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Regionale Konversion im Hunsrück am Beispiel Flughafen Hahn
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Nach dem Weggang von etwa 12.000 Personen der US-Streitkräfte im September 1993 um den Flugplatz Hahn verschärfte sich die wirtschaftliche Situation in der Region durch den Wegfall von 250 Mio. DM Kaufkraft und die Entlassung von 730 deutschen Zivilangestellten dramatisch.
Innerhalb weniger Jahre zogen nun mehr als 10.000 Russlanddeutsche in die leerstehenden Wohnungen. Einerseits glichen sie zwar die Mietverluste in der Region aus und bewahrten damit manche Hausbesitzer vor dem Ruin, andererseits führte diese riesige Bevölkerungsverschiebung zu massiven sozialen Problemen z.B. in Schulen, auf dem Arbeitsmarkt sowie bei den kommunalen Sozialetats.
Da die Landesregierung in Rheinland-Pfalz sich in einer Koalitionsvereinbarung recht frühzeitig auf einen kommerziellen Nachtflughafen für den Frachtbereich festlegte, kam es bald zu massiven Protesten aus der Bevölkerung, die sich in der "Bürgerinitiative gegen den Nachtflughafen Hahn" bündelten. Bei einigen Veranstaltungen und Treffen wurde deutlich, daß die politische Arbeit gegen dieses wirtschaftlich wie ökologisch höchst umstrittene Projekt ohne das Aufzeigen von alternativen Arbeitsplätzen ohne Chance sein wird. Mit Beginn des Jahres 1992 gründete sich der Arbeitskreis Konversion im Hunsrück. In Beiträgen der Zeitschrift Hunsrück Forum entwarfen wir Überlegungen zu möglichen Folgenutzungen der leerstehenden Kleinstadt um das Flughafengelände: Recyclingzentrum, Bodenentsorgungszentrum, Fachhochschule, Rehabilitationseinrichtung, altersgerechte Wohneinheiten, Behindertenwerkstatt, internationales Katastrophenhilfszentrum.
In den Jahren 1992/93 initiierten wir als Arbeitskreis Konversion eine Veranstaltungsreihe zum Thema "Dauerhafte Energiequellen - Umweltentlastung und Arbeitsplätze für den Hunsrück". An vier Abenden, zu denen insgesamt ca. 250 Personen kamen, informierten wir mit Fachreferenten über die Themen Sonnenenergie, Kraft-Wärme-Kopplung (Blockheizkraftwerke), Biogas und Windenergie. Das konkrete Ergebnis dieser Reihe, die ein äußert positives Presseecho mit ausführlichen Berichten fand, läßt sich bis heute schlecht abmessen. Ca. 45 Personen trugen sich als InteressentInnen für den Bau von Warmwasserkollektoren auf ihren Häusern in eine Liste ein und trafen sich zum Teil an vier weiteren Abenden (Besichtigung einer Kollektorenanlage, Selbstbaumöglichkeiten, Kontaktveranstaltungen mit einem örtlichen Installations- und Heizungsbaubetrieb). Eine Firma mit ca. 40 Arbeitsplätzen in der Region, die Blockheizkraftwerke herstellt, rückte zeitweise etwas verstärkt ins öffentliche Interesse. Die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (ABL) lud zu einer Folgeveranstaltung zur Besichtigung einer Biogasanlage ein. Am weitesten vorangeschritten sind die Planungen im Bereich Windenergie. Fünf Personen haben ihre Bereitschaft zur Gründung einer Hunsrück-Wind GmbH und Co KG erklärt. In Beltheim bei Kastellaun, ca 13 km von Kastellaun entfernt, wurden bereits vor den Windkraftveranstaltungen recht positiv verlaufende Windemessungen durchgeführt, der Gemeinderat hat sich wohlwollend zur Errichtung von ein bis zwei Anlagen im Bereich 500 KW geäußert. Sollten die beantragten Fördermittel genehmigt werden, könnte je eine Anlage umweltfreundlichen Strom für ca. 250 Haushalte produzieren. Im Januar 1994 wurde die Bauvoranfrage gestellt.
Ein wichtiges vorläufiges Ergebnis dieser Veranstaltungsreihe ist, daß eine Reihe von Menschen aus ihrer gelähmten Haltung mit Blick auf einige wenige PolitikerInnen und Industrielle herausfanden und selbst nun begonnen haben, die Zukunft ihrer Heimat mitzugestalten.
Dies zeigte sich auch bei einer größeren Veranstaltung in der Stadthalle Kastellaun unter dem Motto: "Gibt es für den Hunsrück Alternativen zum Flugplatz Hahn?". Professor Dr. Bartmann vom Georg-Forster-Institut Mainz legte dabei zunächst schonungslos die wirtschaftlichen Schwächen und ökologischen Gefährdungen des Nachtflughafens dar, bevor ein weiterer Wirtschaftsexperte zukunftsträchtige und realitätsnahe Alternativvorschläge zur Schaffung neuer Arbeitsplätze vorstellte. Der Leiter des Projektes "Sanfter Tourismus im Saarland" zeigte die Arbeitsplatzmöglichkeiten eines verantwortbaren Fremdenverkehrs im Hunsrück auf, der Umweltbeauftragte des Kirchenkreies Simmern-Trarbach richtete einen eindringlichen Appell an alle ZuhörerInnen, Entscheidungen zu treffen, die auch noch vor nachfolgenden Generationen Bestand haben und die Schöpfung nicht weiter in den Ruin treiben. Die von den Befürwortern des Nachtflughafens angezweifelte Ernsthaftigkeit der GegnerInnen bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze wurde an diesem Nachmittag nachhaltig erschüttert. Aus den Wirtschaftsseiten der Frankfurter Rundschau hatte ich zukunftsträchtiger Betriebe herausgesucht und auf ein mögliches Investitionsinteresse für den Flughafen Hahn hin angefragt. Ein führendes deutsches Unternehmen im Bereich Automobil-Recycling sowie eine expandierende Firma im Bereich der Aufarbeitung von Elektroschrott hatten sich kurz vor der Veranstaltung als konkrete InteressentInnen gezeigt. Zusammen mit weiteren Vorschlägen übergaben wir in einer Sammelmappe unsere Korrespondenz mit Investitionsvorschlägen an den anwesenden Vertreter der Landesregierung zur Weitergabe an Wirtschaftminister Brüderle. Durch intensive Pressearbeit sowie die Dokumentation der Beiträge für kommunale Entscheidungsträger bekam diese Veranstaltung ein nachhaltiges politisches Gewicht. Obwohl die Landesregierung - inzwischen auf gerichtlichem Wege - weiterhin an ihren Plänen festhält, sind dennoch seit November 1993 erstmals auch neue Pläne aufgetaucht: Das veraltete, umweltfeindliche Kohlekraftwerk auf dem Hahn wird durch eine moderne Biomassenanlage zur Verarbeitung von Hackschnitzeln (Holzabfälle) ersetzt, im Verlauf des Jahres 1994 soll die neue Landespolizeischule auf das Flughafengelände verlegt werden. Als touristische Attraktion wurde eine Eisenbahnlinie zum Flugplatz wieder in Betrieb genommen, der Abfallwirtschaftsbetrieb des Rhein-Hunsrück-Kreises zieht ebenfalls auf das Airbase-Gelände. Es wäre sicherlich vermessen, dies auf die Vorschläge der Flughafengegner oder des AK Konversion zurückzuführen. Was wir allerdings erreicht haben, ist die Mitgestaltung eines politischen Klimas, in dem solche Vorschläge politikfähig wurden. Inzwischen hat auch der Baukonzern Wayss und Freitag mit seinen 7300 Beschäftigten konkretes Interesse an einer Vermarktung des Geländes geäußert. Die im Februar 1994 vorgestellten Nutzungsideen lesen sich wie der erweiterte Katalog der BI gegen den Nachtflughafen und des Arbeitskreies Konversion. Bis April diesen Jahres soll die Entscheidung über den Zuschlag fallen - die Spannung in der Region steigt.