Trotz Abrüstungsvertrag: Kriminalisierung der Friedensbewegung geht weiter!

von Martin Singe

Obwohl nach dem Abschluß des INF-Vertrages aus allen möglichen gesellschaftlichen Gruppierungen Forderungen nach Amnestie und Beendigung der Prozesse gegen Friedensbewegte gefordert wurde, macht die bundesdeutsche Justiz beharrlich weiter und setzt im Hunsrück noch eins drauf: hier werden jetzt sogar die Aufruf-Unterzeichnerinnen gerichtlich verfolgt.

Im Einzelnen zum Stand der Dinge:

Bei den Mutlangen-Prozessen hat sich wesentliches geändert, bzw. ist eine Pause eingetreten: Im Dezember hat das OLG Stuttgart einen Vorlagebeschluß an den Bundesgerichtshof gerichtet, der prüfen und entscheiden soll, ob die Fernziele der Blockaden nur bei dem Strafmaß oder generell bei der Verwerflichkeitsprüfung berücksichtigt werden müssen. Das BVerfG hatte dies am 11.11.86 offengelassen; die freisprechenden Urteile kamen in der Regel wegen der nicht feststellbaren Verwerflichkeit zustande. Fast alle Richter in Schwäbisch Gmünd und Ellwangen haben die Prozesse ausgesetzt, um diese Grundsatzentscheidung abzuwarten. Ca. 1000 Prozesse stehen noch an.

Heilbronn-Blockaden bleiben weiterhin straffrei.

Im Hunsrück gehen die Prozesse unverändert weiter. Sowohl von der November-86- und Mai-87-Blockade laufen die Prozesse wie am Fließband. Die letzte Instanz das OLG Koblenz unterstützt die Verurteilungspraxis (im Schnitt 30 Tagessätze). Gegen die Aufruferinnen der Mai-Blockade (über 100 Menschen) liegen inzwischen Strafbefehle in Höhe zwischen 20 und 40 Tagessätzen vor; hierzu hatte die Staatsanwaltschaft Bonn die Initiative ergriffen: damit werden erstmals außerhalb von Bayern Prozesse gegen Blockade-AufruferInnen durchgeführt, und das nach Vertragsabschluß der Großmächte! Der erste Prozeß wird bei dieser Rundbriefauslieferung schon gelaufen sein, er ist am 10.3. in Bonn. Im Oktober 87 fand erneut eine Blockade im Hunsrück statt, allerdings ohne Festnahmen - trotzdem beginnt die Staatsanwaltschaft auch hier mit Ermittlungsverfahren gegen die AufruferInnen,

Gegen das Koblenzer OLG-Urteil läuft auch hier erneut eine Verfassungsklage gemäß der entschieden werden muß, ob für das OLG eine Vorlagepflicht beim BGH bestanden hätte, da das OLG-Urteil von drei anderen OLGs, die alle freisprechen, abweicht.

Wir brauchen weiterhin die Solidarität aller Friedensbewegten mit den Verurteilten! Besucht die Prozesse! Spendet für die Rechtshilfefonds!

Nähere Informationen gibt es vor Ort:

  • Mutlangen: Pressehütte Mutlangen, Forststr.3, 7075 Mutlangen 07171 75661 u. 74263

Rechtshilfe: Anschrift Pressehütte, Postgiro Stuttgart, Kto. 226 286- 709

  • Hunsrück: Friedensbüro, Bopparder Str. 25, 5448 Kastellaun 067626075

Rechtshilfe: Initiative Kirche von unten, Heerstr. 205, 5300 Bonn 1, Stichwort "Rechtshilfe Hunsrück", Postgiro Köln, 8193-509

 

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".