistungen von allen anderen Fraktionen abgelehnt (BT-Drs. 16/11375).

In Sachen Söldner auf der schiefen Bahn
Der Antrag der Regierungskoalitionen entstand nicht im luftleeren Raum. Seit vielen Jahren werden Stück für Stück die Hürden für den Einsatz privater militärischer Unternehmen abgetragen. In Deutschland aktive Sicherheitsunternehmen wollen expandieren und auch im Ausland komplexere Aufträge übernehmen. Internationale Lobbyverbände, wie die International Peace Operations Association (IPOA) – ein Zusammenschluss mehrerer Sicherheitsunternehmen - wollen sogar für die Vereinten Nationen die kostspieligen Militäreinsätze übernehmen. Auch humanitäre Organisationen unterstützen diesen Trend, indem sie privaten Schutz für ihre Hilfseinsätze mieten.

Ein maßgeblicher Faktor war aber auch die unter Rot-Grün 1999 begonnene Privatisierung von Bundeswehraufgaben. Jede Auslagerung bedeutet einen schleichenden Know-how How Verlust bei der Bundeswehr. Die Abhängigkeit von den beauftragten Unternehmen wächst – gerade in diesem Sektor mit wenig Konkurrenten und hohen Sicherheitsvorschriften. Für die Streitkräfte wird es immer attraktiver, weitere Aufgaben auszulagern anstatt wieder mehr Personal dafür anzustellen und auszubilden. Die Bundeswehr hat sich - ähnlich den USA in den 80er Jahren - auf eine rutschige Bahn begeben. Auch dort fing es mit der Privatisierung einzelner Verwaltungsaufgaben an. Inzwischen erhalten US-Unternehmen u.a. langfristige pauschale Verträge für die Drogenbekämpfung in Kolumbien oder Afghanistan. Bereits jetzt stützt sich die Bundeswehr in einigen logistischen Bereichen in Afghanistan auf private Unternehmen ab. Die Ausweitung des Aufgabenspektrums ist nur noch eine Frage der Zeit. 

Söldner sind nicht zu kontrollieren – auch in Deutschland nicht
Natürlich geht es an den Realitäten vorbei, zu glauben, man könnte die seit fast 20 Jahren in Deutschland laufende Privatisierung verschiedener Sicherheitsaufgaben über Nacht zurückdrehen. Derzeit gibt es in Deutschland mehr als 3.500 Sicherheitsfirmen mit fast 180.000 Angestellten. Anders verhält es sich mit militärischen Diensten deutscher Sicherheitsunternehmen im Ausland. Laut Bundesregierung wurden bislang von ihr weder solcher Unternehmen beauftragt noch hat sie Kenntnis über entsprechende Tätigkeiten dieser Unternehmen (BT-Drs. 16/1296). In gewisser Weise befindet sich Deutschland hier noch in der Stunde Null, auch wenn immer mehr Fälle bekannt werden, in denen sich Deutsche privat an bewaffneten Konflikten beteiligten haben. (Siehe Franz Hutsch: „Exportschlager Tod“, Econ Verlag 2009.)

Ein Grund hierfür war mit Sicherheit die unklare Rechtslage. Deutschland hat zwar das 1. Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen von 1977 ratifiziert, das die Beteiligung von Söldnern an bewaffneten Konflikten für unrechtmäßig erklärt und eine erste Definition für Söldner formuliert. Die internationale Konvention gegen die Rekrutierung, Verwendung, Finanzierung und Ausbildung von Söldnern von 1989 wurde dagegen nicht ratifiziert. Bislang fehlt auch ein expliziter Söldner-Paragraph im Strafgesetzbuch. Lediglich über den §109h des StGB, der den Wehrdienst in anderen Streitkräften und das Anwerben dafür untersagt, könnte juristisch vorgegangen werden – und natürlich, wenn deutsche Staatsbürger nachweislich nach dem Völkerrecht als illegale Kombattanten aktiv waren.

SPD, CDU und CSU gehen nun daran, die Rechtslage für diese Firmen zu verbessern. Zwar soll auch die Söldnerkonvention von 1989 endlich ratifiziert werden, vor allem aber will die Regierung eine Struktur aufbauen, die es erlaubt, zwischen „guten“ und „bösen“ Sicherheitsdienstleistern zu unterscheiden. Ein freiwilliger Verhaltenskodex und ein Lizensierungssystem sollen eingeführt werden – eine gefährliche Illusion, die sämtliche negative Erfahrungen, die man bereits mit deutschen Rüstungsunternehmen und ihren Exporten sammeln konnte, ignoriert. Der „Schutz von Geschäftsbeziehungen“ und die „nationale Sicherheit“ vertragen sich nicht mit Transparenz und demokratischer Kontrolle. 2006 hat die Bundesregierung schon die Richtung vorgegeben: „Eine solche Pflicht, Vertragsverhältnisse und -beziehungen Dritten gegenüber offenzulegen, würde einen erheblichen Eingriff in die unternehmerische Freiheit bedeuten, ohne dass die Aussicht besteht, dadurch ungewollte Aktivitäten privater Sicherheitsunternehmen in Drittstaaten zu erschweren oder zu unterbinden.“ (BT-Drs. 16/1296)

Darüber hinaus erschweren eine Reihe weiterer Merkmale der modernen militärischen Sicherheitsunternehmen die Transparenz, Kontrolle und Haftbarmachung sowohl für den Auftraggeber als auch die Allgemeinheit:

  • Personal: Das Personal wird in der Regel befristet aus dem Personalpool des Unternehmens je nach Bedarf und Auftrag ausgewählt. Häufig werden die „Arbeitsverträge“ über andere Firmen abgeschlossen. Etwaige Vorstrafen und Menschenrechtsverletzungen des Personals sind für die Auftraggeber nicht zu überprüfen. Die Identifikation der „Kombattanten“ und die Haftbarmachung für begangene Kriegsverbrechen wird werden erschwert. Im Zweifelsfall werden sie einfach von der Söldnerfirma gefeuert.
  • Neue Aufgabenfelder: Das „Kriegsgeschehen“ hat sich gewandelt. Heute geht es neben den klassischen Söldnertätigkeiten auch darum, anderen Streitkräften militärtaktisches und technisches Know-How zu vermitteln sowie modernste Aufklärungstechniken zu beherrschen – bis hin zum Betrieb von Drohnen. Diese „Söldner“ nehmen nicht mehr direkt am Kampfgeschehen teil, sondern steuern u.a. aus der Ferne kriegsrelevante Geräte. (Völker-)Rechtlich besteht hier eine riesige Lücke.
  • Flexible Firmenstrukturen: Militärische Sicherheitsunternehmen benötigen allenfalls Lagerhallen für einige Waffen und andere Geräte. Bei einem rechtlichen Nachspiel kann der Firmensitz leicht verlegt werden. Vertragsvereinbarungen und Geldzahlungen laufen über Briefkastenfirmen. Und wie jüngst das Söldnerunternehmen Blackwater demonstrierte, ist es bei juristischen Problemen ein leichtes, das Unternehmen einfach aufzulösen und kurz darauf wieder neuzugründen – im Fall von Blackwater unter dem neuen Namen „Xe“.
  • Interessensverflechtungen: Viele der militärischen Sicherheitsunternehmen sind direkt oder über Briefkastenfirmen eingebunden in ein größeres Konglomerat von Rohstoff- und Rüstungskonzernen. In der Vergangenheit haben sich Sicherheitsfirmen schon mal mit Förder-Konzessionen bezahlen lassen. Auf jeden Fall bleibt es für den Auftraggeber unkalkulierbar, aus welchen anderen Eigeninteressen diese Unternehmen den Auftrag ausführen.

Aufgabe für die Zukunft
Trotz der vollmundigen Absichtserklärungen in den Wahlprogrammen ist davon auszugehen, dass mit Beginn der nächsten Legislaturperiode die Regierung die Arbeit an der Ausgestaltung des im Sommer beschlossenen Antrages aufnimmt. Einflussreiche Lobbyverbände wie die IPOA oder deutsche Sicherheitsunternehmen wie Securitas werden schon dafür sorgen. Eventuelle Sparzwänge im Budget für Auslandseinsätze könnten die weitere Auslagerung von Aufgaben beschleunigen und attraktiver machen.

Es besteht also akuter Handlungsbedarf. Die weitere Privatisierung gefährdet die demokratische Kontrolle der Streitkräfte bzw. der staatlichen Gewaltanwendung. Der Einsatz militärischer Sicherheitsfirmen in bewaffneten Konflikten leistet einen Beitrag zur Aushöhlung des Völkerrechts und verlängert die Dauer von Konflikten.

Sollte die Bundesregierung also an diesem gefährlichen Weg festhalten, ist es wichtig, dass die kritische Öffentlichkeit sich beharrlich für Transparenz einsetzt und diese Geschäfte ans Tageslicht zieht. Die entsprechenden Firmen müssen beobachtet werden, auf Aktionärsversammlungen muss Rechenschaft gefordert werden. Zudem ist es wichtig, Gespräche mit den Hilfsorganisationen zu suchen, die vor Ort auf private Sicherheitsdienste zurückgreifen. Sie werden von Regierung wie Lobbyverbänden gerne als Feigenblatt für die Rechtfertigung weitergehender Privatisierungsziele instrumentalisiert.

Hauptziel sollte jedoch sein, dieser Entwicklung einen Riegel vorzuschieben. Anders als in anderen Rüstungsbereichen ist Deutschland in diesem Segment noch nicht als Produzent und Nachfrager von privaten militärischen Sicherheitsdienstleistungen aktiv. Ein Verbot würde (noch) keinen Wirtschaftszweig zerstören - denn den dürfte es offiziell ja ohnehin nicht geben. Deswegen sollten auch in der nächsten Legislaturperiode folgende Kernforderungen an die Bundesregierung gerichtet werden:

  • Die Ratifizierung der UN-Söldnerkonvention von 1989.
  • Die Erfassung und Kontrolle aller in Deutschland tätigen Sicherheitsunternehmen.
  • Ein Verbot des Exports militärischer Dienstleistungen, des entsprechenden Know-how How sowie des entsprechenden Personals.

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Paul Schäfer ist verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. eMail: paul.schaefer@bundestag.de; www.paulschaefer.info