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5000 Polizisten schützen 500 parlamentarische Verfassungsbrecher
Tag X in Bonn
vonNichts ging mehr am 26.5.93 im Regierungsviertel. Die Einreise ins Parlament auf dem Landwege war nicht mehr möglich. Die Symbolik war bestens gelungen: die Abgeordneten mußten (von Schlepperbanden?) per Hubschrauber und Schiff in ihre Bannmeile einreisen - der Landweg war so verschlossen wie er künftig für alle Menschen, die in der Bundesrepublik Asyl suchen wollen, verschlossen ist.
Trotz ständiger Terminverschiebungen und einer Vorbereitungszeit, bei der der Spannungsbogen zur Aktion schon fast überzogen war, beteiligten sich überraschend viele Menschen an den verschiedenen Aktionen zum Tag X. Schon früh am Morgen war die B 9, die Bannmeilengrenze, so voller Demonstranten, daß kein Verkehr mehr fuhr. Ca. 15.000 Menschen beteiligten sich an der Bundestagsblockade, an der "Aktion ziviler Ungehorsam - Friedliche Belagerung des Bundestages", an dem Gottesdienst der Christen pro Asyl, an den angemeldeten Demonstrationen und Kundgebungen.
Trotz einiger Probleme und Schwierigkeiten zwischen den verschiedenen Aktionen kann der Verlauf des gesamten Tages wohl als gelungen angesehen werden. Zu den Problemen gehörten u.a. die Art mancher Blockaden, die so dicht waren, daß z.T. Demonstranten selbst nicht zu ihren Zielen durchgelassen wurden, kleine Verstimmungen zwischen den Gottesdienstbesuchern in der Bannmeile und der Aktion Ziviler Ungehorsam, da beide Gruppen an derselben Stelle in die Bannmeile wollten, ein Angriff auf die Bannmeile mit Flaschen- und Leuchtmunitionswürfen seitens einer Teilgruppe aus dem autonomen Spektrum gegen deren Gesamtabsprachen, was dann auch einen unschönen Ausfall einer Sondereinsatztruppe der Polizei zur Folge hatte. Diese ca. halbstündige Eskalation wurde jedoch dann durch die Hauptkundgebung um 14.00 Uhr aufgefangen, in der die politischen Inhalte der Aktionen von verschiedenen Rednerlnnen noch einmal vorgetragen wurden. Die beeindruckende Rede von Volker Hügel vom Flüchtlingsrat NRW ist in dieser Friedensforum-Ausgabe dokumentiert.
In den Medien ist die Aktion im Grunde gut rübergekommen: das Bild der Abgeordneteneinreise per Flugzeug und Schiff stand im Mittelpunkt der Berichterstattung über ein von tausenden Demonstranten belagertes Parlament. Allerdings wurde die mittägliche Eskalation leider stark überbewertet, von den politischen Inhalten aus den Kundgebungsteilen und der mit viel Mühe kunstvoll gestalteten Bühne wurde kaum irgendwo etwas aufgegriffen.
Durch die politischen Auseinandersetzungen im Vorfeld der Demonstration war es aber doch gelungen, die Medien-Stille um die Asylrechtsverstümmelung noch zu durchbrechen. War es nach dem Parteienkomprorniß im Dezember still geworden, trat nun noch einmal der Streit offen zu Tage. Durch die verschiedensten politischen Stellungnahmen, durch die scharfe Kritik des Expertenhearings und die massiven Einwürfe seitens des UNHCR-Vertreters Koisser zeigte sich nochmals die Peinlichkeit dieser Grundrechtsverstümmelung. Kein einziger Expertenvorschlag ist aufgegriffen worden -das individuelle Asylrecht gibt es nicht mehr. Nun hatte auch niemand erwartet, daß durch die angekündigten Aktionen und Demonstrationen das Asylrecht noch zu retten gewesen wäre, aber diese Entscheidung den Politikern so schwer wie möglich zu machen und der Öffentlichkeit zu zeigen, daß die Bürgerlnnen Verfassungsfeinden im Parlament nicht einfach das Feld überlassen, dies war nötig und ist an diesem für unsere Republik so traurigen Tag dennoch gelungen.
Wie hieß es im Aufruf der Aktion ziviler Ungehorsam? "Deshalb werden wir die neue Gesetzeslage nach einer Demontage des Asylrechts durch den Deutschen Bundestag nicht anerkennen. Unsere friedliche Belagerung des Bundestages soll der Beginn eines Dauerprotestes sein. Wir werden auch der künftigen Gesetzespraxis und insbesondere der Abschiebung von Flüchtlingen zivilen Widerstand entgegensetzen." -Zur Fortsetzung solidarischer Flüchtlingsarbeit finden sich im Thementeil dieser Friedensforum-Ausgabe vielfältige Anregungen. Machen wir weiter!