Kampagne „MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien“

Syrienmandat der Bundeswehr verlängert – und bald grundlegend verändert?

von Philipp IngenleufElise Kopper
Aktion der Kampagne "MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien"
Aktion der Kampagne "MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien"

Am 12. Dezember 2017 stimmten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dem Antrag der geschäftsführenden Bundesregierung auf Verlängerung des Bundeswehrmandats für Syrien mit 436 Ja-Stimmen gegenüber 226 Nein-Stimmen bei 10 Enthaltungen zu. Das Bundeswehrmandat „Operation Counter DAESH“ (sog. „Anti-IS-Mandat“ oder „Syrienmandat“) wurde damit um weitere drei Monate bis einschließlich März 2018 verlängert. Doch schon bald steht die nächste Abstimmung an – dann unter möglicherweise völlig veränderten Vorzeichen.

Nach der Einsetzung des Mandats im Dezember 2015 und der erstmaligen Verlängerung um ein Jahr im November 2016 war die Abstimmung im Dezember 2017 die nunmehr dritte Entscheidung, bei der sich die Bundestagsabgeordneten mehrheitlich für den Einsatz der Bundeswehr in Syrien aussprachen. Vergleicht man die Ergebnisse der drei Abstimmungen, so gab es bei der Abstimmung 2017 deutlich mehr Stimmen gegen das Mandat bei weniger Stimmen für das Mandat als noch 2015 und 2016. Dies lässt jedoch leider nicht unbedingt auf ein bundeswehrkritischeres Abstimmungsverhalten der PolitikerInnen schließen, sondern hat vor allem strukturelle Gründe: Durch die Bundestagswahl im September 2017 gibt es nicht nur ca. 70 Abgeordnete mehr, sondern auch völlig veränderte Stimmenanteile der Fraktionen im Bundestag. Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD haben deutlich an Stimmen verloren, die Grünen und Linken leicht dazugewonnen, und mit der FDP und der AfD sind zwei gänzlich neue Fraktionen in den Bundestag eingezogen, von denen letztere Auslandseinsätzen der Bundeswehr tendenziell kritisch gegenübersteht – allerdings, das sei hier angemerkt, keineswegs aus pazifistischen Gründen.
Geschlossen gegen das Mandat gestimmt haben erwartungsgemäß die Fraktionen der Linken und der AfD; mit nur einer Ausnahme und sieben Enthaltungen auch die Fraktion der Grünen. Die SPD hat mehrheitlich für das Mandat gestimmt; in absoluten Zahlen gab es hier weniger Nein-Stimmen als noch 2015 und 2016. Im Vergleich zu anderen Abstimmungen über Bundeswehrmandate bleibt jedoch auffällig, dass relativ betrachtet weiterhin vergleichsweise viele SPD-Abgeordnete (15) gegen den Antrag der eigenen Bundesregierung stimmten. Die CDU/CSU-Fraktion stimmte geschlossen für das Mandat, ebenso die Fraktion der FDP. Von Seiten der beiden fraktionslosen Mitglieder des Bundestags gab es eine Nein-Stimme, und eine Stimme wurde nicht abgegeben.

Der Text des Mandats entsprach 2017 nahezu unverändert dem des letzten Jahres. Es gab keine aktualisierte Lageanalyse, trotz teilweise umfassend veränderter Situation in Syrien. Bei der nächsten Abstimmung über das Mandat im Frühjahr 2018 ist jedoch – unter einer dann möglicherweise neuen Bundesregierung – ein anderer, angepasster Mandatstext auf Grundlage einer neuen Lageanalyse zu erwarten. Diese Änderung wird bereits im Ergebnispapier der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD von Mitte Januar 2018 angedeutet: „(…) Die Obergrenze des Anti-IS-Mandats zur Unterstützung und Entlastung unserer Verbündeten, insbesondere Frankreichs, kann deutlich abgesenkt werden. In einem weiteren Schritt wollen wir dieses Mandat zur umfassenden Stabilisierung und zur nachhaltigen Bekämpfung des IS-Terrors insbesondere durch capacity building weiterentwickeln. (…)“ Tageschau.de erläutert dazu in einem Bericht vom 13.01.2018 (https://www.tagesschau.de/ausland/bundeswehr-einsatz-jordanien-101.html): „Gemeint ist etwa die Ausbildung und Ausrüstung der Sicherheitskräfte von Nationen in der Region. Entsprechende Projekte mit Jordanien gibt es bereits – etwa im Grenzschutz.“ Die bisherigen Schwerpunkte des Mandats, der Einsatz der Tornados zur Aufklärung und die Luftbetankung, könnten in diesem Zuge möglicherweise eingestellt werden. Das Mandat würde seine Natur damit grundsätzlich ändern, was neue Fragen hinsichtlich seiner völker- und verfassungsrechtlichen sowie seiner politischen Bewertung mit sich bringt – denn wessen militärische Fähigkeiten unter welchen Bedingungen und mit welcher Zielsetzung entwickelt werden sollen, dazu gibt das Sondierungspapier keine weiteren Informationen.

Wie auch immer das Mandat nun inhaltlich ausgestaltet sein wird: Rein formal betrachtet muss es noch vor Ablauf des jetzigen Mandats zu einer erneuten Abstimmung im Bundestag kommen, um den Anti-IS-Einsatz in seiner jetzigen oder eben einer neuen Form fortzusetzen. Ansonsten muss es mit sofortiger Wirkung zum 31.03. beendet werden. Dies werden sowohl die alte geschäftsführende Bundesregierung als auch die möglicherweise dann bestehende neue Große Koalition verhindern wollen. Derzeit (Stand Mitte Januar 2018) gehen wir von einem Abstimmungstermin spätestens in den beiden letzten Sitzungswochen im März aus (Zeitraum 12.-23.03.2018).

Die Kampagne „MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien“ wird diese Entwicklungen aufmerksam verfolgen und zur erneuten Mandatsabstimmung wieder mit öffentlichen Aktionen und Lobbyarbeit in Erscheinung treten. Aktuelle Infos und Terminhinweise unter www.macht-frieden.de.

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Initiativen
Geschäftsführer und Kampagnenkoordinator beim Netzwerk Friedenskooperative sowie Co-Sprecher der Kooperation für den Frieden.
Mitglied des Vorstands im Bund für Soziale Verteidigung e.V., Geschäftsführerin beim Frauennetzwerk für Frieden e.V. und Referentin für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit bei erlassjahr.de - Entwicklung braucht Entschuldung e.V.