Scheitert die Indizierung von "Soldier of Fortune" ein zweites Mal?

von Jürgen Grässlin
Hintergrund
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"Die jeweiligen Gegner werden als minderwertige Bevölkerungsgruppen hervorgehoben. Sie gelten als große Zielscheiben." (Aus der Indizie­rungsbegründung, 1990)

Spätestens im Januar 1995 entscheidet die "Bundesprüfstelle für jugendgefähr­dende Schriften" zum dritten Mal nach 1990 und 1993 über einen Antrag, das härteste Söldnermagazin der Welt - die Monatszeitschrift "Soldier of Fortune" (SOF) - auf den Index jugendgefährden­der Schriften zu setzen. Das US-ameri­kanische Kampfblatt SOF ist bislang, trotz seines martialischen Inhalts, an bundesdeutschen Kiosken erhältlich. Im vergangenen Jahr lehnte die Prüfstelle einen Antrag zur SOF-Indizierung ab, jetzt läuft ein weiterer Antrag zum Ver­bot des Söldnermagazins. Dieser Beitrag ist ein Aufruf zur Unterstützung der SOF-Indizierungskampagne.

Die Bundesprüfstelle für jugendgefähr­dende Schriften mit Sitz in Bonn ist die Institution, die darüber entscheidet, ob beispielsweise Computerspiele oder Zeitschriften auf dem Markt erscheinen können oder wegen jugendgefährdender Inhalte indiziert werden müssen. Dem Zwölfergremium gehören die Vorsit­zende der Bundesprüfstelle (bzw. deren Stellvertreterin) sowie acht Beisitzer als Repräsentanz aus dem Bereich der Kunst, der Literatur, des Buchhandels, der Verleger, der Jugendverbände, der Jugendwohlfahrt, der Lehrerschaft und der Kirchen an. Zudem entscheiden je drei Länderbeisitzer mit. Die Besetzung wechselt regelmäßig, so daß über unter­schiedlich terminierte Anträge jeweils andere Entscheidungsträger befinden.

Der aktuelle Antrag zur SOF-Indizie­rung wurde initiiert vom Rüstungs-In­formationsbüro Baden-Württemberg e. V. (RIB). Die Mitglieder des RIB be­schäftigen sich neben Fragen der Rü­stungsproduktion, des -exports und der -konversion (insbesondere des größten deutschen Rüstungsproduzenten Daim­ler Benz) auch mit den Aktivitäten von Söldnern. In dem aktuell erschienenen Buch "Krieg in Jugoslawien" (2. aktua­lisierte Auflage, Oktober 1994; ISBN 3-9803269-3-4) zeigen die beiden RIB-Vorstandsmitglieder Tobias Pflüger und Martin Jung die Aktivitäten von Söld­nern im Balkankrieg auf. RIB wertet zu­dem in Deutschland erscheinende Söld­nermagazine bzw. vergleichbare Milita­rias (SOF, "Combat and Survi­val", "Ba­rett" etc.) aus.

Antragsteller bei der Bundesprüfstelle ist das Jugend- und Sozialamt Freiburg, da RIB nicht antragsberechtigt ist. Grundlage des Antrags vom Herbst 1994 sind die SOF-Ausgaben vom Au­gust, September und Oktober diesen Jahres. Sollte dem Antrag stattgegeben werden, so wird die Verbreitung des Söldnermagazins in Deutschland für ein Jahr verboten. Danach müsste ein neuer Indizierungsantrag gestellt werden.

Bereits 1990 hatte das Bayerische Lan­desjugendamt einen Antrag bei der Bun­desprüfstelle eingebracht. Mit Er­folg, denn am 5. April 1990 entschied die Bundeskontrollbehörde: Die periodi­sche Druckschrift werde gemäß _ 7 JSG "für die Dauer von 12 Monaten mit al­len Ausgaben in die Liste der jugendge­fähr­denden Schriften aufgenommen". In der Begründung des SOF-Verbots wurde ausgeführt: "Die Zeitschriften sind ge­eignet, Kinder und Jugendliche sozial­ethisch zu desorientieren. Das Magazin heroisiert gewaltsame und kämpferische Auseinandersetzungen, es verherrlicht Guerillakriege und vermit­telt Kon­flikt­lösungsstrategien mit Ge­walt."

Zu den in jedem Heft seitenlang ge­schil­derten und optisch dargebotenen Kriegs­einsätzen heißt es in der Indizie­rungs­be­gründung: "Der Einsatz an der Front, der Einsatz mit der Waffe wird ver­herr­licht und in keiner Weise hinter­fragt." Und zum konkreten Waffenge­brauch auf dem Schlachtfeld wird zu­recht fest­gestellt: "Das Abschießen die­ser Bevöl­kerungsgruppen wird als hel­denhaft und selbstverständlich darge­stellt." Damit war die Indizierung für ein Jahr perfekt, erst im Mai 1991 durfte SOF wieder auf dem deutschen Markt erscheinen.

Am 4. März 1993 lehnte die Bundes­prüfstelle einen neuerlichen, diesmal von RIB initiierten und vom Freiburger Jugend- und Sozialamt verfochtenen Antrag zur SOF-Indizierung ab. Die Be­gründung war skandalös: Eine "Viel­zahl" von Waffen, für die gewor­ben werde, sei in der Bundesrepublik nicht erhältlich. Das Gremium habe nicht den Eindruck, "der Krieg werde hier ver­herrlicht oder verharmlost". Der Text sei "ausgesprochen schwierig zu lesen" und daher "für Kinder und Ju­gendliche kaum zugänglich". Wie welt­fremd das Zwöl­fergremium jenseits der Realitäten ent­schied, zeigte auch die Begründung, den Preis von 16.- DM könnten "Kinder und Jugendliche nicht ohne weiteres für den Ankauf dieser Zeitschrift aufwenden". Im Gegenteil: Mittlerweile hat sich die Computerfirma "Super Nintendo" dazu entschlossen, das Kriegsspiel "Declare war" in SOF zu inserieren - ein weiterer Hinweis auch auf einen jugendlichen Leserkreis.

Beiträge sowie Werbung in SOF spre­chen die Sprache der Gewalt. So darf es auch nicht verwundern, daß die Heraus­geber des Magazins erst im Frühjahr 1993 in den USA zu 4,37 Millionen Dollar Strafe verurteilt worden waren. Hatte SOF doch das Angebot des "pro­fessionellen Söldners" (so der Text des Inserats) Michael Savage publiziert, welcher angeboten hatte, Jobs aller Art auszuführen ("All jobs considered"). Das Angebot wurde wahrgenommen, ein Geschäftsmann mit Hilfe von Sa­vage kaltblütig umgebracht.

Bis zum heutigen Tag haben die Re­dak­teure des Blattes nicht damit aufge­hört, Szenen von Kopfschüssen bei Menschen bis ins Detail hinein zu be­schreiben, um so die Effizienz von Hand- und Faust­feuerwaffen zu belegen. Und die be­rühmt-berüchtigte deutsche Waffen­fir­ma Heckler & Koch mit ihrem US-ame­rikanischen Tochterunterneh­men H&K Inc. unterstützt die Heraus­gabe von SOF durch regelmäßige Waf­fenwerbungen. Dabei spricht der H&K-Slogan für sich: "In a world of compromise, some don't".

Sollte Soldier of Fortune erneut für nicht indizierungswürdig befunden wer­den, freuen sich nicht nur die Redaktion und die Leserschaft des Killerblatts. Auch deutsche Rechtsradikale haben dann allen Grund zur Freude. In der Zeitschrift Junge Freiheit - nach Eigen­bewertung "ein zutiefst konserva­tiv-re­volutionär geprägtes Forum" (JF 7. 10. 1994) - erschien am 28. Oktober 1994 ein fast ganzseitiger Jubelartikel über SOF. Motto: "Wie erfreulich ist es da, daß man auch einen Blick in das amerikanische Soldier of Fortune (SOF) werfen kann".

Die Junge Freiheit zelebriert das Söld­nermagazin und seine Kriegsbe­richte (z.B. den Beitrag über den Bür­gerkrieg im Sudan mit dem Titel: "We Kill Them Like Sheep"). Andererseits sind in SOF Berichte aus der deutschen Neonazi­szene zu finden. Im Beitrag "Fascist Freak Show" (SOF 10/1993, S. 58-61) berichtet das Söldnermagazin exklusiv über ein Treffen deutscher Rechtsextre­mer bei Mainz.

Trotz alledem muß auch beim aktuellen Antrag befürchtet werden, daß die Bun­desprüfstelle erneut auf die Indizierung dieses härtesten Söldnermagazins der Welt verzichten wird. Bei ihrer Sitzung am 3. November 1994 vertagte das Gre­mium die Entscheidung. "Das Ver­fahren ist ausgesetzt", so die offizielle Begrün­dung, "da das Englisch von Sol­dier of Fortune zu schwierig ist". Dabei hatten die Prüfer die drei SOF-Ausga­ben seit über einem Monat vorliegen.

Wichtig wäre, daß sich jetzt im Vorfeld der Entscheidung eine große Zahl von SOF-Kritikern an die Bundesprüfstelle wende, um die Indizierung zu fordern. Das Rüstungs-Informationsbüro Baden-Württemberg hat hierzu einen Muster­brief entwickelt, der zusammen mit weiterem Infomaterial direkt bei RIB angefordert werden kann (Bitte 5.- DM in Briefmarken beilegen).

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Jürgen Grässlin ist Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.).