Friedensbildung ist Ländersache

Überblick zur Lage der „Schule der Nation“

von Kai-Uwe Dosch

Am Anfang der neueren Bewegung zu Friedensbildung, Bundeswehr und Schulen standen die Kooperationsvereinbarungen zwischen den Bundeswehr-Behörden und den Schul-Ministerien der Länder, denn Schulen sind eine Sache der Länder. Solche Kooperationsvereinbarungen wurden geschlossen zwischen Oktober 2008 und Dezember 2010 in Nordrhein-Westfalen, Saarland, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Sachsen. Hintergrund der Vereinbarungen waren die Aussetzung der Wehrpflicht, die Verstärkung der Auslandseinsätze und die damit verbundene Werbung von Freiwilligen. Dadurch erhielt die Bundeswehr nicht nur einen besseren Zugang zum Schulunterricht selbst, sondern auch zur LehrerInnenaus- und -weiterbildung.

Die Bewegung gegen diese Kooperation verfolgte seit ihrem Beginn zwei Ziele: Bundeswehr raus aus der Bildung und Friedenspolitik rein in die Bildung. Für die einen widersprechen sie sich nicht, für die anderen schon: Einige Gruppen suchen Zugang zu Schulen und fürchten, dass ein Ausschluss der Bundeswehr auch einen Ausschluss der Friedensbewegung aus den Schulen zur Folge haben würde. Andere Gruppen lehnen eigene Auftritte im Unterricht ab, solange die Vereinbarungen mit der Bundeswehr nicht gekündigt sind, um deren Auftreten nicht zu rechtfertigen.

Darum sind auf Ebene der Bundesländer nicht immer einfache und nicht immer einheitliche Bündnisse oder Netzwerke antimilitaristischer und pazifistischer Gruppen entstanden. Die wichtigsten Friedensbildungs-Netzwerke sind die in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen sowie in Mitteldeutschland (neu gegründet im Januar 2015 und Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen umfassend) und Norddeutschland (Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern einschließend).

Erste Erfolge
Erste Ergebnisse der Arbeit dieser Netzwerke bestanden darin, dass manche Länder anders als von der Bundeswehr geplant entweder gar nicht (z.B. Bremen) oder nur verzögert und abgeschwächt (z.B. Mecklenburg-Vorpommern) Kooperationen geschlossen haben. Eine kleine zweite Welle des Erfolgs rrgab, dass manche Länderministerien den Anstoß zur Änderung dieser Kooperationsvereinbarungen gegeben haben. Das war der Fall im Saarland 2011, Nordrhein-Westfalen 2012 und zuletzt Baden-Württemberg 2014. Ausgelöst haben diese Änderungen der Kooperation jeweils Wechsel der Regierungskoalitionen. Die Tendenz ging dahin, friedenspolitische Positionen im Unterricht formal zu stärken sowie den Zugang zur LehrerInnenaus- und -weiterbildung wieder auszunehmen.

Parallel sollte auch auf verschiedenen Wegen in verschiedenen Ländern die friedenspolitische Bildung strukturell gestärkt werden. Ein erster, umstrittener und darum niemals wiederholter Versuch war schon 2011 in Rheinland-Pfalz eine eigene Kooperationsvereinbarung zwischen dem Bildungsministerium und dem Netzwerk Friedensbildung. In Nordrhein-Westfalen hat das Schulministerium auf Forderung des Netzwerks, doch ohne Vereinbarung mit diesem, einen Erlass zur Beteiligung von VertreterInnen der Friedensbewegung im Unterricht herausgegeben, der u.a. eine geringfügige Kostenerstattung regelt. Hier haben – wie in anderen Bundesländern – die Mitglieder des Netzwerks eine Liste von ReferentInnen für Friedensbildung erstellt.

Diese Ansätze haben sich in letzter Zeit deutlich verdichtet. In Mecklenburg-Vorpommern und neu in Sachsen-Anhalt ist eine Handreichung zum Umgang der Schulen mit VertreterInnen der Bundeswehr und der Friedensbewegung veröffentlicht worden. Stephan Dorgerloh (SPD), der Kultusminister Sachsen-Anhalts, hat eine heftige Debatte ausgelöst, weil er fordert, dass, wann immer die Bundeswehr in Schulen eingeladen wird, auch die Friedensbewegung eingeladen werden muss. In Thüringen ist nun eine ähnliche Formulierung in den neuen Koalitionsvertrag der Regierung von Bodo Ramelow (Linke) geschrieben worden.

Doch die derzeit spannendste Entwicklung vollzieht sich in Baden-Württemberg. Das Kultusministerium hat am 30. Oktober 2014 gemeinsam mit VertreterInnen von Kirchen, Gewerkschaften, Friedensbewegung und Jugendarbeit eine Erklärung zur Stärkung der Friedensbildung in Schulen unterzeichnet. Selbst die DFG-VK hat sich dem nach einigem Zögern angeschlossen. Gemeinsam mit den UnterzeichnerInnen wurde in Workshops erarbeitet, wie die Aufgabe konkret umgesetzt werden soll. Als erster Schritt wurde im April 2015 eine Servicestelle in gemeinsamer Trägerschaft der Landeszentrale für politische Bildung und der Berghof Foundation eingerichtet, um u.a. bestehende Angebote zu vernetzen und sichtbarer zu machen, um MultiplikatorInnen zu qualifizieren und neue Medien zu publizieren.

Diese landesbezogenen Entwicklungen sollen am 15.-17. Oktober 2015 in Koblenz auf einer Tagung der Friedensakademie Rheinland-Pfalz und des Projekts Friedensbildung und Schule überblickt und in einem bundesweiten Bündnis vernetzt werden.

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