Reformationsjahr 2017

Streit um den richtigen Weg zum gerechten Frieden fördern

von Jan Gildemeister
Initiativen
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Vor 500 Jahre hat Martin Luther in Wittenberg 95 Thesen an einer Kirchentür befestigt. Aus diesem Anlass begeht die Evangelische Kirche (EKD) das Reformationsjahr. Zu den Großveranstaltungen gehört neben dem Kirchentag in Berlin die sog. Weltausstellung vom 20. Mai bis 12. September in Lutherstadt Wittenberg. Die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) begleitet das Reformationsjahr u.a. durch die Veröffentlichung von Texten unter dem Titel „Reformation heute – Gewalt absagen und Frieden wagen“ (1) und einen Studientag zum Thema Reformation und Widerstand. Außerdem ist sie am Café #Friedenswege mit dem Untertitel „ … und richte unsere Füße auf den Weg des gerechten Friedens“ beteiligt.

Die Beteiligung der AGDF am Projekt Café Friedenswege wird in einer Verlautbarung der Initiative „Militärseelsorge abschaffen“ heftig kritisiert wird. Konkret ist der Vorwurf, dass die Bundeswehr das Café zur Werbung für  ihre Anliegen nutzt. Die Bundeswehr trete unter dem Deckmantel des Dialogs auf, zusammen mit einem unverdächtigen Türöffner, nämlich der Ev. Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) und der AGDF. „Beide Organisationen, die sich in Bonn dasselbe Büro teilen, standen früher für die kirchliche Friedensbewegung und insbesondere für die Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern. Aber seit ein paar Jahren gibt es eine eigenartige Nähe zwischen EAK-AGDF und der Bundeswehr.“ (2)

Aus Sicht der AGDF fehlt der Kritik die sachliche Basis: Allgemein ist die AGDF unverändert Teil der Friedensbewegung und steht mit für deren kirchlichen Teil. Ihr eine Nähe zur Bundeswehr zu unterstellen, grenzt an eine Verunglimpfung, zumal der Träger des kritisierten Projektes nicht die Bundeswehr ist (s.u.). Korrekt ist, dass die AGDF sich seit einigen Jahren verstärkt kritisch mit der Evangelischen Militärseelsorge auseinandersetzt, was auch an der Förderung des Projektes "Friedensbildung, Bundeswehr und Schule" von AGDF und EAK aus kirchlichen Mitteln lag, über deren Verwendung die Evangelische Militärseelsorge entscheidet. Ein kontroverser Punkt mit dem Geldgeber war, dass das Projekt ein kritisches Monitoring der Präsenz der Bundeswehr an Schulen übernahm und als Alternative und eigenständiges Arbeitsfeld die Friedensbildung an Schulen ausbauen half.

Das Projekt Café Friedenswege ist an einem der thematischen Tore der Weltausstellung angesiedelt. Am Tor der Gerechtigkeit, des Friedens und der Bewahrung der Schöpfung geht es um Flucht, Geflüchtete und Fluchtursachen. Die EKD bat die evangelische Friedensarbeit darum, an dem Ort eine Möglichkeit zum inhaltlichen Austausch für BesucherInnen der Weltausstellung zu schaffen – so entstand die Idee für ein „DialogCafé“. Die Evangelische Militärseelsorge (3) erklärte sich bereit, die Ausstattung des Cafés aus kirchlichen Mitteln zu finanzieren, wenn sie zugleich als Projektträger erkennbar ist. Nachdem die EKD dem Verein für Friedensarbeit im Raum der EKD (4) Mittel für die Umsetzung des Projektes zugesagt hatte, erklärten sich AGDF und EAK auf Wunsch des EKD-Friedensbeauftragten bereit, ebenfalls in die Trägerschaft zu gehen. Wichtige Voraussetzungen waren: Dach des Projektes ist die Konferenz für Friedensarbeit im Raum der EKD (KfF) (5), es gibt eine inhaltliche, friedensethische Basis, auf der sich die Träger wiederfinden können und es werden professionelle FriedensarbeiterInnen für die pädagogische Umsetzung angestellt. Auch wenn diesen Anforderungen Rechnung getragen wurde, war und ist die Kooperation mit der Militärseelsorge bei dem Projekt in der AGDF umstritten und hat vor allem im Vorstand zu intensiven Diskussionen geführt.

Die Militärseelsorge ist auf Beschluss des Rates der EKD Mitglied der KfF und damit der evangelischen Friedensarbeit. Diese Entscheidung ist nicht unumstritten wegen der Struktur der Militärseelsorge – die Geistlichen sind dem Auftrag ihrer Kirche verpflichtet und zugleich BundesbeamtInnen, die Militärseelsorge ist struktureller Teil der Bundeswehr und zugleich ist der Militärbischof ihr kirchlicher Leiter - und deren oft geäußertes Selbstverständnis, in dem sie den militärischen Auftrag rechtfertigen. Diese Struktur bewertet die AGDF als Ausdruck einer Verquickung von Kirche, Staat und Militär sehr kritisch, zumal die berechtigte Gefahr besteht, dass die Militärseelsorge und ihre Mitarbeitenden zur Legitimation der Bundeswehr und ihrer Einsätze beitragen.

Der AGDF-Vorstand befürwortet innerkirchlich, ausgehend von vielfach unvereinbaren inhaltlichen Positionen, eine kontroverse Auseinandersetzung mit der Militärseelsorge "um des Friedens willen". Zugleich ist es ihm wichtig, dass nach außen die Unterschiede erkennbar sind und nicht der Eindruck einer „zivil-militärischen Eintracht“ entsteht.

Inhaltliche Basis des Café-Projektes ist insbesondere die kritische Stellungnahme des EKD-Friedensbeauftragten und des Evangelischen Militärbischofs „Am gerechten Frieden orientieren. Evangelische Perspektiven auf die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik. Eckpunkte zum Weißbuch 2016“ vom Oktober 2015, in der die Relevanz von Ziviler Konfliktbearbeitung und weltweiter Gerechtigkeit betont wird (6). Das Café verfolgt das pädagogische Ziel, die BesucherInnen anzuregen, sich mit Fragen des (weltweiten) Friedens und der Gerechtigkeit auseinanderzusetzen. Entsprechend erfolgte die Auswahl der hauptamtlichen Mitarbeitenden.

Für das Café-Projekt sind der AGDF darüber hinaus folgende Punkte wichtig: Die unterschiedliche Identität der Mitarbeitenden im Café Friedenswege wird für BesucherInnen durch entsprechende Schilder sichtbar sein. Die prophetisch-pazifistische Position wird pointiert dar- und zur Diskussion gestellt und es gibt Anregungen zur Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Positionen zu Krieg und Frieden. So möchten wir im und durch das Friedenscafé den Streit um den richtigen Weg zum (gerechten) Frieden im Rahmen der Weltausstellung Reformation fördern. Ob dies letztlich gelingt, wird auch daran liegen, wie viele Friedensbewegte die gewaltfreie Position im Café vertreten und sich der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden und Fragenden stellen. Für die Präsenz von MilitärseelsorgerInnen und von SoldatInnen, die an sog. Rüstzeiten teilnehmen, sorgt bereits deren Struktur.

 

Anmerkungen
1 http://friedensdienst.de/reformation-heute-gewalt-absagen-und-frieden-wagen

2 http://www.militaerseelsorge-abschaffen.de/news/eak-agdf-unterstutzt-bun...

3 Intern: Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr

4 Träger sind AGDF, EAK und EKD

5 Strukturell die Konferenz für Friedensarbeit im Raum der EKD, an der EKD, Landeskirchen, AGDF, kirchliche Werke und Verbände wie Brot für die Welt und die Militärseelsorge Mitglied sind.

6 http://static.evangelisch.de/get/?daid=LsvCs3lK1ulpyx1wHSpCb1hN00123193&...

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Jan Gildemeister ist Geschäftsführer der AGDF.