Umweltzerstörung - nicht nur Folge, sondern zunehmend auch Ursache militärischer Konflikte

von Stephan LibiszewskiStefan Klötzli

Was passiert, wenn wegen des Treibhauseffektes der Meeresspiegel ansteigt und Millionen Menschen aus Küstengebieten in die Nachbarländer ziehen? Was, wenn lebenswichtige Ressourcen wie Süßwasser und fruchtbare Böden immer knapper werden? Die Menschen werden davon nicht nur persönlich getroffen, indem ihre Lebensqualität sich verschlechtert oder ihre Lebensgrundlagen gar verloren gehen. Umweltkatastrophen bergen auch ein erhebliches Konfliktpotential zwischen sozialen Gruppen und Staaten. Wir stehen vor einer neuen Ära von kriegerischen Auseinandersetzungen, die wesentlich durch ökolo­gische Faktoren mitbestimmt sein wird.

Konflikte um natürliche Ressourcen hat es zwar schon immer gegeben. Während bisher jedoch nicht-erneuerbare Boden­schätze wie Erze oder Erdöl umstritten waren, drohen im Zuge der ökologi­schen Krise zunehmend existentielle er­neuerbare Ressourcen zum Anlass kriegerischer Auseinandersetzungen zu werden. Im Nahen Osten wird die inter­nationale Politik schon heute stärker durch das Wasser als durch das Erdöl bestimmt.. Fast alle territorialen Kon­flikte in der Region sind eng verbunden mit der Frage der Verteilung der regio­nalen Wasserressourcen, die aufgrund des Bevölkerungswachstums und durch den Klimawandel immer knapper wer­den. Israels Versorgung hängt zu mehr als einem Drittel vom Wasser des Jordans ab, der seine Quellen im Südli­banon und auf den Golan-Höhen bat; und zu einem Viertel von den Grundwasservorkommen des Westjordanlan­des. Dies ist einer der Gründe für Israels Zögern bei den gegenwärtigen Friedensverhandlungen, diese Gebiete zu­rückzugeben.

Die Konflikte im Nahen Osten sind eng mit dem Wasserproblem ver­mengt.

Der Nil und der Euphrat sind zwei wei­tere Flussbecken der Region, die von mehreren Anrainern geteilt werden und deren Gewässer  heftig umstritten sind. Ägypten, unterster Anrainer des Nils und zu 97% von seinem Wasser abhän­gig, hat in den letzten Jahren wiederholt Kriegsdrohungen an  die Adresse der Oberanrainer gerichtet für den Fall, daß diese auf die Idee kämen, mehr Nilwas­ser zu verbrauchen. Die Türkei, ihrer­seits Oberanrainer von Euphrat und Tigris, hat hingegen ihre günstige geogra­phische Position dazu genutzt, ein rie­siges Staudamm- und Bewässerungs­projekt zu bauen, ohne die Zustimmung der beiden stromabwärts liegenden Staaten, Syrien und den Irak, zu erfra­gen. Nach Vollendung des türkischen Projektes werden Schätzungen zufolge nur noch knapp ein Drittel der natürli­chen Abflussmenge die syrische Grenze erreichen. Das wird die syrische und irakische Landwirtschaft aber auch die Wasserversorgung der großen Städte in ihrem Lebensnerv treffen. Das türkische Projekt ist schon heute Ursache von Spannungen, die sich mit dem Kurden­konflikt und den übrigen Rivalitäten zwischen den drei Anrainerstaaten vermengen.

Das ökologische Katastrophengebiet Aralsee

Nicht nur im Nahen Osten ist das Was­ser zu einem Konfliktstoff ersten Ran­ges geworden. In den zentralasiatischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion gefährdet eine ökologische Katastrophe die Trinkwasserversorgung einer rasch anwachsenden Bevölkerung. Die rücksichtslose Ausweitung des Baumwollanbaus während der Sowjetzeit führte zu einem Raubbau an den Wasserres­sourcen der Region. Eine Konsequenz davon ist die Austrocknung des Aral­sees, der seit 1960 60% seines Volu­mens verloren hat und um einen großen Teil seiner Fläche zusammenge­schrumpft ist. Nicht mehr feuchte Luft und regenspendende Wolken verlassen heute das Aral-Gebiet sondern Sand ­und Salzstürme, die die Äcker der Re­gion unfruchtbar machen. Die nun unabhängig gewordenen GUS-Republiken streiten sich um die verbliebenen Wasserressourcen.

Ökologische Krisen führen aber nicht nur zu zwischenstaatlichen Streitigkei­ten. Die meisten ökologischen Konflikte finden auf der innerstaatlichen Ebene in der Form von Bürgerkriegen statt, Zum einen weil ökologische Zerstörung im­mer noch in erheblichem Masse Selbstzerstörung ist. Selbstzerstörung nicht notwendigerweise bezogen auf die Ursachen und Hintergründe. Diese liegen  oft in weltmarktbedingten Zwängen zum Ressourcenraubbau, um Auslandschulden zurückzuzahlen oder sich ver­schlechternde "Terms of Trade" aus­zugleichen. Selbstzerstörung aber in Bezug auf die Wirkungen!

Die meisten ökologischen Gewaltkon­flikte sind innerstaatliche Kriege.

In den südlichen Provinzen Nigerias z.B. hat die Erdölförderung in den letz­ten Jahrzehnten riesige Umweltschäden angerichtet. Während in den sechziger Jahren die Frage des Besitzes über die Erdölvorkommen den Anstoß zum Biafra-Krieg gab, sind es heure diese Umweltschäden, die zum Anlaß für das Wiedererstarken einer separatistischen Bewegung geworden sind, die das Land in einen erneuten. Bürgerkrieg stürzen könnte. Ähnliches bewirkten die ökologischen Folgen einer Kupfermine auf der Insel Bougainville im Pazifik, wo eine Guerillaorganisation für die Loslösung von Papua-Neuguinea kämpft. EI Salvador, Guatemala und Haiti in La­teinamerika und die Philippinen in Süd­ostasien sind weitere Beispiele, in denen sich ungerechte Landbesitzverhältnisse und Bodendegradierung überlagern und die Ursachen für Bürgerkriege oder eine chronische politische Instabilität bilden.

Das Vorherrschen innerstaatlicher Kriege gilt auch für die globalen Umweltprobleme wie den Treibhauseffekt, die Abholzung der Regenwälder oder die Ausbreitung der Wüsten. Verursa­cher und Opfer der Schäden liegen hier meist weit auseinander und kommen, wenn überhaupt, nur auf einer relativ abstrakten Ebene politisch miteinander in Berührung; nämlich auf internationa­len Umweltkonferenzen. Die Konfliktli­nien zwischen Nord und Süd oder zwi­schen Europa und den USA, die etwa auf dem Erdgipfel in Rio im vergange­nen Jahr zu verfolgen waren, sind aber nicht die Konfliktlinien der ökologisch verursachten Kriege. Die realen Kriege werden zwischen den von den globalen Umweltzerstörungen Betroffenen aus­getragen werden, ungeachtet ihres An­teils an den Ursachen, nämlich dort, wo klimatische Veränderungen und der Meeresspiegelanstieg Agrarwirtschaften zum Kollaps, Millionen von Menschen in die Flucht und politische Strukturen zum Auflösen führen werden.

Der Süden besonders betroffen

Das Paradebeispiel hierfür ist Bangladesch. Das Land trägt praktisch keine Verantwortung für die Treibhausemis­sionen. Aufgrund seiner sehr flachen Küsten im Deltagebiet von Ganges und Brahrnapurra ist es aber derjenige Staat, der vom Meeresspiegelanstieg am stärk­sten betroffen sein wird. Am schlimmsten werden die ohnehin Schwachen getroffen werden, deren Wirtschaft in hohem Masse agrarisch geprägt und da­her gegenüber klimatischen Verände­rungen anfälliger ist, und die nicht über die technischen und finanziellen Mittel zu Gegenmassnahmen verfügen. Die gesamte Sahel-Zone in Afrika, eine der ärmsten Regionen der Welt, ist ein ökologisches Katastrophengebiet und zugleich der Schauplatz zahlreicher blutiger Konflikte. Das Fortschreiten der Wüste  - ein hauptsächlich  menschengemachtes Problem - zerstört die tradi­tionelle Symbiose zwischen Nomaden und seßhaften Ackerbauern und bildet den Hintergrund für zahlreiche ethni­sche Konflikte und Stammeskriege im Sudan, Äthiopien, Somalia und im Se­negal-Tal.

Ein häufiges Bindeglied zwischen Umweltveränderungen und politischen Konflikten sind ökologisch mitbedingte Migrationsströme, auch Umweltflücht­linge genannt. Diese können in den Einwanderungsregionen bereits beste­hende soziale Probleme verschärfen oder zu Veränderungen in der ethni­schen und religiösen Zusammensetzung der Bevölkerung führen und damit Kon­flikte schüren. Wenn die Umweltmigra­tion grenzüberschreitend ist, kann die soziale und politische Destabilisierung vom Empfängerstaat als eine Gefahr für die nationale Identität und Souveränität empfunden werden und Spannungen mit dem Herkunftsstaat erzeugen. Der Krieg zwischen El Salvador und Honduras 1969, der Fußball-Krieg genannt wird, weil die Auseinandersetzungen während eines Fußball-Spieles zwischen den Na­tionalmannschaften beider Länder begannen, ist im Wesentlichen durch eine ökologisch mitbedingte Migrationsbe­wegung ausgelöst worden.

Umwelt- und Entwicklungsprobleme eng miteinander verwoben

Ökologische Faktoren bilden selten die einzige Ursache eines Krieges. In all den genannten Fällen bilden Umwelt­probleme lediglich ein Glied in einem vernetzten Bündel verschiedener, sich gegenseitig verstärkender Faktoren, zu denen alle klassischen Ursachen und Merkmale von Unter- bzw. Fehlent­wicklung gehören, nämlich Armut, un­gerechte Landverteilung, Bevölke­rungswachstum, Auslandsverschuldung und die Ausrichtung der Produktion an den Bedürfnissen des Weltmarktes sowie unabgeschlossene Prozesse der Na­tionenbildung. Ökologische Konflikte sind daher eng mit der Nord-Süd-Pro­blematik verwoben. Nur eine Umver­teilung des Reichtums und ein neues Modell nachhaltiger Entwicklung sowohl im Norden wie im Süden kön­nen die Welt vor der Ausbreitung einer neuen Kriegswelle bewahren, die, was das Blutvergiessen anbetrifft, weder den Dekolonisierungskriegen noch den Stellvertreterkonflikten während des Kalten Krieges nachstehen wird.

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Stephan Libiszewski ist Diplom-Politologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik und Konfliktforschung der ETH Zürich