Lethal Autonomous Weapons

Tödliche Autonome Waffen – eine Definition

von Otmar Steinbicker
Schwerpunkt
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Lethal autonomous weapons (LAW) – Dieser englischsprachige Fachbegriff lässt sich mit „tödliche autonome Waffen“ ins Deutsche übertragen. Gemeint sind damit Waffensysteme, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz und ohne menschliche Einwirkung oder Entscheidung militärische Ziele erkennen, auswählen und angreifen können. Der umgangssprachlich verbreitete Begriff vom „Killerroboter“ trifft durchaus den Kern des Problems.
So zählt das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zu autonomen Waffensystemen „jedes Waffensystem mit Autonomie in seinen kritischen Funktionen. Das heißt, ein Waffensystem, das ohne menschlichen Eingriff Ziele auswählen (d.h. suchen oder entdecken, identifizieren, verfolgen, auswählen) und angreifen kann.“ (1)

Die Definition ist insofern besonders wichtig, als Fragen der Einhaltung des Kriegsvölkerrechts davon berührt sind, wie z.B. die Verpflichtung zur Unterscheidung zwischen Kombattant*innen und der Zivilbevölkerung sowie zur weitestmöglichen Verschonung der Zivilbevölkerung. Leider wurden 2018 in Genf Verhandlungen im Rahmen der UNO über eine Ächtung (also ein Verbot) entsprechender Roboter und Drohnen in Genf ergebnislos abgebrochen. Auch ein international verbindlicher Vertrag über Grenzen bei der Herstellung und dem Einsatz von autonomen Waffen kam nicht zustande. Die USA, Russland und andere Länder mit großer Rüstungsindustrie waren strikt dagegen.
Die Bundesregierung hat leider mit ihrer Definition der autonomen Waffen bewusst Unklarheiten zugelassen. Nach ihrer Definition gilt als „letales autonomes Waffensystem“ ein solches, „welches in erster Linie dazu bestimmt ist, tödliche Gewalt allein gegen Personen zur Wirkung zu bringen, und welches, ohne jegliche menschliche Einflussnahme und Kontrolle sein Umfeld und seinen inneren Zustand wahrnimmt, eine Beurteilung der Situation vornimmt, entscheidet, rational handelt, evaluiert und daraus lernt“. (2) Die Einschränkung auf „tödliche Gewalt allein gegen Personen“ lässt Einsätze gegen Objekte, wie z.B. Panzer, in denen sich Personen befinden, zu. Auch fällt unter die Definition der Bundesregierung ein autonomes Waffensystem nur dann, wenn es „lernen“ kann. Im deutschen Definitionsvorschlag bei den Genfer Verhandlungen 2018 hieß es sogar noch weiter einschränkend: „Die Fähigkeit, zu lernen und Selbsterfahrung [self-awareness] zu entwickeln, stellt eine unverzichtbare Eigenschaft dar, die benutzt werden muss, wenn man einzelne Funktionen oder Waffensysteme als autonom definiert.“ (3) Eine solche Fähigkeit dürften solche autonome Waffen wahrscheinlich erst in der Zukunft erwerben.

Bis dahin dürften in absehbarer Zeit aber bereits vielfältige Waffen entwickelt werden, die ohne menschliche Einflussnahme und Entscheidung Ziele auswählen und angreifen können. Der Weiterentwicklung dieser Waffen stehen mit dieser Definition also auf geraume Zeit Tür und Tor offen.

Neben der Problematik der Einhaltung des Kriegsvölkerrechts ist auf jeden Fall eine weitere Dimension von erheblicher Bedeutung: Die Frage, inwieweit die weitere Entwicklung autonomer Waffensysteme den internationalen Rüstungswettlauf anheizt und womöglich gar außer Kontrolle geraten lässt. Auch mag bei Regierungen die Bereitschaft zum Kriegseinsatz steigen, wenn durch den Einsatz dieser neuartigen Waffen die eigenen Soldatinnen und Soldaten weniger unmittelbar gefährdet erscheinen.

Aus Sicht der Armeen, die schon jetzt oder in Zukunft autonome Waffen einsetzen werden, bergen diese auf den ersten Blick enorme Vorteile, die schon heute Rüstungskonzerne als Verkaufsargumente nutzen. So schrieb das russische Staatsmedium „Sputniknews“ bereits am 30.08.2017 über die Moskauer Rüstungsmesse „Army-2017“: „In der Messehalle des Konzerns Kalaschnikow wurden auch russische Kampfroboter präsentiert. Beispielsweise ist der „Soratnik“, ein knapp sieben Tonnen schweres Gleiskettenpanzerfahrzeug, in der Lage, eine Geschwindigkeit von bis 40 km/h zu entwickeln, wobei seine Fahrweite 400 km beträgt. Im passiven Betrieb kann der Roboter 10 Tage lang autonom funktionieren, was natürlich beeindruckt. Eine inertiale Messeinheit erlaubt es ihm, gerade in der Laufrichtung zu schießen. Um für die Aufklärung zusätzliche Möglichkeiten zu schaffen, werden dem Roboter noch zwei Drohnen des Konzerns Kalaschnikow beigegeben. Das, was auf der Messe ‚Army-2017‘ gezeigt wurde, ist schon während der Kampfhandlungen in Syrien getestet worden.“ (4)

Autonome Waffen können die Entscheidungszeiten drastisch reduzieren, indem die Wege der Datenübertragung an eine militärische Befehlsstelle, die Auswertung und Entscheidungsfindung sowie die Befehlserteilung wegfallen. Diese Möglichkeit erzeugt zugleich Druck auf andere Armeen, sich ebenfalls mit autonomen Waffen auszurüsten. Damit ist ein dramatischer Rüstungswettlauf vorgezeichnet.

Allerdings droht in letzter Konsequenz eine weitere Gefahr: Wird auch die Entscheidung über den Einsatz von Atomwaffen autonomer Technik überlassen, was eine logische Konsequenz der Entwicklung sein könnte, so entscheiden am Ende Computer (mit allen offenen Möglichkeiten bei Fehlalarm-Situationen) über Sein oder Nicht-Sein der Menschheit.

Anmerkungen
1 International Committee of the Red Cross, Ethics and autonomous weapon systems: An ethical basis for human control?, 3. April 2018, S. 4
2 Zitiert nach Jürgen Altmann, Stellungnahme zur öffentlichen Sitzung des Unterausschusses Rüstungskontrolle, Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle des Deutschen Bundestages am 6. November 2019
Schriftliche Stellungnahme zum Thema „Lethal Autonomous Weapons Systems“, von PD Dr. Jürgen Altmann, Experimentelle Physik III, Technische Universität Dortmund, https://www.bundestag.de/resource/blob/687212/2a73a1d8af61f3bb2cc6f5b752...
3 ebenda
4 Kalaschnikow präsentiert Drohnen-Killer, geräuschloses Motorrad und Kampfroboter Sputniknews, 30.08.2017, https://de.sputniknews.com/panorama/20170830317228276-kalaschnikow-praes... (gesehen 2017,  Sputniknews firmiert heute unter snanews.de, dort ist die Seite nicht auffindbar.

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Otmar Steinbicker ist Redakteur des FriedensForums und von aixpaix.de