"... und er sagt NEIN!" - von Andreas Ciesielski - eine Buchempfehlung!

von Martin Singe
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Im Dezember 1993 ist das kleine Büchlein von Andreas Ciesielski "... und er sagt NEIN!" im Scheunen-Verlag erschienen, das über den ersten Totalverweigerer aus der ehemaligen DDR berichtet.

Ralf Morwinsky hatte schon 1989, als sich die DDR bereits im Auflösungszu­stand befand, seine erste totale Kriegs­dienstverweigerung vollzogen, indem er auch den Spatensoldatendienst verwei­gerte. 1991 erhält Ralf vom Kreisweh­rersatzamt einen Brief: man wisse, daß er in der DDR den Wehrdienst total verweigert habe; wenn er unter den neuen gesellschaftlichen Bedingungen dabei bleiben wolle, solle er dies schriftlich mitteilen. Ralf verweigert er­neut total und begründet dies ausführ­lich.

1993 kommt es zum Prozess und Ralf wird zu 90 Tagessätzen Geldstrafe ver­urteilt. Die Staatsanwaltschaft hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, weil ihr die Strafe zu gering ausgefallen war - stattdessen sei eine Freiheitsstrafe notwendig: "Grundsätzlich werden für derartige Straftaten Freiheitsstrafen zu verhängen sein. Besondere Gründe in der Person des Täters, welche den Aus­spruch einer Geldstrafe rechtfertigen, liegen nicht vor. Zudem steht im vorlie­genden Fall der Verhängung einer Geld­strafe die Wahrung der Disziplin im Zi­vildienst entgegen. In der Berufungs­verhandlung wird daher beantragt wer­den, den Angeklagten wegen Dienst­flucht zu einer Freiheitsstrafe zu verur­teilen."

Das Büchlein über die Geschichte der ersten Totalverweigerung in den neuen Bundesländern ist spannend geschrieben und lädt zum Lesen "in einem Rutsch" ein. Das soziale Umfeld von Ralf und seine Geschichte werden eindrücklich beleuchtet. Eine wesentliche Rolle spielen auch die Ereignisse von August 1992, als in Rostock-Lichtenhagen unter dem Beifall von BürgerInnen die Asyl­bewerber-Anlaufstelle angegriffen wurde und viele Vietnamesen sowie ein ZDF-Team beinahe verbrannt wären. Ralf Morwinsky und seine Freunde hatten sich auch für diese ausländischen Vertragsarbeiter aus Vietnam engagiert.

Zum Schluß schlägt das Buch einen Bo­gen zu Ludwig Baumann, Deserteur aus dem 2. Weltkrieg, der allvierteljährlich zum Einberufungstermin der Bundes­wehr auf dem Bremer Bahnsteig steht und die jugendlichen Wehrpflichtigen anspricht.

Diese lebendige und sehr persönliche Schilderung einer Totalverweigerung kann bestens empfohlen werden: An­dreas Ciesielski, "... und er sagt NEIN!". Mit einem Vorwort von Günter Wall­raff, Scheunen-Verlag Kückenshagen, 1993, 94 Seiten, DM 9.80.

P.S. Telefonisch haben wir aus Rostock die Nachricht erhalten, daß Ralf beim Berufungsprozess am 10.6.94 überra­schend freigesprochen worden ist. In der Begründung führt der Richter die Tatsa­che an, daß er bereits in der DDR total verweigert hatte und seinerzeit nicht belangt wurde. Herzlichen Glückwunsch zum Freispruch!

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".