6x jährlich erscheint unsere Zeitschrift "FriedensForum" und informiert über Neuigkeiten aus der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeheft zu!
Scheibchenweise die schleichende Annäherung der Bundeswehr an Kampfeinsätze in aller Welt
vonBis 1990 war Konsens in der Bundesrepublik: Die Bundeswehr wird nur innerhalb des Geltungsbereiches des NATO-Vertrages und nur zur Verteidigung eingesetzt. Das war nicht nur erklärter Wille aller im Bundestag vertretenen Parteien; Nach allgemeiner Auffassung ließ das Grundgesetz der Bundesrepublik auch gar keinen anderen Einsatz zu. Trotzdem sind seit Jahrzehnten Bundeswehrsoldaten in über 55 Staaten der Welt im Einsatz gewesen - mit recht unterschiedlichen Aufträgen. Einige dieser Einsätze hatten rein humanitären Charakter: So baute beispielsweise die Bundeswehr 1985 ein Kinderkrankenhaus im Senegal, half Erdbebenopfern in Italien und Armenien. Die Bundeswehr nutzte diese Einsätze intensiv zur Nachwuchs- und Image-Werbung.
Andere Aktivitäten dienten eher wirtschaftspolitischen Zielen: Militärberater der Bundeswehr sind in zahlreichen Staaten der "Dritten Welt" im Einsatz - zum Beispiel seit 1983 für die sudanesische Militärjunta, die einen Hungerkrieg gegen die eigene Bevölkerung führt. Wichtigste Aufgabe der Militärberater ist die Anbahnung, Betreuung und Unterstützung von Rüstungsexporten aus der Bundesrepublik - oft finanziert über "Ausstattungshilfen" der Bundesregierung. Natürlich dient so etwas auch der Wahrung "geostrategischer Interessen".
Andere Einsätze dienen zur Unterstützung von Militäroperationen der UNO und der NATO: 1974 beteiligte sich die Bundeswehr am Transport von UN-Truppen nach Kairo, 1978 nach Tel Aviv. Für diesen Einsatz stellte sie auch Ausrüstung zur Verfügung. 1987 ersetzten Schiffe der Bundeswehr amerikanische Kriegsschiffe im Mittelmeer, damit diese an einer Operation im Persischen Golf im Zusammenhang mit dem Ersten Golfkrieg teilnehmen konnten.
Hier wurde zum ersten Mal deutlich, daß die NATO für sich militärische Aufgaben außerhalb der Verteidigung ihres Vertragsgebietes sieht und daß die Bundesregierung bereit ist, solche Operationen politisch und zumindest indirekt auch militärisch mitzutragen;
Seit 1991 häufen sich die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Während des Golfkrieges waren 3000 Bundeswehrsoldaten in unmittelbarer Nähe des Kampfgebietes stationiert: Eine Jagdbomberstaffel und drei Luftabwehreinheiten im Rahmen der NATO-AMF (Allid Mobile Forc/ Alliierte Eingreiftruppe) in der Südost-Türkei, Marineeinheiten im östlichen Mittelmeer. Diese Kräfte sollten zum Einsatz kommen, falls der Irak die Türkei oder amerikanische Basen in der Türkei angegriffen hätte. Das wäre ein Angriff auf einen NATO-Staat gewesen, der nach herrschender Lehre den Einsatz der Bundeswehr erlaubt hätte. Darüber hinaus stellte die Bundeswehr Ausrüstung zur Verfügung, die Bundesregierung beteiligte sich finanziell in erheblichem Ausmaß an den Kosten der Aktion. Die Bundesrepublik war die wichtigste Drehscheibe für die gesamte Logistik der Operation. Nach dem Ende der offenen Kämpfe ging die Bundeswehr über die Grenzen des NATO-Gebietes hinaus ins Kampfgebiet: Ein Minenabwehrverband der Bundeswehr beteiligte sich an der Minenräumung im Persischen Golf, Bundeswehreinheiten halfen in Flüchtlingslagern in Irakisch-Kurdistan, Bundeswehr-Spezialisten in Bundeswehrhubschraubern und Transalls unterstützten UN-Inspektoren, die im Irak nach ABC-Waffen suchten. Dieser Einsatz dauert bis heute an. Zu noch mehr Einsätzen kam es 1992:
- Ab November 1991 waren erste Experten der Bundeswehr Im Rahmen der UN Kampagne in Kambodscha, seit dem Mai 1992 sind über einhundert Bundesswehrsoldaten als Sanitäter dort im Einsatz.
- Ab Juli 1992 beteiligte sich die Bundeswehr mit 2 Transalls an der Luftbrücke für Sarajewo, später auch an der Versorgung aus der Luft für eingeschlossene Muslime in anderen Orten Bosniens.
- Ebenfalls im Juli begann einer der umstrittensten Einsätze der Bundeswehr im Ausland: Ein Zerstörer und drei Seeaufklärungsflugzeuge wurden in die Adria beordert - zur Überwachung des Embargos gegen Rest-Jugoslawien.
- Seit dem August 1992 beteiligen sich 2 Transalls der Bundeswehr an Hilfslieferungen nach Somalia.
- Das ganze Jahr. 1992 über wurden Logistikexperten der Bundeswehr für bundesdeutsche und EG-Hilfskampagnen in den GUS-Staaten eingesetzt.
- 1993 kamen die AWACS-Einsätze zur Überwachung des Flugverbotes über Ex-Jugoslawien und das Engagement der Bundeswehr in Somalia hinzu.
Die Bundesregierung nutzt alle Auslandseinsätze der Bundeswehr für eine massive Werbung für die Bundeswehr. Dazu stellt sie die humanitären Aspekte in den Vordergrund - bezeichnend dafür ist die Überschrift einer BW-Anzeige in zahlreichen Tageszeitungen: "Die Engel von Phnom Penh". Die deutsche Öffentlichkeit - und die Bundeswehrsoldaten selbst - gewöhnen sich allmählich an die Präsenz deutscher Soldaten im Ausland. Und natürlich daran, daß sie dort nur Gutes tun.
Jenseits der Propaganda haben einige dieser Einsätze eine ganz neue Qualität. Früher wurde der Einsatz im Ausland damit legitimiert, daß die Bundeswehr dort keine militärischen, sondern andere hoheitliche Aufgaben übernehme, so als seien die Soldaten dann eigentlich keine Soldaten, sondern schlichte Bundesbeamte. Seit dem Golfkrieg wird die Bundeswehr jedoch zunehmend auch im Rahmen internationaler Militäreinsätze eingesetzt, die auch Kampfeinsätze beinhalten. Die Bundeswehr ist zwar bisher nicht direkt an Kampfhandlungen beteiligt, aber sie arbeitet Kampftruppen in vielfältiger Weise zu: In Ex-Jugoslawien an der Kontrolle des Luftraums und der See, in Somalia im Nachschub und der Logistik. Beim Einsatz in Somalia geht sie noch einen Schritt weiter:
Ein Teil des vorgesehenen Bundeswehr Kontingentes sind reine Kampftruppen mit dem Auftrag, den "Selbstschutz" des bundesdeutschen Trupps sicherzustellen. Legitimiert wird dies nun mit einer neuen Interpretation des Grundgesetzes: Dieses lasse Kampfeinsätze "out of area" durchaus zu - solange sie im Rahmen von internationalen Bündnissen stattfänden.
Es ist also lediglich eine Frage der Zeit, bis die Bundeswehr in Gefechte verwickelt wird, bis die ersten Soldaten in "Zinksärgen" nach Hause kommen. Der Generalinspekteur Naumann wird nicht müde, die Öffentlichkeit und die Soldaten auf diesen Augenblick vorzubereiten wie auf ein unabwendbares Naturereignis.
Nicht vorbereitet werden wir auf die anderen Opfer dieser Gefechte: die "Feinde" und die unglücklichen Zivilisten, die das Pech haben, zwischen die Fronten des Gefechts zu geraten: Letzteres machen erfahrungsgemäß zwar 90% der Toten eines Krieges aus, aber offensichtlich gehen der Generalinspekteur und die Bundesregierung davon aus, daß die Beerdigung der Opfer weit weg stattfinden wird und hier keine große Aufmerksamkeit erregen wird.
Ein weiterer Punkt spielt in der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr bemerkenswerterweise auch keine Rolle: das sind die "vitalen nationalen Sicherheitsinteressen", die Verteidigungsminister Rübe in den "Verteidigungspolitischen Richtlinien" vom November 1992 definiert hat. Dazu gehört unter anderem die "Sicherung des freien Welthandels und des Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt". Noch soll die Bundeswehr zur Erreichung dieses Zieles nicht eingesetzt werden. Angesichts der rasanten Entwicklung der letzten 3 Jahre ist die Frage lediglich, wie lang noch nicht.