Ressourcenknappheit und Ressourcenüberfluss als Ursache bewaffneter Konflikte

von Michael Brzoska

Historisch gesehen war die Ressource Territorium die wichtigste Ursache von Kriegen zwischen Staaten (Goertz and Diehl, 1992). Territorium stand dabei für die Kontrolle über Menschen ebenso wie von wirtschaftlich nutzbaren Flächen. Mit der Industrialisierung wurden Rohstoffe wie Kohle- und Ölvorkommen zu Kriegsgründen.

Aus diesen historischen Fakten wird häufig die Schlussfolgerung abgeleitet, dass auch heute und in Zukunft viele Kriege um Ressourcen geführt werden. Zeitschriftentexte und Bücher mit Titeln wie "Krieg ums Wasser", "Klimakriege" oder "Krieg ums Öl" haben Konjunktur. Einzelne Beispiele von Konflikten bei Ressourcenbezug, wie der Palästina-Konflikt (Wasser), der Krieg in Darfur (Klimawandel) oder die US-amerikanische Intervention im Irak (Öl) werden als Belege für die Aktualität von Ressourcen als Kriegsursache angeführt. Noch dramatischer fallen in der Regel die Zukunftsprognosen aus: aus zunehmender Ressourcenverknappung und absehbarem Klimawandel wird abgeleitet, dass die Zahl und Intensität bewaffneter Auseinandersetzungen um Ressourcen zunehmen wird.

Die Beschreibung der gegenwärtigen Situation ebenso wie derartige Zukunftsprognosen decken sich aber nur begrenzt mit den Erkenntnissen der Friedens- und Konfliktforschung.

Zunächst: Ressourcen haben dabei eine wichtige, und zumindest bis vor kurzem zunehmend wichtige Bedeutung für das globale Kriegsgeschehen gehabt. Dabei waren allerdings zwei Fälle zu unterscheiden. Zum einen waren Knappheit und Verknappung von Ressourcen, insbesondere Land aber auch Wasser ein Faktor in zahlreichen innerstaatlichen bewaffneten Konflikten. Beispiele betreffen mehrere bewaffnete Konflikte in Gebieten mit fortschreitender Wüstenbildung am Rande der Sahara. Zum anderen wurde, insbesondere nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes, die Verfügung über international vermarktbare Ressourcen, wie Öl, Diamanten, Holz oder mineralische Rohstoffe zu einem, nach Ansicht zumindest einiger Wissenschaftler sogar dem wichtigsten Bedingungsfaktor bewaffneter Konflikte. Beispiele, die diesem Bild entsprechen, waren etwa die Kämpfe über die Kontrolle über Diamantenfelder in Angola und Sierra Leone. Aber nicht nur für Rebellen, auch für Machthaber ist die Kontrolle international vermarktbarer Rohstoffe eine wichtige Quelle der Bereicherung und damit auch ein Grund, mit militärischen Mitteln gegen Opponenten vorzugehen. Das ist zum Beispiel in einer Reihe von Ölförderregionen der Fall, etwa im Niger-Delta in Nigeria. Grob lassen sich mit Blick auf ihre Konfliktträchtigkeit "Rebellenrohstoffe" und "Regierungsrohstoffe" unterscheiden. Rebellenrohstoffe sind Ressourcen, die arbeitsintensiv erzeugt werden müssen, die sich leicht transportieren lassen und für die es große schwarze oder graue Märkte gibt, neben alluvialen Diamanten etwa auch Gold und Coltan. Regierungsrohstoffe hingegen solche, für deren Gewinnung und Transport erhebliche Investitionen notwendig sind und die vor allem auf "engen" Märkten mit wenigen marktbeherrschenden Firmen gehandelt werden (De Billon, 2005).

Die internationale Vermarktung von Rohstoffen kann nicht nur der Bereicherung von Kriegsparteien dienen, sondern auch der Finanzierung von bewaffneten Konflikten. Seit dem Ende des Kalten Krieges ist es für Rebellen aber auch Regierungen schwieriger geworden, politisch motivierte ausländische Unterstützung in Form von Waffen und Geld zur Bezahlung von Truppen zu bekommen. Kriegsparteien waren und sind stärker auf die Eigenfinanzierung ihrer Beteiligung an bewaffneten Konflikte angewiesen. In konkreten Fällen ist seitdem oft schwer auseinander zu halten, ob Bereicherung der Kriegsbeteiligten oder Finanzierung der Kriegsführung Ursache für den Zugriff auf Ressourcen waren. In der Regel ist eine gegenseitige Verstärkung der beiden Elemente feststellbar: Die Bereicherung erfordert die Anwendung von Gewalt, wofür Waffen und Truppen finanziert werden müssen; die Finanzierung von bewaffneten Konflikten mit "Konfliktrohstoffen" eröffnet viele Möglichkeiten der Bereicherung.

Das ist die eine Seite des Zusammenhanges von Ressourcen und Konflikten. Aber: Weder Knappheit noch "Überfluss" (in Sinne des Vorhandenseins von international vermarktbaren Ressourcen) führen automatisch zu bewaffneten Konflikten. Konflikte, auch bewaffnete Konflikte sind keine natürlichen Phänomene, sondern soziale. Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Ressourcenverknappung oder -degradation gibt es nicht. Im Gegenteil, beide Situationen eröffnen die Möglichkeit zur Kooperation. Sowohl bei Ressourcenknappheit wie auch bei Ressourcenüberfluss ist Kooperation offensichtlich die bessere Option - unter der Maßgabe, dass Kosten und Nutzen so verteilt werden, dass potentielle Konfliktparteien diese Verteilung als gerecht ansehen. Ressourcenknappheit ist ein Übel, das, etwa bei Wassermangel, lebensbedrohend werden kann. Aber Krieg über solche Knappheiten fordert Opfer, erzeugt hohe Kosten und bringt in der Regel auch dem Gewinner nur eine kurzfristige Verbesserung der eigenen Situation, weil der Verlierer sich nicht mit ihr abfindet. Ressourcenüberfluss öffnet Chancen der Verbesserung der Lebenssituation vieler, insbesondere wenn die Rohstoffeinkommen produktiv investiert werden. Die Bereicherung durch Einzelne hingegen reizt andere zur bewaffneten Nachahmung.

Der Zusammenhang zwischen Ressourcen und bewaffneten Konflikten stellt sich über die in einer Region herrschenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse her. Die Wirkungen von Ressourcenknappheit und Ressourcenüberfluss sind daher sehr unterschiedlich. Sie reichen von Verstärkung von Kooperation bis hin zur Verschärfung von Konflikten und dem militanten Austrag dieser Konflikte. Empirische Studien zum Zusammenhang von Ressourcenknappheit oder -überfluss und bewaffneten Konflikten haben deshalb zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt. In einigen Studien ergab sich eine leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit lokaler Konflikte durch wachsende Ressourcenknappheit oder -degradation, die aber in anderen Studien nicht bestätigt wurde. Das gilt für verschiedene Ressourcen wie Boden, Wald und Wasser. Auch Ressourcenüberfluss ist in den meisten neueren Untersuchungen nur in einigen Fällen als Ursache bewaffneter Konflikte identifiziert worden. Dies gilt selbst für Diamanten, die besonders häufig mit der Kennzeichnung "Konfliktrohstoff" versehen werden. Am stärksten konfliktträchtig ist Rohöl.

Die Wahrscheinlichkeit von bewaffneten Konflikten oder Kooperation bei Ressourcenknappheit und Ressourcenüberfluss wird von einer Reihe von Faktoren beeinflusst. Dabei ist häufig entscheidend, ob die vorhandenen Institutionen der Konfliktbearbeitung von den potentiellen Konfliktparteien als gerecht angesehen werden. Diese Konfliktlösungsmechanismen können verschiedene Formen annehmen, von traditionellen Strukturen auf lokaler Ebene bis hin zu internationalen Organisationen. Allerdings sind in den meisten Fällen Staaten bzw. deren Regierungen die wichtigsten Institutionen, sowohl weil sie von vielen Akteuren als Fokus gesellschaftlichen Handelns anerkannt werden als auch weil sie in der Regel über die größten Machtmittel zur Absicherung und Umsetzung von Strategien der Konfliktlösung verfügen. Gerade Regierungen sind aber in der Realität oft nicht in der Lage oder willens, zu Konfliktlösung und Kooperation beizutragen. Die Zahl "schwacher Staaten" mit begrenzten Handlungsmöglichkeiten hat parallel zur Globalisierung zugenommen. Insbesondere in ölreichen Staaten haben die Herrschenden die Tendenz, jede Veränderung zu verhindern. Die Konfliktlösungskapazität und -bereitschaft von staatlichen Institutionen ihrerseits ist aber nicht unabhängig vom Niveau der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung eines Landes. Dies ist ein wichtiger Grund dafür, dass die Wahrscheinlichkeit bewaffneter Konflikte in wirtschaftlich höher entwickelten Staaten deutlich geringer ist als in Staaten mit geringem Einkommen, also Ölreichtum in Norwegen andere Folgen hat als Ölreichtum in Nigeria, oder der Diamantenabbau in Botswana andere als in der DR Kongo.

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Michael Brzoska ist Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH).