Streubomben

Sieg einer internationalen Kampagne

von Eva Maria Fischer

Vor über zehn Jahren hat erstmals eine internationale Bürgerbewegung mit einer beispiellosen Kampagne erreicht, dass eine Waffengattung verboten wurde: Die Internationale Kampagne gegen Landminen erhielt nach dem Zustandekommen des Vertrags über ein Verbot von Anti-Personen-Minen den Friedensnobelpreis 1997. Dieses Beispiel hat Schule gemacht. Einige der damals führenden Organisationen, darunter Handicap International, Landmine UK oder Human Rights Watch, schlossen sich 2003 erneut zu einer internationalen Kampagne zusammen, der Cluster Munition Coalition. Es ging auch jetzt wieder um ein brennendes Thema, das dem Landminenproblem sehr ähnlich war: In vielen Ländern der Welt töten und verletzten Streubomben die Zivilbevölkerung, durch die zahlreichen Blindgänger oft noch lange nach einem Krieg. Das gilt für Südostasien, wo die Menschen seit über 40 Jahren mit dieser Seuche leben müssen, genauso wie für die jüngeren Kriegsschauplätze wie Süd-Ost-Europa, Afghanistan und Irak.

Neben der Öffentlichkeitsarbeit war die Kampagne bald schon als Beobachterin bei den UN-Waffenkontrollverhandlungen in Genf, der CCW (Convention on Certain Conventional Weapons) tätig. Ähnlich wie es beim Landminenthema gewesen war, gab es in Genf immer wieder Versuche, über Streubomben zu diskutieren – doch ohne Erfolg. Die großen Produzenten und Einsatzländer, allen voran die USA und Russland, blockierten alle Ansätze. Nachdem der Libanonkrieg 2006 dem Problem wieder schmerzliche Aktualität verliehen hatte, ergriff Norwegen die Initiative und lud willige Staaten zu einer Konferenz außerhalb der CCW ein. Der Oslo-Prozess war geboren.

 

Der Oslo-Prozess

Nach einer ersten Absichtserklärung durch 46 Staaten im Februar 2007 reifte während einer Folge weiterer Konferenzen der Vertragstext über ein Verbot der Produktion, Lagerung, des Handels und des Einsatzes von Streubomben. Von Anfang an war die Kampagne mit dabei – ein wachsender, straff organisierter und sehr professionell vertretener Zusammenschluss von Menschenrechts- und Hilfsorganisationen sowie vielen nationalen Vereinen, besonders aus betroffenen Ländern. Ganz entscheidend für die Glaubwürdigkeit der Kampagne war eine Gruppe von Menschen, die einen Streubombenunfall schwer verletzt überlebt oder Angehörige durch diese Waffe verloren hatten. Um sie zusammenzuführen und sie zu befähigen, ihr Anliegen vor den Medien und internationalen Diplomaten zu vertreten, gründete Handicap International die Ban Advocates.

Von Anfang an stand im Mittelpunkt des Oslo-Prozesses die Diskussion darüber, was nun verboten werden sollte. Alle Streubomben oder nur bestimmte Typen mit besonders hohen Blindgängerquoten? Die deutsche Regierung machte sich für ein Verbot in mehreren Schritten stark, ein Vorgehen, das den meisten Streubombentypen modernerer Bauart noch eine Frist von vielen Jahren vergönnt hätte. Ähnlich verhandelten Frankreich und England – drei besonders mächtige Länder, angesichts der Tatsache, dass die Verhinderer von Genf, die USA, Russland und China, nicht dabei waren. Kleinere Länder machten mutige Schritte vor: Zunächst erließ Belgien, dann Österreich die ersten nationalen Gesetze über ein vollständiges Verbot von Streubomben. Auch das Europaparlament verabschiedete entsprechende Resolutionen.

Und schließlich errangen diese Aufrechten gemeinsam mit der Kampagne einen großen Erfolg: Im Mai 2008 stand der Vertrag fest und wurde im Dezember 2008 in Oslo unterschrieben – von immerhin fast 100 Staaten, darunter Deutschland. Alle Fristen und Blindgängerquoten waren vom Tisch – außerdem enthielt der Vertrag starke und zukunftsweisende Regelungen zur Opferhilfe. Aufgrund der langjährigen Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Opfern von Minen und Streubomben hat sich Handicap International besonders dafür eingesetzt, dass nicht nur die Menschen als Opfer verstanden werden, die durch Streumunition getötet oder verletzt werden, sondern auch ihre Familien und ihr Umfeld, die ebenfalls massiv unter den Folgen leiden. 

 

Kompromisse

Dennoch gab es auch Kompromisse zu schlucken: Besonders einen Artikel des Vertrags, der es erlaubt, bei gemeinsamen militärischen Einsätzen mit Nicht-Vertragsstaaten zu kooperieren, die ihrerseits Streubomben einsetzen können. Hier zeigt sich die massive Lobbyarbeit der USA, die den Prozess aus dem Hintergrund begleitet hatte. Dennoch: Der Vertrag beinhaltet gleichzeitig, die Verpflichtung, auf nicht unterzeichnende Verbündete einzuwirken, ebenfalls auf Streuwaffen zu verzichten. Auch die Lobbyarbeit der Kampagne geht weiter, um dafür zu sorgen, dass irgendwann alle Staaten den Vertrag unterzeichnen – oder die Waffe durch die internationale Ächtung auch für die Nicht-Unterzeichner tabu ist. Ähnlich hat es bei den Landminen funktioniert, die heute kaum mehr zum Einsatz kommen.

Besonders auf Druck Deutschlands wurden aus der Definition des Oslo-Vertrags bestimmte Arten von Waffen ausgeklammert, die nur wenige Munitionen enthalten und durch moderne Technologie gezielt treffen sollen. Dazu gehört die deutsche SMArt 155, die anders als die jetzt verbotenen Streubomben, laut Bundesregierung kein humanitäres Problem darstelle. Als moderne Alternative zu Streubomben hat diese Munition der Firmen Diehl und Rheinmetall sicherlich eine große Zukunft. Die deutsche Kampagne, zusammengeschlossen im Aktionsbündnis Landmine, will diese Waffen wachsam beobachten – genauso wie das Parlament, das in den zuständigen Gremien ein besonderes Augenmerk auf die Überprüfung dieser Waffen gelenkt hat.

Damit der Vertrag von Oslo in Kraft treten kann, müssen 30 Staaten ratifiziert haben, also bei der UN erklären, dass sie die Regelungen in nationale Gesetze umgesetzt haben. Deutschland hat bereits ein entsprechendes Gesetz beschlossen und wird noch bis Juni 2009 die Ratifizierung erklären können. Dann geht es darum, die andere Hälfte der Staaten weltweit zu überzeugen, dem Vertrag beizutreten. Und dafür zu sorgen, dass die Verpflichtungen auch umgesetzt werden. Die Kampagne hat also noch viel zu tun! 

Im Mai 2009 hat einer der Sprecher der Opfergruppe Ban Advocates, der Serbe Branislav Kapetanović, den Tipperary International Peace Award für die Cluster Munition Coalition entgegengenommen. Dabei kündigte er an: „Erst jetzt beginnen die wirklich herausfordernden Aufgaben im Bezug auf Streubomben!“,

Mehr Informationen: www.streubomben.de, www.handicap-international.de

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Hintergrund
Dr. Eva Maria Fischer, ist Organisatorin und Sprecherin der politischen Kampagnen bei Handicap International in Deutschland. Handicap International ist einer Hilfsorganisation für Menschen mit Behinderung weltweit.