Streitgespräch mit CDU- Bundestagsabgeordneten

von Gregor Witt

Zu einem ersten Gespräch zwischen VertreterInnen der Friedensbewegung und der CDU auf Bundesebene kam es am Vorabend des CDU - Bundesparteitages am 12. Juni '88 in Wiesbaden. Der Diskussion stellten sich die CDU - Bundestagsabgeordneten und Mitglieder der Antragskommission Karl Lamers und Hans-Peter Repnik.

Anlaß für das Streitgespräch war eine abschreckungskritische Aussage im sicherheitspolitischen Leitantrag des CDU-Bundesvorstandes, die eine realistische·Sicht der heutigen Situation andeutet. Sie lautet:

"Wir werden auf absehbare Zeit mit der nuklearen Grenzsituation leben müssen. Sie verpflichtet uns, mit aller Kraft nach einer durchsetzbaren politischen Friedensordnung zu suchen, die die Kriegsverhütung durch militärische Abschreckung nach und nach ersetzen könnte."

Diese Feststellung·wird jedoch durch andere Aussagen im Leitantrag wieder aufgehoben und konterkariert. So wird behauptet, daß "... eine Abschaffung aller Atomwaffen in Europa mit der Sicherheit des freien Europa unvereinbar (ist)."

Mit am unangenehmsten war für die Vertreter einer Partei mit dem anspruchsvollen "C" im Namen, von Bundesvorsitzenden der Katholischen Jungen Gemeinde Michael Kröselberg damit konfrontiert zu werden, daß der Leitantrag jede Reflektion der christlichen Friedensdiskussion vermissen läßt. Weder das Wort der Deutschen Bischofskonferenz "Gerechtigkeit schafft Frieden" noch der Pastoralbrief der Katholischen Bischofskonferenz der USA "Die Herausforderung des Friedens ...'' oder andere Dokumente aus der katholischen Friedensarbeit seien mit ihren Bedenken, Argumenten und Zielsetzung berücksichtigt worden. Kröselberg, der über eine wachsende Distanz zur CDU bei christlich engagierten Jugendlichen berichtete, sah in dieser Unfähigkeit zum Umdenken oder zumindest zu kritischem Nachdenken eine erneute Bestätigung dafür, daß die katholische Jugend die CDU nicht mehr als "ihre" Partei ansieht.

In seinem Einführungsstatement meinte Lamers, für ihn sei es wichtig, wenn am Ende des Gespräches herauskomme, daß man miteinander reden könne. Mensch kann; aber es fiel sichtlich schwer, die Argumente des anderen wirklich zu verstehen. Oft wurde aneinander vorbeigeredet, weil mit gleichen Worten völlig Verschiedenes gemeint wurde. Das kann geändert werden, wenn es zu weiteren Diskussionen kommt.

Nachdem die CDU bislang an vielen Orten Diskussionen mit der Friedensbewegung verweigert, könnte Wiesbaden ein Signal sein, auch auf örtlicher Ebene mit Mitgliedern, Sympathisanten und Wählern der CDU über aktuelle und prinzipielle Erfordernisse der Friedensvorbereitung zu streiten. Ein Ansatzpunkt ist der sicherheitspolitische Beschluß der CDU, der gegenüber dem Leitantrag in den oben zitierten Punkten unverändert geblieben ist.

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