Advocacy bei der UN

Sollte die deutsche Friedensbewegung mehr auf UN Ebene aktiv werden?

von Sabina Galic
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Die Aufrüstungsspirale ist in vollem Gange: Staaten modernisieren ihre Arsenale und rüsten immer mehr auf. Gleichzeitig wird unter dem Vorwand der Pandemie versucht, die Zivilgesellschaft von entscheidenden multilateralen Treffen wie der Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrags Anfang 2022 oder der UN-Generalversammlung auszuschließen. Die Friedensbewegung sollte gegen diese Entwicklungen, auch auf internationaler Ebene, noch entschlossener dagegen halten.

Die Mitwirkungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft auf die Vereinten Nationen haben sich in den letzten dreißig Jahren in bestimmten Bereichen durchaus vergrößern können. Insbesondere im UN-Menschenrechtsrat hat sich die Beteiligung von NGOs etabliert. Im Sicherheitsrat ist zwar keine formelle Beteiligung der Zivilgesellschaft möglich, jedoch bestehen im Rahmen der sogenannten “Arria-Formel” und der “NGO-Arbeitsgruppe für den Sicherheitsrat” trotzdem Möglichkeiten, einen informellen Zugang zu Mitgliedern des Sicherheitsrates zu erhalten. Häufig wird allerdings kritisiert, dass insbesondere durch die permanenten Mitglieder des Sicherheitsrates und ihr Vetorecht das Machtgefälle der Staaten verstärkt wird. In der internationalen Staatengemeinschaft weniger machtvoll geltende Staaten besitzen damit einen geringeren Einfluss und fühlen sich im internationalen Diskurs so oft zurückgelassen. Trotz - oder gerade wegen dieser bestehenden ungleichen Machtverhältnisse ist der Zivilgesellschaft beispielsweise mit dem Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) dennoch ein außerordentlicher Erfolg bei der nuklearen Abrüstung gelungen. Der AVV zeigt deutlich, dass eine gelungene Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und Delegierten der Staaten auch ohne die Zustimmung der Atommächte möglich ist. Obwohl der Vertrag seitens der NATO-Staaten höchstens als ein symbolischer Erfolg abgetan wird, halten die Widerstände gegen den AVV, auch in Deutschland, weiterhin massiv an.

Auch im Hinblick auf den Atomwaffensperrvertrag (NPT) haben sich die Diskurse verschärft. Während Staaten des globalen Südens von Atomwaffenstaaten zunehmend beschuldigt werden, gegen ihre vertraglichen Pflichten zu verstoßen und ihnen sogar mit Sanktionen gedroht wird, rüsten Mitgliedstaaten wie beispielsweise Großbritannien ihre nuklearen Arsenale weiter auf und verkaufen dies auch noch als vollkommen notwendige und rechtmäßige Aktionen. Damit weitere Fortschritte in der (nuklearen) Abrüstung möglich werden können, muss es wieder zu einem faktenbasierten Diskurs kommen. Dazu benötigt es aber auch weiterhin den Druck aus der Zivilgesellschaft und aus den Nicht-Atomwaffenstaaten. Auch die Friedensbewegung ist dabei gefragt: Neben Zivilem Ungehorsam und direkten Aktionen müssen wir uns auch auf internationaler Ebene einmischen und Widerstand leisten, um so den Druck zur Abrüstung zu erhöhen. Projekte wie die DFG-VK-Jugenddelegation zur NPT PrepCom von 2019 haben beispielsweise gezeigt, wie wir als Friedensbewegung unsere Stimme gezielt und erfolgreich auch auf UN-Ebene einbringen können. Durch etliche Gespräche mit Diplomat*innen und einer Rede vor dem Plenum der NPT PrepCom konnten junge Menschen auf diese Weise ihre Forderungen, Befürchtungen und Wünsche gezielt dort thematisieren, wo am Ende auch die wichtigen Entscheidungen getroffen werden.

Zudem darf nicht vergessen werden, dass das Zusammenkommen der unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Organisationen auf UN-Ebene eine effiziente Möglichkeit bietet, sich intensiv zu vernetzen und so international noch mehr für Aktionen zu mobilisieren. Natürlich braucht es noch viel mehr Engagement, Widerstand und Zeit, damit sich unsere Friedens- und abrüstungspolitischen Forderungen auch auf internationaler Ebene in weiteren Bereichen durchsetzen. Ja, wir stehen vor großen Herausforderungen. Und obwohl die Meinungen innerhalb der Friedensbewegung in Bezug auf die Vereinten Nationen durchaus unterschiedlich ausfallen, hat die Geschichte doch immer wieder gezeigt, dass ein Zusammenspiel aus direkten Aktionen und Protesten sowie einem internationalen Dialog zum entscheidenden Erfolg für Abrüstungsfragen beigetragen haben. Viele der multilateralen Abkommen zur Rüstungskontrolle gingen von kleineren Staaten und auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen aus, wie auch das Übereinkommen zur Streumunition, um nur ein weiteres Beispiel von vielen zu nennen. In einer Zeit, in der versucht wird, die Zivilgesellschaft von der internationalen Bühne teilweise immer weiter zurück zu drängen anstatt sie einzubinden, sollten wir uns als Friedensbewegung gerade jetzt nicht von der UN-Ebene zurückziehen, sondern noch viel mutiger voranschreiten!

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Sabina Galic ist Vorstandsmitglied ICAN Deutschland und Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen.