Slowenien: Ende der Kampagne für ein "Slowenien ohne Armee"?

von Christian LeMeut
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Slowenien wird seine Armee haben. Die Kampagne "Für ein Slowenien ohne Armee", die 1990-91 von der "Bewegung für eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit" organisiert wurde, hat dennoch ein bedeutsames Echo gefunden. Umfragen vom Beginn des letzten Jahres zufolge konnte sie sogar die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich zählen. Die gängige Meinung war, daß eine Armee für ein kleines Land wie Slowenien sehr teuer und wenig effektiv aufgrund ihrer beschränkten Mittel sein würde. Besser die Sicherheit durch internationale Abkommen und Soziale Verteidigung zu garantieren, die bereits ein Bestandteil der alten Verteidigungspolitik Jugoslawiens gewesen war. Der slowenische Präsident selber, der kommunistische Erneuerer Milan Kucan, befürwortete dieses Projekt. Doch unglücklicherweise ließen die Intervention der Bundesarmee und die zehn Kriegstage, die ihr Ende Juni folgten, dieses Projekt auf dem Abfallhaufen landen.

Die Debatten haben jedoch Kriegsdienstverweigerer wie Gregor Gresak, Aktivist der "Bewegung für eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit", ermutigt. "Zu Beginn des Krieges", sagt er, "wurden meine Ideen erneut sehr in Frage gestellt. Aber ich war nicht versucht, Waffen zu ergreifen. Einige Verweigerer haben gesagt, daß sie jetzt, in diesem Fall, keine Verweigerer mehr seien. Ich hatte den Eindruck, daß dieser Krieg politischen Interessen diente, wie Marko Hren (Direktor des Friedensforschungsinstituts Ljubljana, Anm.d.Red.) gegenüber der Presse damals erklärte. Das war ein Skandal. Aber ich bin teilweise mit ihm einverstanden. Die slowenischen Politiker wußten, was passieren würde, weil sie die Dinge zu sehr forcierten. Im ökonomischen und sozialen Bereich hatten sie strenggenommen nichts getan. Wenn sie außerdem bezüglich der Unabhängigkeit nichts getan hätten, wäre ihr politisches Überleben in Frage gestellt worden. Ich denke, daß die Unabhängigkeit einen späteren, besseren Augenblick hätte erwarten können. Doch wie es auch sei, obwohl ich gewaltfrei bin, wäre ich bereit, in Grenzen, zum Roten Kreuz oder ähnlichen Einrichtungen zu gehen."

Nach dem Krieg haben sich viele Sympathisanten von der gewaltfreien Bewegung abgewandt. Die Armee ist sehr populär geworden. Slowenien organisiert sie derzeit und führt einen sieben-monatigen Militärdienst ein. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist anerkannt und die entsprechenden Gesetzregelungen wurden Ende September publik gemacht. Gregor Gresak äußert große Vorbehalte gegenüber diesem neuen Zivildienst. Zwar ist er nicht länger als der Militärdienst, aber die Verweigerer müssen eine Kommission passieren, die ihre Motivation beurteilt. Eine Berufungsinstanz ist vorgesehen, in der auch ein Kriegsdienstverweigerer sitzen wird. Die Zivildienstleistenden werden, in autoritärer Weise, scheint es, in "nicht gewinnorientierten und gemeinnützigen" Organisationen eingesetzt. Es wird sich um Hospitäler, Sozialdienste etc. handeln. Aber es ist keine Rede von freien Vereinen. Gregor zufolge sind die Wehrpflichtigen nicht über ihr Recht auf Verweigerung informiert und außerdem müssen die Verweigerer während ihres Dienstes ein Erkennungszeichen tragen. Sie müssen an einem bestimmten Ort wohnen. "Diese Bedingungen sind nicht akzeptabel, ich habe den Eindruck, daß man die Verweigerer bestrafen will", meint er. Er schwankt noch zwischen Totalverweigerung und Ableistung dieses Dienstes. In Slowenien gibt es derzeit 150 Verweigerer, "die sich aber nicht oft zeigen", betont Gregor, "es ist keine Massenbewegung". Es scheint schwierig zu sein, eine Total-verweigerungsbewegung ins Leben zu rufen wie in Spanien, die ein großes Echo fände. Mindestens könnte der Widerstand einiger Einzelner die Zulassungsbedingungen zum Zivildienst verändern und sie für diejenigen akzeptabel machen, die ihn in Übereinstimmung mit ihren Überzeugungen ableisten wollen (Arbeit für den Frieden, die internationale Solidarität etc.). "Ich glaube, daß es Änderungen bezüglich der aktuellen Projekte geben wird", sagt Gregor, "aber ich bin nicht sicher, ob dies zum besseren sein wird."

Non-Violence Actualit‚, November 1991. Übersetzung: CS

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