Trainingsarbeit für gewaltfreie Konflikttransformation im Sudan

von Anne Dietrich

2005 war ein gutes Jahr für Sudan, weil ein mehrjähriger Verhandlungsprozess zwischen der Regierung in Khartoum und der Führung der Sudanese People’s Liberation Army des Südsudan in ein Friedensabkommen gemündet war. Nach ihren Perspektiven für den Friedensprozess gefragt, zeigten sich aber Viele skeptisch: Sie fragten sich, ob die Zentralregierung wirklich die Vereinbarungen des Friedensabkommens einhalten würde, ob die politische Führung des Südens in der Lage wäre, auf für alle akzeptable Weise dort zu regieren und die von der Bevölkerung im Süden so dringend ersehnten Friedensdividenden zu ‘liefern’, aber auch, ob die verschiedenen Militia-Gruppen und einander misstrauisch bis feindlich gegenüber stehenden Ethnien im Südsudan bereit und in der Lage wären, ihre Differenzen friedlich auszutragen.

“Wir sind alle traumatisiert von Gewalt” hörte ich oft in und am Rande von Workshops und Trainings zu Konfliktbearbeitung und Friedensarbeit. Und: “Wir haben, in mehr als 20 Jahren Krieg zwischen Süd und Nord, und zwischen Militia in unterschiedlichen Allianzen, eine Kultur der Gewalt angenommen, - etwas anderes haben wir nicht gelernt”. Gleichzeitig sehnen sich die Menschen im Sudan danach, in Frieden zu leben. Angebote zu Friedensbildung und Konfliktbearbeitung wurden deshalb grundsätzlich gern und mit wohlwollender Neugier angenommen.

Schon während des Süd-Nord-Krieges hatte in den Vertriebenenlagern um die Hauptstadt Khartoum die Arbeit von SONAD (jetzt ONAD) begonnen, der Sudanesischen Organisation für Gewaltfreiheit und Entwicklung, die sich für die Menschenrechte der Vertriebenen, ihre Religionsfreiheit und menschenwürdige Lebensbedingungen einsetzte und von der schwedischen Kirche unterstützt wurde. Daraus ergaben sich später Trainings mit dem schwedischen Versöhnungsbund zu Gewaltfreiheit und die Beteiligung von Mitgliedern an internationalen Trainings- und Austauschprogrammen. 

An dem von den deutschen Quäkern Miriam Krämer und Jürgen Menzel mit SONAD eingeführten Alternativen zur Gewalt Projekt (PAG) beteiligten sich weitere einheimische NGOs wie “Peace Bridge Association”, die “AL MANAR” Freiwilligen-Organisation, und das Cultural Action Centre.

Im Südsudan waren in den Folgejahren außerdem Trainings zu konstruktiver Konfliktbearbeitung und zu gewaltfreier Kommunikation ebenso häufig von internationalen Organisationen gefragt, die z. B. mit Jugendlichen arbeiteten, wie WARchild Holland, und das Jugendprogramm des International Rescue Committee.

Bei den Trainings zur gewaltfreien Konfliktbearbeitung waren Teilnehmende aus allen Bevölkerungsschichten und Ethnien zu finden. Besonders spannend war die Arbeit mit Teilnehmenden aus miteinander im Konflikt stehenden ethnischen Gruppen: Hier war Fingerspitzengefühl und enge Zusammenarbeit mit den jeweiligen Führungspersönlichkeiten gefragt.

Ein Hoch hatten Trainingsangebote zur Konfliktbearbeitung vor den kritischen Phasen des Friedensprozesses: Volkszählung, Wahlen und Referendum. Dann nämlich besannen sich die internationalen Organisationen der Notwendigkeit, lokale Gemeinschaften mit möglichst viel Wissen über diese politischen Entwicklungen, gleichzeitig aber auch mit Fähigkeiten auszustatten, die zweifellos aufkommenden Konflikte in diesen Zeiten gewaltfrei austragen zu können. Leider gab es diese Erkenntnis, nebst der Projektplanung und den Geldern dafür, meistens recht kurzfristig und nur für den Zeitraum bis zum entsprechenden politischen Ereignis, was viel Flexibilität und Risikobereitschaft von der durchführenden Organisation erforderte.

Trainings in den vielfach benachteiligten ländlichen Gebieten waren leider selten, mangels Erreichbarkeit aus Sicherheitsgründen (Militia, Minen) oder wegen schlechter/ nicht vorhandener Straßen.

Da nur 27 % der südsudanesischen Bevölkerung lesen und schreiben können, ist Methodenvielfalt gefragt. Die Menschen im Sudan – ich glaube alle! – lieben Theater, so dass Rollenspiel, Forumtheater und praktische Übungen immer mit Freude angenommen und ausgewertet wurden. Das Austauschen von Erfahrungen und aktives Zuhören waren andere ‘magic moments’, die auf Begeisterung stießen.

Sudanesische Menschen sind als freundlich gegenüber Fremden bekannt. Nicht verwunderlich also, dass die Teilnehmenden sich voll des Lobes und Dankes äußern. Aber wie nützlich – oder unnütz – waren Trainings für den Alltag der Teilnehmenden? Bei SONAD, aber auch bei anderen, wurden Übungsgruppen und weitere Trainings in anderen Gegenden durchgeführt, einheimische TrainerInnen fortgebildet, und neue Trainingsmodule entwickelt. Im Kontakt zu Teilnehmenden der Übungsgruppe Gewaltfreie Kommunikation erfahre ich von Einzelnen, dass sie in ihrem Berufsalltag die entwickelten Fähigkeiten mit merklichem Erfolg anwenden. Im Projekt Alternativen zur Gewalt, das weiter von der Quäker Hilfe Deutschland gefördert wird, gibt es ein Forum einheimischer ‘Facilitators’, die ihre Trainingsprogramme in unterschiedlichen Organisationen und Institutionen entwickeln.

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