Ruck nach rechts

von Wolf-Dieter NarrRoland Roth
Schwerpunkt
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Nachfolgend dokumentieren wir stark gekürzt eine Erklärung des geschäftsführenden Vorstands des Komitees für Grundrechte und Demokratie "Ruck nach Rechts. Zur Augenmaßlosigkeit der NPD-Verbotsdiskussion und anderer repressiv schäumender Härteformeln". Die vollständige Erklärung kann beim Komitee für Grundrechte (Aquinostr. 7-11, 50670 Köln) angefordert werden.

Die aktuelle Panikwelle der herrschenden Politik gegen rechts soll von all dem ablenken, wie - vom amtierenden Bundeskanzler an über die etablierten Parteien, die diversen Landesregierungen, die freistaatlich bayerische an der Spitze - dabei mitgeholfen worden ist und mitgeholfen wird, Vorurteile gegen Ausländer zu produzieren, Bedingungen rechter Gewalt zu flechten. Ja, mehr noch. Die medial als Lochauffüller inszenierte und kurzsichtig von den politisch amtlichen Vertretern unterstützte,Panikwelle gegen rechts` soll dazu herhalten, die innere Aufrüstung durch repressive Gesetze und Einrichtungen zu verstärken bzw. endlich zu nützen.

Der Kampf gegen rechts, zu dem in diesen Wochen kräftig aus allen möglichen Jagdhörnern zum bundesweiten Halali geblasen wird, ist also selbst rechtsgerichtet. Er soll, als wäre der Kalte Krieg nicht ein Jahrzehnt lang vorbei, "streitbare Demokratie" so praktizieren lassen - und dafür ein gutes legitimatorisches Gewissen und Ruhekissen schaffen -, dass Demokratie und Grundrechte eingeengt werden. Selbst von Sondergerichten war schon die Rede. Er soll außerdem vom eigenen, gesetzlich gemachten ausländerfeindlichen Verhalten ablenken. Auch darum der Ruf: Haltet die rechten Gewalttäter. Also signalisiert der Kampf gegen rechts einen weiteren Ruck der bundesdeutschen "Mitte" nach rechts. Und sie, diese "Mitte" ist das Problem, um die sich Demokraten und Menschenrechtler kümmern müssen. Nicht die ekelhafte NPD und deren unsinnig kontraproduktives und dazuhin scheinheiliges Verbot bzw. die Verbotsdiskussion über die altneubraune NPD.

Muss in der Tat daran erinnert werden, in welchem Ausmaße und welcher dauernden Arbeit die offizielle Bundesrepublik Deutschland und ihre wehrhaften Repräsentanten nicht nur das Feld bestellt und gedüngt haben, auf dem Vorurteile kräftig zu wachsen vermochten, sondern selbst eine immer erneute Politik des Vorurteils betrieben haben?

Biederleute als Brandstifter:
- Die allweil verkündete Lebenslüge der Bundesrepublik: "Deutschland ist kein Einwanderungsland!".

- Die bis zum amtierenden Bundesminister des Innern schier unendlich wiederholte Geschichte vom bundesdeutschen "Boot", das angeblich zum Kentern "voll" ist. (Neuerdings kann man via Green-Card munter, wenngleich zeitlich befristet, zusteigen. Wer Lücken sieht und wer sie füllt, das bestimmen selbstredend die bundesdeutschen ökonomischen Interessen. Wen kümmern schon weltweite Migrations- und Fluchtbewegungen?)

- Eine Ausländerpolitik, die seit ihren Anfängen 1965 (erstes bundesdeutsches Ausländergesetz mit starker Kontinuität zum Nazi-Ausländergesetz von 1938) durch eine überaus human kostenreiche Kontinuität des Irrtums ausgezeichnet ist. Als könne man kräftige (1965) und PC- effektive (2000) Arbeitskräfte, niemand sonst, versteht sich, in die Bundesrepublik hereinrufen und sie dann - "Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen" - wieder hinauskomplimentieren. Als Arbeitsbienen erwünscht, nicht als Bürger.

- Eine Asylpolitik, die schon vor 1993 das Grundrecht auf politisches Asyl bis zur Unkenntlichkeit auszehrte und die, CDU/FDP geführt, jedoch sozialdemokratisch akzeptiert und mitgetragen, seit dem 1. Juli 1993 den Grund- und Menschenrechten systematisch ins Gesicht schlägt (zuvor war von der CDU/FDP-Regierung die Asylflutwellenpanik in Gang gesetzt worden). Entgegen der Säulennorm des Grundgesetzes wird die Würde des Menschen dauernd angetastet. Entgegen dem Recht auf Leben und Integrität werden Lebensrecht und Integrität von gefährdeten Menschen dauernd riskiert (von den negativen Effekten in Sachen Schlepperbanden, illegalisierter Einwanderung, damit verbundener rücksichtsloser Ausbeutung u.ä.m. nicht zu reden).

- Seit 1990 ist im westdeutschen Ruckzuck und westdeutsch borniert eine Vereinigungspolitik betrieben worden, die vielen Bürgerinnen und Bürgern, und hierbei auch gerade den jüngeren unter ihnen, nahezu keine Chance ließ, Demokratie zu lernen und das angeschlagene Selbstbewusstsein verändernd zu gewinnen.

- Arbeitsmarkt, Bildungs- und Jugendpolitik suchen den Jugendlichen keine eigenen Räume sozialer Relevanz zu eröffnen, sondern lassen nur die bange Wahl zwischen flexibel-mobil-Funktionieren und bildungsarm/arbeitslos Vegetieren.

Und so weiter, und so fort. Wem es tatsächlich darum zu tun ist, schon als solche gewalthaltige Vorurteile und vollends Drohungen und Akte physischer Gewalt gegen andere zu reduzieren und nicht mehr gesellschaftsfähig zu machen, der muss in der herrschenden Mitte ansetzen und dem Versuch wehren, dieselbe vollends zur wohllegitimierten Festung auszubauen. Wo blieb denn der nun sich auch im Kampf gegen rechts profilierende Herr Stolpe, als er sich in Gollwitz hätte zeigen und mit den dortigen und anderen Bürgerinnen und Bürgern eine andere Politik beginnen sollen? Er saß personengeschützt in den wohlbestuhlten Räumen seiner Residenz zu Potsdam. Die Feigheit der politischen Repräsentanten, sich den wahren Problemen zu stellen, bedrückt am meisten. Diese Feigheit zu vertuschen, wird die Parole "Haltet die Rechten", die morgen auch wieder anders gefüllt werden mag, aus der allemal offenen Tasche gezogen.
 

Verbot, Verbot, Verbot, Strafe, Strafe, Strafe, Einschränkung, Einschränkung, Einschränkung - so hallt es durch die beblätterten und bebilderten Lande. Nicht Sicherung gegen rechts ist die gewisse Folge; vielmehr die weiter verengte Herrschaftssicherung.

• Also geht es erneut gegen das Demonstrationsrecht, die einzige Bürgerinnen und Bürgern kollektiv mögliche politische Äußerung unterhalb des bürgerlosen repräsentativen Absolutismus.

• Also sollen alle möglichen Überwachungen, grundrechtwidrig veränderte Grundrechte à la Lauschangriffe, Internetkontrollen (auch wenn sie meist unwirksam sind) u.ä.m., wenn nicht neu installiert werden (die gesetzlichen Vorkehrungen und deren schier unbegrenzte Auslegungsfähigkeit sind bei weitem genug), so doch bürgerwidrig strikter angewandt werden.

• Der Bundesgrenzschutz soll sich hierbei vollends zur Bundespolizei mausern, so wie die Verfassungsschutzämter einen legitimatorischen Purpurmantel überworfen erhalten, der diesen Bürger ausspähenden Ämtern, demokratisch kropfunnötig wie sie sind, schlechterdings nicht zukommt.

Gegen rechts, gegen rechts, tönt es flötenweich durch die bundesdeutschen Lande. Selbst wenn man die Grund- und Bürgerrechte "rechts" gesinnter Bürgerinnen und Bürger weniger ernst nähme, als wir dies tun, die wir uns deswegen umso mehr mit ihnen und gegen ihre miese Vorurteilspolitik auseinandersetzen, selbst dann müsste man doch endlich, wenn schon nicht regierungsamtlich, so doch demokratisch rechtsstaatlich merken, dass mit diesem repressiven Ruck gegen rechts der grundgesetzlich fundierte Rechtsstaat massiv gefährdet wird. Und, übrigens gerade auch die Schwächsten der Schwachen, die Ausländerinnen und Ausländer, die Illegalisierten, die Asyl Suchenden.

Nein! Eindeutig und klar: Diese gezielte Panikmache gegen rechts betreiben wir nicht mit. Sie führt in die Irre. Sie gefährdet bewusst unbewusst den demokratischen Rechtsstaat. In der Sache, nämlich in Richtung Abbau gewalttätiger Vorurteile, in Richtung einer Umorientierung von Jugendlichen, bewirkt sie nichts oder nur Negatives. Menschenrechtlich demokratisch kann es allein darum gehen, dauernd und unablässig ein Mehr an verwirklichten Menschenrechten, ein Mehr an demokratischer Beteiligung einzuklagen. Und dafür unter anderem, auch gegen den erneut versuchten Abbau dieses wichtigen Grundrechts, gewaltfrei mit allen sonstigen Mitteln zu demonstrieren.

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Wolf-Dieter Narr ist Hochschullehrer, Mitbegründer und langjähriger Sprecher des Komitee für Grundrechte und Demokratie