UN-Irak-Resolution ist wie ein Ritt über den Bodensee

von Andreas Buro
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Hand auf`s Herz! Haben wir nicht alle aufgeatmet, als der Sicherheitsrat die Resolution 1441 nach langem Gerangel beschlossen hatte, die anscheinend einer friedlichen Lösung der Abrüstung des Irak noch einmal eine Chance einräumte? Waren wir nicht alle froh, als sich Chefinspektor Blix sogleich auf den Weg nach Bagdad machte, um die Kontrollen in Gang zu setzen? Natürlich hofften und hoffen wir alle auf ein Wunder, aber unsere Hoffnungen gründen sich auf dünnem Eis.

Über den Inhalt der Resolution ist viel geschrieben worden. Der allgemeine Tenor lautet: In wichtigen Punkten ist sie unklar und voller Hintertüren. Modern würde man sagen: sie ist sehr flexibel auslegbar. Und dies ist im Zeitalter des "Leviathan" jenes übermächtigen Ungeheuers aus dem Buch Hiob, das heute USA heißt, das entscheidende. Die USA behalten sich die Interpretation der Resolution vor. Sie können selbst Informationen anfertigen, vorlegen und bewerten. Ihr Präsident hat sich vom Kongress die Vollmacht erteilen lassen, ohne Rücksicht auf den Sicherheitsrat gegen den Irak einen Angriffskrieg zu führen. Schon fordert er von NATO-Staaten militärische Unterstützung für seinen Feldzug. Die Kriegspläne werden offen diskutiert und die Milliarden schweren militärischen Vorbereitungen laufen non-stop. Manche hoffen, der Präsident wolle nur eine glaubwürdige Drohkulisse aufbauen, um Bagdad zur Kooperation zu veranlassen. Solche Hoffnung steht auf schwachen Füßen. Doch Drohung könnte Bush viel billiger haben, und die wirklichen Ziele der USA richten sich auf Öl, Militärstützpunkte und auf den Sturz des Regimes in Bagdad.

Unter diesen Vorzeichen des Krieges müssen die Verhandlungen im Sicherheitsrat wie Legitimationstheater erscheinen. Oder kann man doch auf eine ernsthafte Gegenwehr der EU-Staaten und der anderen Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat setzen? Aber haben sie nicht alle der Resolution 1441 zugestimmt, die mit Fußangeln für den Beginn eines Krieges gespickt ist? Und haben sie sich nicht vorwiegend nur gegen einen Automatismus zum Kriege gewendet, wie es auch der deutsche Außenminister Fischer formulierte. Sie sind also keineswegs grundsätzlich gegen ein militärisches Vorgehen. Ferner haben die USA bei den Vorverhandlungen zu der UN-Resolution den Veto-Mächten in Aussicht gestellt, sie würden deren Wirtschafts- und Öl-Interessen im Irak berücksichtigen. Das hat nicht nur Frankreich beruhigt, sondern auch Rußland, dass außerdem durch einen Krieg gegen den Irak noch ungestörter seinen Staatsterror in Tschetschenien ausüben kann.

Aber Deutschland bleibt doch fest oder? Schröder und Fischer haben im Bundestagswahlkampf mit viel Geschick das Irak-Kriegs-Thema zu ihren Gunsten genutzt. Wenn sie nun in Washington anti-chambrieren, um ´Gut-Wetter` zu machen, so heißt dies doch nichts anderes als: "April-April - Ihr versteht unseren Wahlauftritt hoffentlich richtig. Durch ihn hat sich doch unsere Politik nicht geändert." Und hat sich denn etwas geändert? Man wird die Bundesrepublik nicht auffordern, sich mit eigenen Kampftruppen zu beteiligen. Wo Mitwirkung Deutschlands aber erwünscht ist, wird sie von Berlin gewährt. Die US-Basen und -Infrastruktur in Deutschland, die Überflugrechte - alles steht den USA für ihren Militäraufbau und späteren Krieg gegen den Irak zur Verfügung. Durch den jüngsten Beschluss des Bundestags, die Beteiligung an dem Kriegsprojekt "Enduring Freedom" um ein Jahr zu verlängern, bleiben auch die Fuchs-Panzer und die deutschen Marineeinheiten in Nahost. Im Falle eines Krieges wird nicht mehr zu unterscheiden sein, in welcher Funktion sie dort eingesetzt werden. Die Aufstockung deutscher Truppen in Afghanistan hat zudem eine Entlastungsfunktion für die USA, was auch ein deutscher Beitrag zum Krieg gegen den Irak ist. Der grundsätzliche Kurs der Regierung in ihrer militärgestützten Außenpolitik folgt weiterhin der von der Kohl-Regierung vorgegebenen Richtung: Berlin hält fest an der Aufstellung einer offensiven Interventionstruppe der EU. Nun stimmt es obendrein noch einer NATO-Eingreiftruppe für weltweiten Einsatz zu, die in der New York Times treffend als ´Fremdenlegion des Pentagons` bezeichnet wurde.

Ich erwarte deshalb nur etwas Gerangel im Sicherheitsrat über die Interpretation der Berichte und Kontrollen des UN-Teams im Irak, um eine eigenständige Position der EU-Staaten gegenüber den BürgerInnen vorzutäuschen, aber letztlich keinen wirklichen Widerstand. Ist dies so, so wird auch Kofi Annan, der wohl ein ernsthaftes Interesse an einer friedlichen Lösung des Konflikts hat, sich nicht durchsetzen können, und der Krieg wird stattfinden.

Es wäre schön, wenn alle meine Befürchtungen und Argumente falsch wären und beim "Ritt über den Bodensee" das Eis nicht brechen würde. Wichtig ist es jedoch, dass die Friedensbewegung der Öffentlichkeit die Illusion nimmt, der Friede sei durch die UN-Resolution schon gesichert. Nach wie vor gilt es, sich rechtzeitig gegen den Krieg zu wehren.

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