Mali

Rückkehr zum Krieg gegen die "Achse des Bösen"?

von Tony Fortin

"Das ist also eine sozialistische Regierung, wo die Tenöre nicht gezögert haben, ihre Stimmen mit denjenigen zu mischen, die das kriegerische Abenteurertum ihrer Vorgänger niedergeschrien hatten, die die wichtigste französische militärische Operation seit dem Krieg des Golfes, 1990 - 1991, ausgelöst haben. Und es sind diejenigen, die eine militärische Antwort auf den Djihadismus verspotteten, die sich jetzt angesichts der Fakten der amerikanischen Doktrin angeschlossen haben" (1), unterstreicht ein ehemaliger Analytiker des französischen Auslandsnachrichtendienstes DGSE unter dem Pseudonym "Abou Djaffar".

Angesichts der Realität war der französische Präsident gezwungen, gegen seine natürlichen Neigungen zu handeln. Während er das Gelände in der UNO für eine Intervention afrikanischer Kräfte vorbereitete, beschloss François Hollande plötzlich, am 11. Januar 2013, die französische Armee allein an die Front in Mali zu schicken. Der Auslöser? Der Ruf des malischen Präsidenten, besorgt angesichts des Durchbruches der djihadistischen Bewegungen im Süden Malis, vielleicht der letzten Etappe vor der Einnahme der Hauptstadt Bamako.

Aber die militärische Antwort auf den "Djihadismus" steht auch in einer bestimmten "historischen" Kontinuität, die alle politisch Verantwortlichen sehen müssen, egal wo sie sich ideologisch verorten. Der Kampf mit dem nebulösen Islamismus, der als "eine Weltguerilla, deren verschiedene Akteure Ideologie, Operationsweisen und Ziele teilen" (2), erscheint. Kurz gefasst, die antiterroristische Rhetorik aus der Zeit nach dem 11. September, entwickelt von Bush Junior anlässlich der Intervention in Afghanistan, von Frankreich angewendet auf den Sahel.

Die Konstruktion der "grauen Zone" im Sahel
Mangels Kriegsbilder wird der Einflussbereich des Feindes auf Karten gezeigt, die in den Medien ständig wiederholt werden. Diese zeigen eine Zone in Sahara und Sahel, die sich von Mauretanien bis zum Tschad erstreckt und in großen Zügen dem Begriff` des "Krisenbogens"(3) entspricht, der in der französischen Militär-Doktrin definiert ist. In dieser Inszenierung der Bedrohung nimmt der Norden von Mali einen auserwählten Platz ein, weil er alle Merkmale dieser "grauen Zone" trägt, die die Sicherheit von Frankreich bedrohen: Die Anwesenheit von "djihadistischen" Gruppen, die mit Al-Qaida verbunden sind, Drehscheibe des Drogenhandels, Präsenz von leichten Waffen ... . Diese Darstellung der Bedrohung ist nicht "neutral". Sie bezieht sich auf den "terroristischen Korridor" der Pan-Sahara-Initiative, des "antiterroristischen" vom Pentagon nach dem 11. September für Afrika entworfenen Programms.(4) Den Geografen Denis Retaillé und Olivier Walther zufolge nimmt dieses Modell an, dass die Akteure der Konflikte an ein bestimmtes Territorium "gebunden" sind, wie es die Banden von Los Angeles sind. Was keinen Sinn im Sahel macht, wo die soziale Organisation durch Mobilität beherrscht wird: "Die Terroristen pflegen veränderliche Bündnisse, die oft von Geldsummen abhängen, über die sie verfügen, um die Beihilfe der Lokalbehörden und das Vertrauensniveau zu kaufen, das sie mit den Nomaden aus dem Sahel / der Sahara begründen können. Diese Individuen reisen oft große Entfernungen, um Regierungskräften zu entkommen, die sie ergreifen wollen, aber auch, um neue Geiseln zu suchen und mit anderen terroristischen Zellen zu kommunizieren." (5) Denis Retaillé und Olivier Walther wählen das Beispiel des Kurses der algerischen GSPC, die sich 2007 zur "Al-Qaida im islamischen Maghreb" (Aqmi) umbenannte. Sie sei "für diese Fähigkeit, zu zirkulieren, besonders aufschlussreich. Die aus der Region von Illizi-Amguid im algerischen Süden stammenden Terroristen haben sich in den Norden von Mali begeben, wo sie mehrere Monate wohnten und Bündnisse mit den lokalen Nomaden eingingen, bevor sie über Azawagh, die Berge von A‹r und Ténéré nach Niger zogen." (6)

Durch das Scheitern des malischen Staats - für das Frankreich teilweise die Verantwortung trägt! - haben die Gruppen den Charakter "einer kriminellen und mafiösen Gruppierung vom Typ der Taliban angenommen: Strukturierte militärischkriminelle Gruppen, mit Chefs, Missionen, Mitteln und vereint durch vorübergehende Interessenkonvergenzen" (7), bevor sie der Vormarsch der französischen Armee dazu verurteilte, in ihre rhizomatische ursprüngliche Form zurückzukehren. Gewiss haben sich die JournalistInnen sofort bemüht, ihre neuen "Zufluchtsräume" wieder "herzustellen": den Süden von Libyen für Aqmi und Niger für Mujao.(8) Aber vor Ort hatten nur wenige Mühe, zu wissen, wohin sie sich zerstreut hatten, was François Hollande im Mai 2013 mit einem lakonischen: "Sie wurden besiegt, aber sie sind immer noch da" festhielt.

Die Konstruktion der islamistischen Bedrohung
In seinem Krieg gegen den Terrorismus hat sich Frankreich mit der MLNA, einer weltlichen Gruppe, gegen Aqmi, Mujao und den Ansar Dine, Gruppen islamistischen Glaubens, verbündet. Man versteht gut, wie sehr diese Aufteilung der Rollen in "böse Islamisten" und "gute weltliche Kräfte" in Frankreichs Weltbild passt, und wie schwer es sich mit einer "segmentären und ohne politische Zentralinstanz" (9) auskommenden Kultur der Tuareg tut. So ist Ansar Dine zum Beispiel nichts anderes als eine Organisation, die sich von der MLNA abgespalten hat, "gegründet von einem ehemaligen Führer des Tuareg-Aufstandes der 1990er Jahre. Die Gruppe - zwischendurch in Berührung mit den pakistanischen Tabligh, der malischen Diplomatie und dem radikalen Salafismus - wurde in Wirklichkeit durch die Leitung der MNLA nach ihrer Gründung ausgeschlossen." (10)

Im Spiel des Roulettes von Bündnissen und persönlichen Fehden wird die Ideologie oft instrumentalisiert. Ihre Bedeutung für die Motivation der Akteure sollte angesichts der wirtschaftlichen Einsätze nicht überschätzt werden: Waffen- und Drogenhandel, das Geschäft mit Geiseln, usw., aus denen diese verschiedenen Gruppen ihre Einkünfte beziehen.

Der Islam in Mali sollte in seiner spekulativen und konjunkturellen Kompliziertheit analysiert werden, um jedes ethnozentrische oder kalkulierte Gemenge zu vermeiden. Nach dem Anthropologen Gilles Holder "muss man diese Kategorisierungen von eingeführtem versus bodenständigem Islam aufgeben, die rein kolonial sind. Die Ideologien, die Reformismen und die Utopien des Islams zirkulieren seit jeher in der Unterregion, und der malische Islam wurde von der islamischen Globalisierung eingeholt. Seit den 1970er Jahren hat Mali enge bilaterale Beziehungen mit Saudi-Arabien und seiner wahhabitischen Reform, und auf der anderen Seite hatte es eine privilegierte Beziehung, die sogar personalisiert war, mit dem Regime von Gaddhafi unterhalten, der den malischen Islam und das persönliche Netzwerk unterstützte. [...] Diese zwei großen konkurrierenden Tendenzen haben in Mali dazu geführt, dass die politisch-wirtschaftliche Klasse finanziell profitierte, sie dienten aber auch der Reislamisierung des Volkes." (11) Der von den Ländern des Westens begrüßte Demokratisierungsprozess verbarg nur schlecht "eine Kultur des Konsenses und der Aushöhlung der politischen Parteien", während die muslimischen Organisationen ihre Fähigkeit unter Beweis stellten, die Lücken der öffentlichen Politik zu füllen. Ein Muster nur "antiterroristischer" Lesart ist zu reduzierend: Der Zusammenbruch des malischen Staats und seiner Armee ist nicht nur auf "den radikalen Islam" zurückzuführen, sondern ist auch das Ergebnis einer nationalen Gleichung, die seit der Unabhängigkeit nicht aufgegangen ist.

Die Nachkriegssituation ist jenseits des anti-terroristischen Denkmusters
Der Wille, den Staat so schnell wie möglich zu restaurieren, zeigt sich in dem Ruf nach möglichst schnellen Wahlen im Juli 2013. Jedenfalls stellt das die Frage des Fortbestandes der kolonialen Grenzen. "Die Tuareg sind die Kurden des Sahel. Zwischen Mali, Niger und Algerien verstreut, träumen sie von einem Nationalstaat, aber keines dieser drei Länder ist bereit, ihnen etwas zu gewähren, aus Angst, dass sie so Land verlieren würden, dessen Boden äußerst reich ist." (12) Den Tuareg einen eigenen Raum zu gewähren ist aber eine der unerlässlichen Bedingungen für die Herstellung eines dauerhaften Friedens in dieser Zone. "Die Zeit eines französischen Afrikas ist vorbei" hat François Hollande einige Monate nach seiner Wahl behauptet und pries eine Beziehung "ohne Einmischung, aber mit Forderungen". Der Krieg wird vielleicht in Mali gewonnen werden. Aber der Sieg wird nur von kurzer Dauer sein, weil "es nicht der "Fanatismus` und die Barbarei der "Terroristen` ist, die man fürchten muss, sondern die Baufälligkeit der Institutionen und ihre wirtschaftliche Fragilität".(13)

Anmerkungen
(1) Opération Serval : la guerre contre le terrorisme, nécessaire et inutile, Ragemag, 20. Mai 2013, http://ragemag.fr/operationservalhonni-soit-qui-mali-pense/

(2) Abou Djaffar, Puisque je vous dis que j`ai eu tort, l…., 25. Febrar 2013, http://aboudjaffar.blog.lemonde.fr/2013/02/25/puisqueje-vous-dis-que-jai...

(3) Die Weißbücher der Verteidigung und nationalen Sicherheit von 2008 und 2013, die die französische Militärdoktrin definieren, erweitern diese "terroristische Zone" bis zum indischen Ozean.

(4) Denis Retaillé, Olivier Walther, la guerre au Sahara-Sahel : la reconversion des savoirs nomades, Information géographique, n 3 - 2011, p. 56, http://www.academia.edu/1779040/Guerre_au_Sahara-Sahel_la_reconversion_d...

(5) Ibid., p. 59.

(6) Ibid., S. 60.

(7) Emailaustausch mit Alain Chouet, ehemaligem Mitarbeiter des DGSE (Geheimdienstes), 5. Mai 2013

(8) Siehe zum Beispiel "La trajectoire djihadiste du Mujao du nord du Mali au Niger", Le Monde.fr, 23. Mai 2013, http://www.lemonde.fr/afrique/article/2013/05/23/la-trajectoire-djihadis...

(9) Gilles Holder, "Le projet d`un tat islamique au Mali n`est plus un scénario plausible", Mediapart.fr, 11. April 2013.

(10) Ibid.

(11) Gilles Holder, op. cit.

(12) Bernard Guetta, "L`irrésistible déclin du jihadisme", Libération, 23. Januar 2013.

(13) Hervé Kempf, "La guerre normale", Le Monde vom 21./22 Januar 2013.

Übersetzung aus dem Französischen: Christine Schweitzer

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Tony Fortin ist Präsident des Observatoire des armaments, etwa "Rüstungsbeobachtungsstelle" übersetzt. Es ist ein unabhängiges Expertenzentrum, das 1984 in Lyon gegründet wurde. Sein Ziel ist, die Arbeit der Zivilgesellschaft über die Fragen von Verteidigung und Sicherheit zu unterstützen, und zwar im Blick auf eine fortschreitende Entmilitarisierung. Das Observatoire mischt sich vorrangig auf zwei Achsen ein: Rüstungsexport und -industrie und Atomwaffen und ihre Folgen. Es veröffentlicht Studien und einen Informationsrundbrief, DamoclŠs (Probeexemplar kann angefordert werden). http://www.obsarm.org