Castor-Transporte

Und auch nicht nach Ahaus

von Elke Steven
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Kurz nach dem Transport von Atommüll nach Gorleben in diesem Frühjahr wurden Planungen bekannt, demnächst Atommüll aus den Atomkraftwerken im Süden der Bundesrepublik in Ahaus einzulagern. Eine Leichtbauhalle für Atommüll steht dort schon länger. Eingelagert werden durfte bisher nur der Müll aus dem bereits abgeschalteten Atomkraftwerk in Hamm-Uentrop. 305 strahlende Behälter stehen bereits dort. Die Einlagerung des Atommülls aus anderen Kraftwerken erforderte entsprechende Genehmigungen. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat inzwischen die Einlagerung aus anderen Atomkraftwerken genehmigt und einer Kapazitätserweiterung zugestimmt. Diejenigen, die ein Interesse an den Geschäften mit der Atomenergie haben, schaffen sich immer neue Möglichkeiten.

Aber auch der Widerstand gegen dieses Vorgehen wächst: Aktionstage in Krümmel, Behinderung von Transporten zu den Wiederaufbereitungsanlagen in La Hague und Sellafield an verschiedenen Orten, Schienenspaziergänge und Sitzblockaden. Auch in Ahaus formiert sich der Protest. Die Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" (Auf der Haar 2, 48683 Ahaus, Tel.: 02561/7101, Fax. 02561/43473) und die UWGjugend Ahaus (Postfach 1313, Tel: 02561/67581 u. 41993, Fax: 02561/40713) organisieren und planen Aktionen.

Am Wochenende, dem 18./19.10.1997, fanden Aktions- und Protesttage statt. Viele Medien zeichneten zunächst für Samstag, den 18.10.1997, ein Bild, das von "Krawallen", zahlreichen die Polizei angreifenden vermummten Straftätern, gefährlichen Eingriffen in den Schienenverkehr und erheblichem Gewaltpotential innerhalb der Protestbewegung geprägt war. Dieses Gesamtbild entsprach den Geschehnissen in keine Weise.

Ingrid und Werner Lowin haben als DemonstrationsbeobachterInnen des Komitees für Grundrechte und Demokratie eine Situation auf den Schienen ausführlich beobachtet und über das unverhältnismäßige Vorgehen der Polizei berichtet. Eine Gruppe von ca. 25-30 Jugendlichen wurde auf den Schienen von der Polizei eingekesselt. Einer aus dieser Gruppe war, ohne jede Fremdeinwirkung, vorher auf den Gleisen so unglücklich gefallen, daß er mit einem Krankentransporter abgeholt werden mußte. Die Polizei ließ jedoch keine weitere Person diesen Kranken begleiten. Sie begründete dies damit, daß sie "außer dem Verletzten keinen anderen Straftäter hier herauslasse". Von verschiedenen TeilnehmerInnen und BeobachterInnen wurde herausgestellt, daß es an diesem Ort keine Schienenaktion gegeben hätte, daß einige nur dem Gestürzten zu Hilfe gekommen wären. In der Umgebung dieser Gruppe waren keinerlei Spuren von Beschädigungen zu finden. Trotzdem hielt die Polizei daran fest, daß es sich um "Straftäter" handele. Die Eingekesselten, zu denen einige zählten, die man fast noch als Kinder bezeichnen konnte, ließen keinen Zweifel aufkommen, daß sie sich kooperativ verhalten wollten. Die Polizei hatte jedoch beschlossen, sie zur Gefangenensammelstelle zu bringen und ED-behandeln zu lassen. Die Personen wurden einzeln aus dem Kessel geführt, wobei einige BeamtInnen sehr ruppig vorgingen und z.B. die erste Abgeführte an den Haaren zogen. Am Gefangenenbus wurden sie durchsucht, abgetastet, mit Kabelbindern auf dem Rücken gefesselt und in den Gefangenenbus gebracht. Auf die Nachfrage, warum man eine solche Fesselung für verhältnismäßig ansehe, wurde mitgeteilt, daß dies für den gesamten Einsatzbereich für alle zur Gefangenensammelstelle zu transportierenden Personen "von höherer Stelle" angeordnet worden sei. Später hörten wir, daß sich auch in der Gefangenensammelstelle erneut einige Personen einer Leibesvisitation unterziehen mußten.

An anderen Stellen in der Nähe der Schienen ist es ähnlich oder noch schlimmer zugegangen. Auch Schlagstöcke sind gegen Demonstrierende eingesetzt worden. Der Polizeipräsident von Münster, der erste "grüne" Polizeipräsident, hat im Nachhinein den Einsatz von Schlagstöcken als "legitim" bezeichnet. Einige Demonstrierende wollen nun gegen diesen Einsatz klagen.

Mehreres muß in den nächsten Monaten geschehen. Zum einen muß alles rechtlich und politisch mögliche getan werden, damit es gar nicht erst zum Transport eines Castors nach Ahaus kommt. Wenn dieser aber politisch nicht zu verhindern ist, dann muß zum zweiten in Ahaus zumindest deutlich werden, daß die Polizei in NRW den legitimen Protest schützt und das Recht auf Demonstrationsfreiheit so hoch einschätzt, wie es unserem Grundgesetz entspricht. Dafür aber muß der Polizei erst einmal verstärkt deutlich gemacht werden, daß dieser Protest legitim ist und auch Aktionen Zivilen Ungehorsams legitimierbar sind.

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Elke Steven ist Soziologin und Referentin beim Komitee für Grundrechte und Demokratie in Köln.