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Training in ziviler und gewaltfreier Konfliktbearbeitung
vonIn dem abgelegenen Tagungshaus überlegt eine Gruppe älterer Frauen, ob sie die Polizei alarmieren soll: Eine lautstark randalierende Gruppe junger Leute mit Knüppeln und Bierbüchsen in der Hand rennt über den Hof. Später beschweren sie sich nur beim Leiter des Tagungshauses, denn beim genaueren Hinsehen ist zu erkennen - die Knüppel sind aus Zeitungspapier.
Das Gespräch am Abend klärt auf: Es war ein Rollenspiel im Rahmen eines Grundkurses für zivile, gewaltfreie Konfliktbearbeitung. Es wurde eine Situation simuliert, bei der ein Jugendklub von einer Gruppe angetrunkener Skins überfallen wird. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Kurses behandelten an diesem Wochenende das Thema Zivilcourage und Umgang mit Gewalt und probierten aus, was abläuft, wenn sich die Gewaltspirale dreht, bzw. welche Verhaltensweisen deeskalierend wirken können.
Inzwischen sind solche Trainings hier zu Lande keine Seltenheit mehr. Oft sind sie organisiert von Einrichtungen der Jugendarbeit oder Kirchengemeinden. Trainer und Trainerinnen kommen häufig von Friedensbildungseinrichtungen, wie Kurve Wustrow im Wendland, dem Fränkischen Bildungswerk für Friedensarbeit, der Werkstatt für gewaltfreie Aktion in Baden, dem Ökumenischen Informationszentrum in Dresden oder dem Friedenskreis Halle. Diese können dabei auf eine lange Erfahrung in der Trainingsarbeit zurückblicken, die gesammelt wurde bei gewaltfreien Aktionen in Wackersdorf oder Gorleben, oder durch Friedensdienste im Ausland wie bei Peace Brigades International.
Das Anliegen solcher Trainings ist neben dem Verhaltenstraining immer auch die Bewusstmachung der Zusammenhänge von Gewalt. Sie sollen Mut machen, gewaltfrei aktiv zu werden für gesellschaftliche Veränderung hin zu mehr Gerechtigkeit.
Dabei sind Trainer und Trainerinnen nicht Referenten, die Wissen vermitteln, sondern "Ermutiger", die Erfahrungen der Teilnehmer aufnehmen und Methoden wie Rollenspiel oder Theater der Unterdrückten aus Südamerika nach Augusto Boal nutzen, um den Teilnehmern Gelegenheit zu geben, selbst neue Erfahrungen zu sammeln und so ihre Handlungsmöglichkeiten zu erweitern.
Erst in jüngerer Zeit gibt es die Möglichkeit, solche Fähigkeiten systematisch zu erlernen. Zum einen bieten die Friedensbildungseinrichtungen seit einigen Jahren mehrjährige Trainerausbildungen an, aber auch innerhalb der Kirche begann z.B. die Kirchenprovinz Sachsen 1996 mit einer Ausbildung zum Freiwilligen Friedensdienst.
Sehr schnell zeigte sich aber, dass Ausbildungen, die nur über 8 Wochenenden gehen, zwar Grundfähigkeiten im Umgang mit Konflikten vermitteln können, aber nicht geeignet sind, um für spezifische Einsätze, sei es im Ausland oder als Trainer/in im Inland vorzubereiten.
So haben sich die Angebote inzwischen differenziert, und es hat ein Prozess der gegenseitigen Abstimmung eingesetzt. Innerhalb der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF), einem Zusammenschluss von derzeit 36 Friedensorganisationen, wird zwischen Informations- und Einführungsveranstaltungen, Grundkursen, Aufbaukursen und Fach- und Spezialisierungsseminaren unterschieden (s. Abb.).
Informations- und Einführungsveranstaltungen dauern zwischen 1-3 Tage und behandeln ein Thema wie zum Beispiel "Umgang mit Gewalt für Sozialarbeiter" oder "Friedensdienste in Bosnien".
Grundkurse erstrecken sich über mindestens 14 Seminartage und führen in das gesamte Spektrum der zivilen, gewaltfreien Konfliktbearbeitung ein. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe an Angeboten; in jüngster Zeit bieten die Kirchen im Rahmen der ökumenischen Dekade zur Überwindung von Gewalt verstärkt Grundkurse an.
Die Erfahrung vergangener Grundkurse zeigt, dass viele Teilnehmer anschließend ihre gewonnenen Erfahrungen in ihre berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit einfließen lassen, sei es als Lehrerin, Gewerkschafter oder ehrenamtliche Jugendmitarbeiterin. Andere spezialisieren sich z.B. durch eine Mediationsausbildung oder besuchen einen Aufbaukurs, um sich auf einen Dienst im Ausland vorzubereiten oder als Trainerin für zivile gewaltfreie Konfliktbearbeitung zu arbeiten.
Während das Angebot an Fachkursen, insbesondere im Bereich der Mediation, inzwischen fast unüberschaubar geworden ist, bleibt das Angebot an Aufbaukursen, die in der Regel den Besuch eines Grundkurses voraussetzen, noch übersichtlich:
Ausbildung zum Trainer/in: eine vierjährige, internationale Ausbildung qualifiziert, als Trainer oder Berater auch im internationalen und interkulturellen Bereich zu arbeiten. Anbieter: Kurve, FBF.
Schalomdiakonat: Friedensarbeiterin bzw. Friedensfachkraft unter dem Blickwinkel einer auf christlichen Werten basierenden Gewaltfreiheit und ökumenischer Orientierung. Anbieter: Oed.
Friedensfachkraft: auf unterer oder mittlerer gesellschaftlicher Ebene im In- oder Ausland zur Prävention und Bearbeitung gewaltträchtiger Konflikte beitragen. Anbieter: AG Qualifizierung.
Multiplikator/in: Leute, die in ihrem beruflichen oder ehrenamtlichen Engagement befähigt werden, mit Methoden der zivilen gewaltfreien Konfliktbearbeitung zur Überwindung von Gewaltsituationen beizutragen. Anbieter: FK zusammen mit FBF.
Wichtig für alle Grund- und Aufbaukurse ist, dass über eine längere Zeit hinweg in einer Gruppe gearbeitet wird. So werden der Gruppenprozess und dabei auftretende Konflikte genutzt um Erfahrungen im konstruktiven Umgang mit Konflikten zu sammeln.
Neben Konfliktanalyse und -bearbeitungskompetenzen werden auch Kommunikationsfähigkeiten und interkulturelle Kompetenz trainiert.
Das Feld der Ausbildungen und Qualifizierungen im Bereich der zivilen gewaltfreien Konfliktbearbeitung hat sich in den letzten Jahren stürmisch entwickelt. Eine Professionalisierung findet statt - im positiven Sinne, denn einheitliche Standards und mehr Transparenz kommen den Teilnehmern der Kurse zu gute.
Auch staatliche Einrichtungen übernehmen Ansätze und Konzepte, und in das eine oder andere Ausbildungsprojekt der Friedensarbeit fließen staatliche Gelder, z. B. im Bereich der Entwicklungshilfe oder im Rahmen der Programme gegen Rechtsextremismus. Diese Entwicklung ist erfreulich, da sie das in der Friedensarbeit und gewaltfreien Bewegung entwickelte know how anerkennt und aufnimmt. Es gilt aber auch wachsam zu sein, damit die spezifischen Ansätze nicht verwässert werden, denn der gewaltfreie Ansatz ist immer auch ein politischer, der einem Eintreten für mehr Gerechtigkeit entspringt und diese zum Ziel hat.