Beitrag zum Rechtsfrieden:

Täter-Opfer-Ausgleich

von Elke Hassemer
Schwerpunkt
Schwerpunkt

Täter-Opfer-Ausgleich zielt auf die Behebung eines zwischen einem Schädiger und einem Geschädigten durch eine Straftat entstandenen Konflikts im Wege der Wiedergutmachung des materiellen und des im­materiellen Schadens. Wenn und soweit sich Geschädigter und Schädi­ger darauf einlassen, ist wesentlicher Bestandteil eines Täter-Opfer-Ausgleichs ein von einem geschulten Vermittler oder einer geschulten Vermittlerin begleitetes Gespräch. Die Beteiligten erzielen Überein­stimmung zu Art und Umfang des Ausgleichs. Wichtig ist, daß der Ge­schädigte von dem Druck der Tatfolgen, vielleicht auch von seiner Angst vor erneuten Angriffen, befreit wird und daß der Schädiger seine Verantwortung gegenüber dem Geschädigten übernimmt.

Im Rahmen des Strafrechts ist der Täter-Opfer-Ausgleich eine neue Form des Umgangs mit Kriminalität. Die Veran­lassung eines Täter-Opfer-Ausgleichs fällt in die Zuständigkeit der Staatsan­waltschaften und Gerichte. Angeregt werden kann er durch alle Berufsgrup­pen, die mit Tätern oder Opfern zu tun haben. Zumeist sind dies (Jugend-)Gerichtshelfer und Mitarbeiter der Ein­richtungen, die auf Täter-Opfer-Aus­gleich spezialisiert sind, aber auch Poli­zisten und Rechtsanwälte. Anwendung findet er insbesondere bei allen Formen von Körperverletzung, einschließlich gefährlicher Körperverletzung, bei Diebstahl, Einbruchsdiebstahl, aber auch Raub, Sachbeschädigung, Betrug etc. Die Möglichkeit für einen Täter-Opfer-Ausgleich ergibt sich eher aus der Fallkonstellation als aus der Gewich­tung einer Straftat - wobei schwerste Kriminalität ausgeschlossen ist. Wenn im Bereich dieser sog. Alltagskrimina­lität in großem Umfang von der Mög­lichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs Gebrauch gemacht würde, könnte dies zu einer Entlastung der Staatsanwalt­schaften und Strafgerichte führen. Nach Schätzungen wären etwa 30 % der an­klagefähigen Verfahren ausgleichsfähig.

Einführung und Fortentwicklung des Täter-Opfer-Ausgleichs verdanken sich vor allem einigen Projekten, die in den 80er Jahren modellhaft und wissen­schaftlich begleitet mit der Umsetzung der Idee von Konfliktschlichtung - ins­besondere im Bereich des Jugendstraf­rechts - begonnen haben. Eine erste Phase weiterer Verbreitung im Jugend­bereich entwickelte sich durch die Übernahme dieses Aufgabengebiets durch Jugendämter, nachdem der Täter-Opfer-Ausgleich im Ersten Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes ausdrücklich verankert worden war. Soweit nicht jugendamtsintern die Ju­gendgerichtshilfe die Durchführung ge­währleisten konnte, wurde der Täter-Opfer-Ausgleich vielerorts an freie Trä­ger delegiert.

Die Verbreitung im allgemeinen Straf­recht nimmt ihren Weg über die Zustän­digkeit der Gerichtshilfen oder, wie z.T. in den neuen Bundesländern, über spe­ziell für Täter-Opfer-Ausgleich einge­richtete Stellen bei den Sozialen Diensten der Justiz. Bundesweit gibt es etwa dreihundert Einrichtungen, die Täter-Opfer-durchführen. In einigen Bundesländern wird die Durchführung durch Verwaltungsvorschriften geregelt.

Außergerichtliche Konfliktbeilegung

Neue Möglichkeiten für den Ausgang von Strafverfahren bei Erwachsenen stecken im Verbrechensbekämpfungs­gesetz, das zum 1.12.1994 inkraftgetre­ten ist. Täter-Opfer-Ausgleichs hat da­mit im Strafgesetzbuch Niederschlag gefunden, insbesondere kann das Ge­richt aufgrund eines erfolgten bzw. ernsthaft angestrebten Täter-Opfer-Aus­gleichs nach dem neuen _ 46 a StGB die Strafe mildern und unter bestimmten Voraussetzungen ganz von Strafe abse­hen.

Obwohl der Täter-Opfer-Ausgleich eine strafrechtliche Reaktionsform ist, gehört er als außergerichtlicher Versuch der Konfliktbeilegung im Kern und in der Methodik in den Kontext von Vermitt­lungskonzepten in Streit- und Konflikt­fällen, wie sie sich seit einem guten Jahrzehnt unter dem Begriff "Mediation" vor allem im Bereich von Trennung und Scheidung entwickelt ha­ben und zunehmend auch in anderen Gebieten, wie im Arbeits-, Umwelt- oder Wirtschaftsrecht, Anwendung fin­den.

Bei der praktischen Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs sind vonseiten der Konfliktschlichtungsstellen zunächst die Bereitschaft von Täter und Geschä­digtem zur Teilnahme sowie die Vor­aussetzungen für Möglichkeit und Um­fang von Wiedergutmachung zu klären. Dies geschieht zumeist in getrennten Gesprächen mit den Betroffenen. Die Anregung zu einer persönlichen, von ei­nem Konfliktschlichter moderierten Auseinandersetzung, setzt die freiwil­lige Entscheidung zur Teilnahme sowohl des Schädigers als des Geschä­digten unabdingbar voraus. Methodisch betrachtet, durchläuft das Gespräch ver­schiedene Phasen, in denen unter Be­rücksichtigung z.T. starker Emotionen Unterschiede und Annäherungen her­ausgearbeitet werden.

Nutzen für Opfer

Leider werden praktischer Nutzen und Chancen, die das Institut des Täter-Op­fer-Ausgleichs bietet, noch nicht genü­gend zur Kenntnis genommen, obwohl beides nach inzwischen zehnjähriger Er­fahrung bei einigen Projekten als erwie­sen gelten darf. Hervorzuheben ist der Vorteil für Geschädigte, sich und ihre Belange zur Geltung bringen zu können, was als Zeuge bei einem Strafverfahren im Normalfall nicht möglich ist, sowie über bestehende Opferfonds, aus denen Darlehen gewährt werden können, den bestmöglichen materiellen Ausgleich zu erreichen. Darüber hinaus hat ein Aus­gleichsgespräch durch die Reduzierung von Konfliktstoff und Angst eine be­friedende Wirkung. Aber auch der Täter hat den Vorteil, durch sein Verhalten die Einstellung seines Strafverfahrens, zu­mindest jedoch die Berücksichtigung seiner Wiedergutmachungs­bemühungen bei der Strafzumessung bewirken zu können.

Die Wiederherstellung des Rechtsfrie­dens im Wege der Kommunikation ist, kurz gesagt, Sinn des Täter-Opfer-Aus­gleichs. Zur Förderung dieser Idee wurde 1992 auf Beschluß von Bundes­tag und Bundesregierung ein "Servicebüros für Täter-Opfer-Aus­gleich und Konfliktschlichtung" als Projekt der Deutschen Bewährungs-, Gerichts- und Straffälligenhilfe e.V. eingerichtet. Es handelt sich um eine In­formations- und Beratungsstelle mit u.a. der Aufgabe, zum Konfliktberater im Arbeitsfeld Täter-Opfer-Ausgleich zu qualifizieren. Etwa zweihundertund­fünfzig Teilnehmer haben diesen einjäh­rigen berufsbegleitenden Lehrgang in­zwischen absolviert.

Literaturangaben:

-     Bannenberg, Britta: Wiedergutma­chung in der Strafrechtspraxis; Schriftenreihe der DBH, 1993,

-     Besemer, Christoph: Mediation, Vermittlung in Konflikten

-     Bieri Susann, Ferel Alexa: Täter-Opfer-Ausgleich; P.Haupt Verlag ; 1994

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt
Elke Hassemer arbeitet beim DBH / Täter-Opfer-Ausgleich-Servicebüro, Mirbachstraße 2, 53173 Bonn