ULUS - Offenes Kriegsatelier

von Mikael Witte
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Ulus ist eine Antikriegsausstellung. Eine Ausstellung, die sich gegen die NATO richtet, die am 24. März 1999 entschied, Jugoslawien anzugreifen: Mit einem Hagel von Cruise missiles und computergesteuerten Bomben füllte die NATO ihre Kriegsdrohung mit Leben, vielmehr setzte sie sich über das Leben hinweg.

Die Ausstellung ULUS zeigt fünfzig Bilder, die in die verschiedensten Stilarten eingeteilt werden können: Symbolismus, Expressionismus und abstrakter Expressionismus, Konkretismus, Popart, Minimalismus und Installationsdokumentarismus. Das klingt nach einer Ausstellung wie ein Sammelsurium.

Und doch haben die ausgestellten Werke eine Gemeinsamkeit, dass sie von jugoslawischen Künstlern geschaffen wurden, also eine Nationalausstellung, genauso, als wenn es eine Präsentation bolivianischer oder ugandischer Kunst wäre. Die Ausstellung wurde vom Serbischen Kulturministerium, vom Belgrader Kulturbüro und von Serbiens Institut für internationale Zusammenarbeit unterstützt, also eine staatlich geförderte Propagandaausstellung, genauso wie die Sowjetunion oder Dänemark Künstler unterstützt hat. Und die Werke sind alle gleichzeitig in der Gegenwart entstanden, also eine Ausstellung, die man auf neudänisch "contemporary art" nennt.

Aber so einfach kann man diese Ausstellung nicht beschreiben. Faktisch steht hier mehr auf dem Spiel. Die ausgestellten 50 Werke sind ein Ausschnitt von dem, was 200 jugoslawische Künstler in der Zeit von März bis Juni 1999 geschaffen haben. Geschaffen, in einem offenen Atelier auf der Straße, sichtbar für jeden, von unten von den Bürgern der Stadt, von oben von Flugzeugen aus, ein Riesenengel mit Kreide auf der grünen Wiese gezeichnet.

Unter den Künstlern waren sowohl Regierungsanhänger als auch Oppositionelle, aber sie hatten das gemeinsam: die Aktion war Teil des Widerstand gegen den Krieg mit Kunst und Kultur.

Es gab Musiker, die auf den Donaubrücken spielten, was Massen an Zuhörern anzog, um die Brücken gegen den NATO-Angriff zu beschützen. Bekanntermaßen wurden viele Brücken dennoch bombardiert.
Unmittelbar nach dem Angriff der NATO am 24. März entschloss sich ULUS, der Zusammenschluss der bildenden Künstler Serbiens, zu Aktionen gegen den Krieg mit den Mitteln von Kunst und Kultur. Am vierten Tag des Angriffs erklärten die Künstler, sie werden ihre künstlerische Arbeit fortsetzen und ULUS forderte seine Mitglieder auf, am siebten Tag vor dem Künstlerpavillon der Stadt zu demonstrieren. Das offene Kriegsatelier war Wirklichkeit und jeden Tag um 12.00 Uhr rückten die Künstler aus ihren Ateliers, Kellern und Küchen oder wo die Künstler sonst noch arbeiten, aus, um unter offenem Himmel Kunst zu schaffen. Die mehr als 200 Künstler, die sich der Aktion angeschlossen hatten, nannten dies "Mit Kunst gegen Bomben." Sie wollten sich nicht eingeschüchtert zurückziehen, und nach dem Krieg stellten sie ihre Werke aus als Dokumente ihrer Angst. Sie wollten offen malen, provozierend unangefochten von all dem militärischen Schrott.

Auch wenn die Ausstellung von offizieller serbischer Seite unterstützt wurde, handelt es sich keineswegs um offizielle Kriegskunst. Hier gibt es keine Heldengeschichte, keinen Heroismus, keine Kriegerdenkmäler und keine Sentimentalität. Hier sind Bilder von einer Stadt und ihren Bewohnern, die bombardiert wurden von unseren Söhnen in unseren Flugzeugen. Hier sind Bilder von den Werkstätten der Kunst für Nachbarn, Freunde und Bekannte. Hier gibt es gewiss keine neuen künstlerischen Erfiindungen, keine neuen "ismen" aber hier haben 200 Künstler der Welt gezeigt, wofür sie leben: um zu schaffen.

Die Künstler haben den Bürgern Belgrads Mut gegeben und ein kleines bisschen Freude haben ihnen wieder gezeigt, dass es andere Antworten gibt als die ferngesteuerten Raketen der NATO und Milosevics Kadavergehorsam. Sie beantworteten Gewalt mit Gewaltlosigkeit. Im Dunkel der Nacht war diese Künstleraktion ein Aufschrei gegen den Krieg, ein Bitte um Frieden, eine Hoffnung auf das Leben.

(Übersetzung von Ralf Cüppers)

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