Schurkenstaat und Staatsterrorismus - Buchbesprechung

von Martin Singe

Thomas Roithner vom Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung hat das Buch "Schurkenstaat und Staatsterrorismus. Die Konturen einer militärischen Globalisierung" 2004 im agenda-Verlag, Münster, herausgegeben. Es handelt sich um die Dokumentation der Sommerakademie 2003 des Studienzentrums. In fünf Teilen werden die aktuellen Probleme militärpolitischer und ökonomischer Art, wie sie sich vor allem nach dem 11.9.2001 stellen, beleuchtet.

Besonders hervorzuheben ist aus dem einleitenden analytischen Teil 1 "Die Schurkenstaaten in der künftigen neuen Weltunordnung" der Aufsatz von Thomas Roithner "Global Cop - Der transatlantische Streit um die Militärhegemonie". Hier werden sowohl die neuesten Entwicklungen der EU-Militarisierung als auch der US-Militärpolitik analysiert und bewertet sowie mögliche Trends ausgelotet. Zu befürchten sei, dass Europa und die USA künftig im Hinblick auf weltweite Rohstoffausbeutung (Wer ist zuerst am Kaukasus?) und Gewinnung von Absatzmärkten stärker zu konkurrierenden Kräften werden könnten. Diese Konkurrenz findet militärpolitischen Ausdruck in den forcierten Aufstellungen von NRF (NATO Response Force) und ERRF (European Rapid Response Force).

In Teil 2 - "Der Krieg der Postmoderne" - geht Franz Leidenmühler einleitend auf die "neuen" Kriege ein, die das Völkerrecht hinter sich gelassen haben, wie der Untertitel seines Aufsatzes verdeutlicht: "Vom Gewaltverbot zu Präemptivschlägen und Anti-Terror-Interventionen". Leidenmühler findet es besonders bedenklich, dass die UNO-Resolution zur Irak-Besatzung (1483) keine Verurteilung des Angriffskrieges enthält, und somit praktisch neuem Völkergewohnheitsrecht in Richtung präventiver Kriege die Bahn bricht.

Nach dem 3. Teil "Kampf der Kulturen", in dem vor allem die Rolle der Religionen im Kontext von Gewalt/Gewaltfreiheit untersucht wird, gehen im 4. Teil Jörg Huffschmid und Elmar Altvater näher auf die aktuellen ökonomischen Veränderungen ein. Huffschmids Eingangsthese verdeutlicht die hohe Verantwortung, die gegenwärtig der Friedensbewegung bzw. den sozialen Bewegungen insgesamt zukommt: "Die aggressive Form der Globalisierung entwickelt sich unter Druck zunehmend in Richtung militärischer Aggressivität nach außen und zunehmend autoritärer Sicherung nach innen. Andererseits können sozialer Widerstand und politischer Gegendruck dazu führen, dass Kriege verhindert und demokratische Strukturen gesichert und ausgebaut werden." (167) In einer demokratischen Wirtschaftspolitik sieht Huffschmid den "Kern der Alternativen zu neoliberaler Globalisierung". Umverteilung von oben nach unten und eine beschäftigungsfördernde Wirtschaftspolitik seien die Hebel, um eine demokratische Neuorientierung der Ökonomie in den kapitalistischen Zentren zu erreichen.

Im Schlusskapitel "Eine andere Welt ist möglich - Die neuen Strukturen des Widerstands gegen den globalen Krieg" gehen Wolfgang Greif und Lutz Schrader vor allem auf die Entwicklung der europäischen und globalen Sozialforen und den weltweiten Widerstand gegen den Irak-Krieg ein. Neben alternativer konzeptioneller Arbeit müsse es in der nationalen wie in der transnationalen Kampagnenarbeit darum gehen, "die Regierungen immer wieder mit sichtbarer öffentlicher Gegenmacht zu konfrontieren und zur Veränderung ihrer Politik zu zwingen" (Schrader, 221). In der Friedensbewegung müsse vor allem präziser ausgearbeitet werden, wie gewaltfreie Konfliktprävention zu verstehen und umzusetzen sei. "Dann könnte wachsen, wofür Massenproteste bestenfalls die Saat legen können: nachhaltiges zivilgesellschaftliches Wirken für friedliche Konfliktlösung" (222).

Insgesamt ein sehr empfehlenswertes Buch! (240 Seiten; ISBN: 3-89688-205-8; 24,-- Euro)

Ausgabe

Rubrik

Krisen und Kriege
Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".