Strafanzeige gegen Merkel und Jung

von Otmar Steinbicker
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Der Aachener Friedenspreis e.V. hat am 15, November 2006 Strafanzeige gemäß § 80 des Strafgesetzbuches gegen Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundesverteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung wegen der Vorbereitung von Angriffskriegen gestellt.

Der Aachener Friedenspreis e.V. sieht diese Straftat mit der Verabschiedung des neuen Weißbuches der Bundeswehr als gegeben an. Dieses Weißbuch beschreibt die neue Militärdoktrin der Bundesrepublik Deutschland, in der die Bundeswehr die Rolle einer weltweit einzusetzenden und präventiv tätigen Interventionsarmee übernimmt. Parallel zu dieser neuen Zielstellung erfolgt die materielle Umrüstung der Bundeswehr mit den entsprechenden Waffensystemen und Transportmitteln. Insofern ist sowohl in der Militärdoktrin wie in der Ausrüstung der Truppe die Vorbereitung von Angriffskriegen gegeben.

In seiner umfangreichen Begründung der Strafanzeige weist der Aachener Friedenspreis e.V. nach, dass die Bundesregierung in ihrem Weißbuch ein neues Verständnis der Begriffe "Sicherheit" und "Verteidigung" entwickelt hat, das mit den Vorgaben des Grundgesetzes, der UNO-Charta und des Völkerrechts nicht in Einklang zu bringen ist. So werden als Zielsetzungen und Interventionsgründe genannt: offenes Welthandelssystem, freie Transportwege, funktionierende Kommunikationssysteme, gesicherte Rohstoffzufuhr und nachhaltige Energieversorgung. Als Bedrohungsszenarien gelten z.B. Staatsversagen, Korruption und unkontrollierte Migration.

Damit wird die Bundeswehr zu einem Instrument zur Durchsetzung außenpolitischer, wirtschaftlicher und weltanschaulicher Ziele mit militärischen Mitteln. Das Weißbuch löst sich nahezu vollständig vom bisherigen Verteidigungsbegriff und spricht sich für Militäreinsätze aus, ohne dass zuvor ein Angriff auf das eigene Territorium oder das eines Bündnispartners stattgefunden hat oder unmittelbar droht. Eine derartige präventive Kriegsführung hebelt indes das gesamte, auf Friedenspflicht angelegte Völkerrecht aus.

Das Weißbuch rechtfertigt im Widerspruch zum Grundgesetz inhaltlich und geografisch nahezu unbegrenzte militärische Interventionen - unter dem Vorwand von Wirtschaftsinteressen und vermeintlicher oder vorgeblicher Sicherheitsrisiken. Diese Neuausrichtung der Bundeswehr dient somit der Vorbereitung von Angriffskriegen und stellt damit einen Straftatbestand dar.

Die Strafanzeige des Aachener Friedenspreis e.V. fand in Deutschland ein starkes Medienecho. Die Presseagenturen dpa, ddp, afp, epd und kna berichteten ausführlich. Ihre Meldungen erschienen in der Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau, Kölner Rundschau und Kölner Stadtanzeiger, taz, Neues Deutschland, Junge Welt und zahlreichen Regionalzeitungen. Deutschlandfunk und die beliebte WDR-Sendung "EinsLive" sendeten 5-Minuten-Interviews und auch die Internet-Medien tagesschau.de, Spiegel-Online, Zeit-online, sueddeutsche.de und welt.de meldeten in ausführlichen Berichten diese Strafanzeige.

Besondere Aufmerksamkeit widmete selbstverständlich die Aachener Presse. Für die "Aachener Nachrichten" war es der Aufmacher auf Seite 1, gefolgt vom Kommentar auf Seite 2 und einem ausführlichen Bericht auf Seite 3, ähnlich groß die Berichterstattung in der etwas konservativeren "Aachener Zeitung".

Bemerkenswert der Kommentar in den "Aachener Nachrichten". Darin heißt es: "... alles nur Effekthascherei? Aber ganz und gar nicht. Die Aachener Initiative macht mit ihrer klug begründeten Anzeige ein Thema öffentlich, das in vielen Köpfen immer noch nicht angekommen ist: Die gründliche Revision der Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg.

Der im Grundgesetz schlicht und klar definierte Verteidigungsfall wurde spätestens durch die von Schröder und Fischer geführte rot-grüne Regierung im Jahr 1999 umgedeutet und inzwischen fast ins Uferfose ausgeweitet. Die Bundesrepublik und andere europäische Länder sind längst dabei, sich die Vorstellungen einer US-amerikanischen Militärdoktrin und Weltordnung zu Eigen zu machen, die jeden militärischen Grenzübertritt mit der Verteidigung der Menschenrechte oder der Terrorabwehr legitimiert. So durfte die Nato Jugoslawien bombardieren, so darf die Bundeswehr `unsere Freiheit` am Hindukusch verteidigen. Und immer unverhohlener faseln die jeweils aktuellen Verteidigungsminister inzwischen davon, dass die Bundeswehr auch zur Sicherung der Rohstoffversorgung und der Handelswege eingesetzt werden müsse. Das mag nationalen Interessen dienen, stellt die Verfassung auf den Kopf und macht erst recht nicht die Welt friedlicher und sicherer. Die schleichende Militarisierung der Politik lässt die breite Öffentlichkeit bislang noch ziemlich kalt, Die Strafanzeige des Friedenspreises kann das ändern."

Auch international fand die Strafanzeige des Aachener Friedenspreis e.V. Beachtung. Die größte Nachrichtenagentur der Türkei brachte eine Meldung, die auch in der größten türkischen Zeitung "Hürriyet" erschien, und auch die iranische Nachrichtenagentur IRNA informierte ihre Abnehmer. In Frankreich griff der bekannte Journalist und Deutschlandkenner Alfred Grosser die Strafanzeige in einem Kommentar für die größte Zeitung des Landes "Ouest France" auf.

Die Resonanz blieb nicht bei Medienberichten stehen. Der Kooperationsrat der Kooperation für den Frieden, der Dachorganisation von 40 Friedensorganisationen in Deutschland, begrüßte die Aktion des Aachener Friedenspreis e.V., "der mit seiner Strafanzeige deutlich die Frage der juristischen Zulässigkeit der im `Weißbuch 2000 zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr` verfolgten Militärstrategie aufwirft. Auch uns beunruhigen die dort vertretenen Positionen."

Außerordentlich bemerkenswert: In einer Presseerklärung gingen die im Arbeitskreis DARMSTÄDTER SIGNAL (Ak DS) seit über 20 Jahren zusammenarbeitenden aktiven und ehemaligen Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr auf die Strafanzeige des Aachener Friedenspreis e.V. ein: "Der "Aachener Friedenspreis-Verein" wirft der Bundesregierung in einer Strafanzeige die Bereitschaft zur Vorbereitung völkerrechtswidriger Angriffskriege vor. Der Ak DS erwartet davon die notwendige rechtliche Klärung.

Auch wir teilen die Sorge, dass das `Weißbuch` die fortschreitende Militarisierung deutscher Außenpolitik zulässt und im Inneren erstmalig fordert. Als Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr lehnen wir jede Änderung des Grundgesetzes, die den Einsatz der Bw im Inneren ermöglicht, strikt ab."

Ein großes Echo gab es auch bei den Lesern der Website www.aachener-friedenspreis.de. Stellvertretend für viele sei die folgende Zuschrift zitiert: "Ich darf Sie zu Ihrem Mut und Ihrer Zivilcourage beglückwünschen, denn sicher sprechen Sie einem Großteil der Deutschen aus dem Herzen und sicher auch einem Großteil der aktiven und ehemaligen Soldaten.

Ich war selbst 1997 wiederholt als Reserveoffizier im ärztlichen Einsatz für SFOR im deutsch-französischen Lazarett und im NATO-Hauptquartier in Butmir am Flughafen in Sarajewo, 1999 auch um Einsatz für die OSZE-Mission im Kosovo. Ihre Einschätzung zur Kriegsvorbereitung kann ich nur aus meinem eigenen Empfinden bestätigen."

Der Wortlaut der Strafanzeige steht - auch in Flugblattform - unter http://www.aachener-friedenspreis.de zum Download bereut.

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Otmar Steinbicker ist Redakteur des FriedensForums und von aixpaix.de