Sri Lanka: Zwischen Hoffen und Bangen

von Christine Schweitzer

Sri Lanka ist eines der wenigen Länder der Welt, in dem in den letzten Jahren eine positive Entwicklung zu beobachten war. Der 1983 begonnene Bürgerkrieg konnte - dank Vermittlung durch die norwegische Regierung - im Winter 2001/2002 durch einen Waffenstillstand (vorläufig) beendet werden.

Dreißig Jahre Bürgerkrieg
Es ist hier nicht der Platz, in Einzelheiten auf die Hintergründe und den Verlauf des fast dreißigjährigen Bürgerkrieges zwischen Singhalesen und Tamilen einzugehen. Aus tamilischer Sicht liegen die Ursachen in der Diskriminierung der Tamilen durch die singhalesische Mehrheit seit Sri Lankas Unabhängigkeit. Konfliktthemen waren Sprache, wirtschaftliche Entwicklung und Zugang zu Bildung, Arbeit und Regierung, bei denen Singhalesen bevorzugt wurden. Singhalesen halten dem entgegen, dass es sich hier nur um einen Ausgleich für die Bevorzugung der Tamilen durch die Britische Kolonialregierung handelte. Bedrohungsängste spielten und spielen eine wichtige Rolle - viele Singhalesen fühlen sich angesichts der 56 Millionen Tamilen in Indien bedroht und sehen sich durch eine mögliche Abspaltung eines Tamilenstaates essentiell gefährdet.

Die LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam unter der militärischen Führung von Velupillai Prabakaran) wurde 1976 gegründet und ist die größte tamilische Organisation, deren Anspruch, für alle Tamilen in Sri Lanka zu sprechen, jedoch von kleineren Gruppen und Organisationen immer wieder bestritten wurde. Sie kämpft für einen unabhängigen Staat Tamil Eelam, auch unter Einsatz von Selbstmordattentaten in Colombo und anderen singhalesischen Orten. Sie kontrolliert Teile des Nordens Sri Lankas.

Wie in Bürgerkriegen nicht selten zu beobachten ist, entstanden über die Zeit mindestens drei sekundäre Konfliktherde, die teilweise mehr Opfer kosteten als der ursprüngliche Bürgerkrieg: In den frühen 70er Jahren begann eine ursprünglich maoistische, später rechtsextremistische singhalesische Partei (JVP), die Regierung zu bekämpfen, die mit der Aufstellung von Todesschwadronen antwortete. Der zweite Aufstand dieser Gruppe 1987-1988 kostete 30-60.000 Menschen das Leben. Auch auf tamilischer Seite kam es mehrfach zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen konkurrierenden tamilischen Guerillaorganisationen, vor allem in den 80er Jahren, aus denen die LTTE siegreich hervorging. Eine dritte Konfliktlinie hat sich zwischen Tamilien und Muslimen im Osten und Norden aufgebaut.

Die Folgen des Krieges: 1,6 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene, darunter mehrere hunderttausend Tamilen, die die Insel verlassen haben. Ungefähr 65.000 Menschen haben ihr Leben verloren, eine unbekannte Zahl ist "verschwunden". Die Sündenliste der Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten ist lang. Ca 2% des Landes wurden vermint - ca 10 Menschen sterben aufgrund der Minen jeden Monat.

Frieden von oben: Die Friedensverhandlungen
Bereits 1985, 1990 und 1995 fanden Friedensverhandlungen statt, die jedoch jedes Mal scheiterten. 1987 versuchte Indien, einen neuen Waffenstillstand durch die Entsendung einer Peacekeeping-Armee zu unterstützen, die aber schnell in die Kämpfe gegen die LTTE verwickelt wurde und 1990 abziehen musste. Norwegen gelang es dann 2001 nach dreijährigen diplomatischen Bemühungen, eine Waffenstillstandsvereinbarung zu vermitteln. Der seit Dezember 2001 in Kraft befindliche Waffenstillstand wurde durch ein "Memorandum of Understanding" gestärkt, das am 23. Februar 2002 in Kraft trat.

Die erste Runde der Friedensverhandlungen fand dann vom 16. bis 18. September 2002 in Thailand statt. Man war sich einig, schrittweise vorzugehen, um die verschiedenen anstehenden Probleme zu lösen. Es wurden zwei Interim Mechanismen (eine Art von Arbeitsgruppen) eingerichtet, um gemeinsam an den Themen der Sicherheit, Rückkehr von Flüchtlingen, humanitäre Hilfe und Wiederaufbau zu arbeiten.

Norwegen hat zusammen mit anderen skandinavischen Ländern eine Monitoring Mission aufgebaut (SLMM), die über Brüche des Waffenstillstandsabkommens berichtet und auch versucht, in Spannungssituationen vermittelnd einzugreifen.

Doch nach sechs Runden kamen die Verhandlungen im April 2003 ins Stocken, als die LTTE ihre Teilnahme aussetzte und ankündigte, nicht an einer für Anfang Juni geplanten Geberkonferenz in Tokio teilzunehmen. Diese Entscheidung wurde damit begründet, dass die Regierung bestimmte Zusagen bezüglich des Wiederaufbaus der vom Krieg verwüsteten Gebiete, die sie während der Verhandlungen gemacht habe, nicht eingehalten habe. Als Vorbedingung zur Fortsetzung der Verhandlungen verlangt sie die Erlaubnis, eine Interimverwaltung in den von ihr kontrollierten Gebieten im Norden und Osten aufzubauen Seitdem sind hektische diplomatische Bemühungen zu verzeichnen, die LTTE wieder an den Verhandlungstisch zurückzubringen - sowohl von Seiten der norwegischen Vermittler wie von Nachbarstaaten (Japan, Indien) und den USA.

Ein zweites Problem des Friedensprozesses ist die Uneinigkeit innerhalb der Regierung Sri Lankas, sprich der Konflikt zwischen Premierminister und Präsidentin, die schon mehrfach gedroht hat, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen, und sich immer wieder Machtproben mit Premier Wickremesinghe einlässt.

Trotz dieser politischen Probleme und trotz einer Reihe von Zwischenfällen - von Waffenschmuggel und fortgesetzte gewaltsame Rekrutierung von Kindersoldaten durch die LTTE bis hin zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen singhalesischen und tamilischen Soldaten ist der Waffenstillstand bislang im Großen und Ganzen stabil. Aber die Befürchtungen wachsen, dass der Konflikt wieder eskalieren könnte, sofern der Stillstand in den Verhandlungen nicht bald durchbrochen wird.

Frieden von unten: Die Bemühungen der Zivilgesellschaft
Der Friedensprozess scheint von der großen Mehrheit der Bevölkerung Sri Lankas begrüßt zu werden, obschon es auch von Gegnern des Prozesses - mit Unterstützung von Staatspräsidentin Bandaraneike und Teilen der buddhistischen Geistlichkeit - Massendemonstrationen gegen die Friedensverhandlungen gegeben hat, bei denen der Regierung der "Ausverkauf" nationaler Interessen vorgeworfen wurde.

Sri Lanka hat eine vielfältige und dynamische Zivilgesellschaft. Eine Reihe von Gruppen befasst sich mit der Frage der Menschenrechte, Frauenrechten, mit Frieden und konstituionellem Wandel. Wenngleich die Mehrheit dieser Gruppen eine entweder eindeutig singhalesische oder tamilische Basis hat, gibt es auch Gruppen, die von Menschen aus beiden ethnischen Gruppen getragen werden und bewusst "grenzübergreifend" arbeiten.

Dazu gehören u.a. die Interreligious Peace Foundation, deren Mitglieder - wie schon der Name sagt - Buddhisten, Hinduisten, Christen und Muslime sind und die sich vor allem im Bereich der ländlichen Entwicklung engagieren, und Paffrel, ein Dach verschiedener Menschenrechtsorganisationen. Paffrel wurde gegründet, um in Sri Lanka demokratische Wahlen zu fördern und Wahlbeobachtung durchzuführen. Inzwischen hat die Organisation auch BeobachterInnen zu Wahlen in andere asiatische Länder entsandt. Mit dem Waffenstillstand hat Paffrel begonnen, seine Arbeit im Menschenrechtsbereich auszubauen, und plant u.a., in bestimmten Regionen des Landes Dorfkomitees zu gründen, die sich mit Menschenrechtsverletzungen vor Ort befassen sollen.

Der National Peace Council mischt sich aktiv von unten in den Friedensprozess ein und begleitet vor allem durch Medienberichte die aktuelle Politik.

Die buddhistische Organisation Sarvodaya, die auch einen Zweig in den USA hat, hat sich neben ihrer Arbeit im ländlichen Entwicklungsbereich immer wieder für den Friedensprozess eingesetzt, zuletzt mit der Durchführung einer Massen-Meditations-Veranstaltung, an der viele Hunderttausende aus dem ganzen Land teilgenommen haben. In früheren Jahren hatte sie auch eine Shanti Sena Organisation ("Friedensarmee") aufgebaut, die vor Ort auf dem Land Friedens- und Entwicklungsarbeit miteinander verknüpfte.

Die Peace Support Group gibt Statements heraus, in denen sie für eine beratende Rolle der Zivilgesellschaft im Friedensprozess wirbt. Die Mitglieder dieser Gruppe sind vor allem AkademikerInnen.

Die National Anti-War Alliance wird geleitet von dem ehemaligen Direktor der englisch-internationalen Organisation International Alert, Dr. Kumar Rupeshinghe. Sie ist dabei, ein Frühwarnsystem für den Osten Sri Lankas aufzubauen. Dabei arbeitet sie zusammen u.a. mit dem Consortium for Humanitarian Agencies.

Mit dem Beginn des Friedensprozesses ist auch die Zahl internationaler ziviler Konflikt-Interventen gestiegen. Hier sollen nur zwei genannt werden, die deutsche Friedensforschungseinrichtung Berghof Stiftung und Nonviolent Peaceforce. Die Berghof Stiftung für Konfliktstudien hat ein Resource Network for Conflict Studies and Transformation aufgebaut und führt Trainings in Konfliktmanagement durch, publiziert über die Theorie und Praxis von Konflitktransformation, organisiert Studien, Konsultationen und Diskussionen und unterstützt den Dialog und die Kooperation zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen. Über Nonviolent Peaceforce (NP) haben wir schon in früheren Ausgaben des Friedensforums berichtet. NP wird die Arbeit von Paffrel und in Zukunft vielleicht auch weiteren NROs in Sri Lanka durch gewaltfreie Präsenz und Monitoring unterstützen. Im September werden die ersten MitarbeiterInnen von NP ihre Arbeit in Sri Lanka aufnehmen.

Ein paar wichtige Internet-Ressourcen:
Centre for Policy Alternatives: www.cpalanka.org. Hier ist auch ein Link zu Berghof in Sri Lanka gelegt.

Human Rights Watch: http://hrw.org/reports/world/srilanka-pubs.php

Interpress Service: http://www.ipsnews.net/ (news agency)

LAcNet News: http://www.lacnet.org/slnews/index.html (online newspaper);

Lanka Academic Network: http://www.lacnet.org/main.html, http://www.theacademic.org/

National Peace Council of Sri Lanka : www.peace-srilanka.org, Mailing List order at peace2 [at] sri [dot] lanka [dot] net

People`s Action for Free and Fair Elections (PAFFREL): www.lankaworld.com/paffrel

Nonviolent Peaceforce: www.nonviolentpeaceforce.org

Peace Brigades International: http://www.peacebrigades.org/

Sarvodaya : www.sarvodaya.org

Sri Lankan government: http://www.priu.gov.lk/ http://www.peaceinsrilanka.org/

Tamil Eelam Homepage: http://www.eelam.com/

Tamilnet: http://www.tamilnet.com/

University Teachers for Human rights (Jaffna): http://www.uthr.org/

http://www.lankapage.com/

http://www.info.lk/slnews/

Symbol von Paffrel
 

Länderdaten
Sri Lanka (Demokratische Sozialistische Republik Sri Lanka)

Hauptstadt: Colombo

Einwohnerzahl: ca. 19,5 Millionen

Sprachen: Singhalesisch, Tamil, Englisch

Geschichte: Im 5. Jahrhundert n. Chr. Einwanderung von Singhalesen und Tamilen aus Indien, die die eingeborenen Vedda verdrängen. 1505 Ankunft einer portugiesischen Flotte. 1656 nehmen die Niederlande den Platz Portugals als fremde Obermacht ein. Verschiedene Königreiche (ein tamilisches, zwei singhalesische) bestehen bis zur Eroberung des Köngireichs von Kandy durch England, wodurch ganz Ceylon britische Kolonie wird (1815). In dieser Zeit werden ca. 1 Million Tamilen als Arbeiter ins Land geholt. Ceylon wird 1948 unabhängig; Republik ist es seit 1972.

Regierung: Die gegenwärtige Regierung ist seit Dezember 2001 im Amt. Premierminister ist Ranil Wickremesinghe von der United National Party. Die seit 1994 regierende Präsidentin des Landes Chandrika Bandaranaike gehört der Oppositionspartei Peoples` Alliance an. Sie gilt als Kritikerin des Friedensprozesses.

Bevölkerung:: Die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen sind die Singhalesen, die 74% der Bevölkerung stellen und in ihrer Mehrheit Buddhisten sind, und die zumeist hinduistischen Tamilen (ca. 18%), die im Norden und Osten des Landes die Bevölkerungsmehrheit bilden. Muslime, die wie im ehemaligen Jugoslawien als eigene Gruppe gelten, stellen ca. 7,6% der Bevölkerung. Christen (ca. 7%) werden nicht als ethnische Gruppe angesehen.

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.