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Nachruf Rudi Friedrich
Rudi Friedrich ist tot – ein Nachruf
von
Rudi Friedrich starb am 14. Juli während eines Urlaubs in den italienischen Alpen. Er erlitt bei einer Bergwanderung einen Herzinfarkt und stürzte dabei in den Tod. Er wurde 62 Jahre alt und hinterlässt seine Frau Karin, Familie und Freund*innen.
Rudi Friedrich war der jüngste von sechs Söhnen einer evangelischen Pastorenfamilie, die von Brasilien zurück nach Norddeutschland zog. Nach dem Abitur machte er zuerst eine Maurerlehre in Celle, verweigerte den Kriegsdienst, machte Zivildienst und studierte anschließend Soziologie in Frankfurt. Als Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner (damals noch ohne *innen) kritisierte er die damals dort vorherrschende Einschätzung der DDR als „Friedensmacht“. So kam er 1982 von Frankfurt zur Gruppe nach Offenbach.
Hier entwickelten wir zusammen ein breit aufgestelltes Verständnis der Kriegsdienstverweigerung als aktives Handeln gegen Krieg, gegen Kriegsvorbereitung, Militärdienstpflicht und auch den Zivildienst, der ja nichts anderes als eine staatlich verordnete Zwangsarbeit darstellt. Es entstanden die in mehreren Auflagen erschienene Beratungsbroschüre „Drückeberger“ und 1989, zusammen mit der Selbstorganisation der Zivildienstleistenden, das Buch „Was gibt es Schöneres, als anderen Menschen zu helfen? – Zivildienst, Zwangsarbeit und sozialer Bereich“.
Obwohl er selbst immer wieder Kontakte zur Kriegsdienstverweigerungsbewegung in der DDR pflegte, war er anfangs der völligen Internationalisierung der Arbeit gegenüber noch skeptisch. Dies änderte sich, als er Anfang der 90er Jahre Geschäftsführer der DFG-VK Hessen wurde. Dutzende von US-Soldaten wollten nicht in den Golfkrieg verlegt werden und suchten Hilfe bei der von ihm dort aufgebauten Beratung. Mit dieser Erfahrung ging es dann in Offenbach voran.
Die bislang von anderen der Gruppe geführte Arbeitsgruppe „Südliches Afrika“ und dann „Kriegsdienstverweigerung im Krieg“ wurde ab dem Jahr 2000 in die 1993 gegründete Organisation Connection e.V. integriert und Rudi zum hauptamtlichen Geschäftsführer.
Immer neue Kriege, an denen sich auch immer mehr Deutschland beteiligte, und die prekäre Situation von vielen Kriegsdienstverweigerern (und zunehmend auch -innen) führten seitdem zu einem enormen Anwachsen unserer Aktivitäten. Es seien hier nur einige erwähnt:
Da ist der nun schon seit Jahrzehnten andauernde Kampf um das Menschenrecht in der Türkei. Die circa Hunderttausend, die vor dem Kriegsdienst im ehemaligen Jugoslawien flohen, die Hilfe für US-Soldat*innen, in den immer wieder inszenierten Kriegen im Nahen und Mittleren Osten. Da ist die Unterstützung für die Verweigernden in Israel, Angola, Eritrea, Lateinamerika, Südkorea und Thailand. Die umfassende Arbeit zum Ukrainekrieg sei hier nur erwähnt, da sie weitgehend bekannt sein dürfte.
Es war immer wieder Rudi, der die Kontakte aufbaute und pflegte, Besuche und Rundreisen organisierte. Er scheute nicht den Kontakt zu den Medien, zu Prominenten und Entscheidungsträger*innen. Er war ein Genie im Netzwerken. Er erstellte die Expertisen für zahlreiche Asylverfahren, auch für solche in anderen Ländern, für Anwält*innen und Institutionen. Er entwickelte sich darin zu einem geschätzten Experten. Hervorzuheben ist auch Rudis musisches Talent, das er mit seinem Freund Talib Richard Vogl in zwei Szenischen Lesungen, u.a. „Run Soldier Run“, unter Beweis stellte.
Mit unermüdlicher Werbetätigkeit gelang es, Spenden einzuwerben, damit wir nicht nur die Gruppen in anderen Ländern unterstützen, sondern auch die eigene Infrastruktur ausbauen konnten. Es war nicht zuletzt auf Rudis Engagement zurückzuführen, dass Connection e.V. zu einer weltweit als wichtig anerkannten Organisation wurde, was sich auch in verschiedenen Friedenspreisen ausdrückte. (1)
Schon bald wurde klar, dass diese Arbeit von ihm allein nicht mehr getragen werden konnte. Rudi wollte in etwa zwei Jahren seine Tätigkeit als Geschäftsführer übergeben. Deshalb wurde die Arbeit auf verschiedene Schultern verteilt. Jetzt gibt es eine Verantwortliche für Soziale Medien, eine zweite Kraft in der Geschäftsführung, eine Connection-Vertretung beim Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen in Genf und seit Neuestem einen russischen Anwalt, der sich insbesondere um die internationale Vernetzung kümmern soll. Auch das Büro befindet sich jetzt nicht mehr in Rudis und Karins Privatwohnung, sondern in einem modernen Bürogebäude in Offenbach.
Wenn auch Rudi ein Motor der Ideen war, so war er doch nicht allein. Auch wenn es Zeiten gab, wo wir uns nur mit ihm oder mit wenigen trafen, so ist die Anzahl der Aktiven doch kontinuierlich gestiegen und beläuft sich derzeit auf etwa 15. Auch sie bringen wichtige Impulse in die Arbeit ein und tragen sie mit. Wir sind über den Verlust Rudis unendlich traurig. Er war ein unersetzbarer Freund, dem es gelang, bei den auch bei uns immer wieder auftretenden Differenzen zu vermitteln.
Sein Tod stellt eine Zäsur dar. Aber die Arbeit wird weitergehen. Wie sie geleistet werden kann, ist derzeit in manchen Bereichen noch unklar. Die Haupt- und Ehrenamtlichen sind sich aber einig: Die Arbeit für die Verweigernden weltweit, für ein uneingeschränktes Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung und das Recht auf Asyl sind uns allen wichtig. Deshalb bitten wir um Unterstützung, damit Connection e.V. weiterhin dieses Ziel verfolgen kann. Danke auch dafür.
Anmerkung
1 Connection erhielt 1996 den Aachener Friedenspreis, 2001 den Friedrich Siegmund-Schultze-Förderpreis für gewaltfreies Handeln der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden, 2009 den Förderpreis der Martin-Niemöller-Stiftung, 2024 den Bremer Friedenspreis und ebenfalls 2024 den Helga-und-Werner-Sprenger-Friedenspreis. (Anmerkung der Redaktion)