"Alternativen zum Militarismus"

Seminar in Vucje/Montenegro

von Andreas Speck
Friedensbewegung international
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Vom 24.- 28. August fand in Vucje in der Nähe von Niksic in Montenegro ein Seminar zum Thema "Alternativen zum Militarismus" statt, an dem ca. 35 Personen, überwiegend aus Serbien und Montenegro, teilnahmen.

Ein erstes, ähnliches Seminar gab es vom 5.- 7. Mai in Studenica bei Kraljevo in Südserbien, allerdings ohne Beteiligung aus Montenegro. Lautete damals die Einschätzung noch, dass es "in Serbien (inzwischen) wieder möglich ist, Öffentlichkeitsarbeit für die Kriegsdienstverweigerung durchzuführen", so hat sich spätestens seit Juni diesen Jahres die Lage in Serbien wieder verschärft (amnesty international, 2000). Ein ähnliches Seminar wäre heute in Serbien selbst nicht mehr möglich gewesen, schon allein deswegen, da es für einige der TeilnehmerInnen der (Frauen in Schwarz) in Serbien zu gefährlich gewesen wäre, waren sie doch erst kurz vorher wegen drohender Repression nach Montenegro "exiliert".

Die Drohung eines Krieges in Montenegro war während des Seminars permanent spürbar. Bei unserer Ankunft in Vucje mussten wir feststellen, dass die Jugoslawische Armee sich genau diesen Ort für eine Übung ausgesucht hatte, und so fanden die ersten Tage des Seminares umgeben von Militär statt - eine Sache, die zwar (oberflächlich) mit Humor genommen wurde, trotzdem aber die Gefahren eines Krieges sehr präsent machte. Auch in den Fernsehnachrichten waren die Spannungen spürbar - Berichte über die stundenweise Blockade der Grenze zu Bosnien durch die Armee, das Verschwinden von Ivan Stambovic, ehemals Gegenspieler Milosevic`s und ehemaliger Präsident Serbiens am 25. August (Frankfurter Rundschau, 29.08.00), sowie Meldungen über eine drohende Anklage gegen Natasa Kandic, Präsidentin des Belgrader Humanitarian Law Center, wegen Verstoßes gegen das serbische "Informationsgesetz" trugen dazu bei, die Drohung von Repression und Krieg präsent zu halten.

Moderiert wurde das Seminar von "Sergio Bollain" und "Marco Aparicio", zwei Aktivisten und Trainer von MOC aus Spanien. Sie verbrachten viel Zeit damit, zwischen den TeilnehmerInnen aus Serbien und Montenegro eine vertrauensvolle Atmosphäre aufzubauen, und Gemeinsamkeiten hervorzuheben. Und Gemeinsamkeiten gab es viele - sowohl auf der Ebene der Werte, wo - kaum verwunderlich - Frieden, Sicherheit, Liebe, Freiheit von fast allen genannt wurden; als auch auf der Ebene der Utopien, die trotz interessanter Unterschiede im Detail doch alle stark gewaltfrei-anarchistische Züge trugen.
 

Im weiteren Verlauf des Seminars ging es zunächst einmal um die Erfahrungen von Bewegungen anderswo - um die Kriegsdienstverweigerungsbewegung in Spanien, um die Erfahrung der Frauen in Schwarz, um die Anti-AKW-Bewegung im Wendland. Für viele der TeilnehmerInnen aus Montenegro war dies das erste Mal, dass sie eine Innensicht dieser Bewegung zu hören bekamen, während die TeilnehmerInnen aus Serbien aufgrund längerer internationaler Zusammenarbeit hier teilweise nicht viel neues zu hören bekamen.

Aus meiner Sicht kam die konkrete Situation vor Ort zu kurz, doch sagten mir TeilnehmerInnen aus Serbien auch, dass sie permanent über diese Situation reden, und genau das ihnen daher entgegenkam. Erst am letzten Tag, an dem Nachmittags auch noch eine Aktion in Niksic stattfand, wurde dieses Thema vorsichtig angegangen. Dabei wurde bei den Fragen eines Positionsbarometers schnell deutlich, wie groß hier der Bedarf an Diskussion (und auch Aufarbeitung der vergangenen Kriege in Kroatien, Bosnien und im Kosovo) ist, wie nah unter der Haut aber auch die Angst vor einem neuen Krieg sitzt.

Angesichts dieses Diskussionsbedarfs blieb dann zu wenig Zeit, konkrete Aktivitäten zu entwickeln. Meiner Meinung nach war der Übergang hier zu abrupt. Es blieb wenig Zeit, ein gemeinsames Verständnis der Situation zu entwickeln, stattdessen wurde in Kleingruppen (TeilnehmerInnen aus Serbien in einer Gruppe, aus Montenegro in einer anderen Gruppe, sowie Internationale) über mögliche Aktivitäten nachgedacht. Die Ergebnisse blieben im großen und ganzen recht unkonkret - die Öffentlichkeit informieren, Kampagne gegen den Krieg, etc.. Auffällig war, dass die TeilnehmerInnen aus Serbien die Verbesserung der Vernetzung zwischen AktivistInnen aus Serbien und Montenegro betonten, während die TeilnehmerInnen aus Montenegro ihr Handlungsfeld meist auf Montenegro beschränkten.

Der Wert dieses Seminars lag daher nicht so sehr in den konkreten Ergebnissen (auch wenn die TeilnehmerInnen sicherlich zahlreiche Ideen mit nach Hause nehmen), sondern im Beginn der Vernetzung zwischen AktivistInnen aus Serbien und Montenegro auf der Graswurzelebene. Zwar gibt es zahlreiche Treffen auf höheren Ebenen im Rahmen des "Stabilitätspaktes" oder gefördert von den großen politischen Stiftungen, doch gehen diese Treffen an den Realitäten auf der Graswurzelebene entweder vorbei, oder aber es sickert nichts nach unten durch. Diese begonnene Vernetzung allein stellt für die OrganisatorInnen - Einzelpersonen aus dem Umfeld der Frauen in Schwarz sowie des serbischen Netzes der Kriegsdienstverweigerer, sowie des SOS Frauennotrufes in Niksic - bereits einen großen Erfolg dar.
 

Zum Abschluss des Seminars fand in Niksic, der zweitgrößten Stadt Montenegros, eine Mahnwache gegen Krieg und für Kriegsdienstverweigerung statt.

Während es Ideen und Pläne für weitere Seminare in Montenegro gibt - so z.B. ein Theaterseminar zum Theater der Unterdrückten, aber auch anderen Formen des Straßen- und Aktionstheaters; sowie ein Training in gewaltfreier Aktion - stellt sich gleichzeitig die Frage, was im Falle einer Eskalation des Konfliktes zu tun ist. Für die internationale Friedensbewegung gilt es, sich auf die konkrete Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren und verfolgten FriedensaktivistInnen einzustellen. Es kann ganz schnell notwendig werden, dass Menschen das Land verlassen müssen, um sich einer Mobilisierung oder Verfolgung zu entziehen. Hier ist dann die internationale Friedensbewegung gefragt.

Am Ende fiel es mir schwer, mich von den TeilnehmerInnen aus Serbien und Montenegro zu verabschieden. Der Gedanke daran, welchen Situationen sie sich wohl in nur wenigen Wochen ausgesetzt sehen werden macht es nicht leicht, einfach "Auf Wiedersehen" zu sagen. Doch ich hoffe auf ein Wiedersehen möglichst bald, in Serbien oder Montenegro, ohne Gedanken an einen Krieg, um entspannt ein Niksicker Bier genießen zu können.

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Andreas Speck war Pressesprecher von Action AWE während des Burghfield Disarmament Camp. Seit Mitte September lebt er in Sevilla und engagiert sich im Red Antimilitarista y Noviolenta de Andalucia (RANA). mail@andreasspeck.info, http://andreasspeck.info