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Unfriedliche Friedensforscher oder: Wann lernen sie endlich?
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Es ist kaum zu fassen! Seit 1989 versucht die Leitung des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg, die bei ihm arbeitende wissenschaftliche Referentin und renommierte Friedensforscherin Dr. Hanne-Margret Birckenbach aus dem Institut zu kündigen. Die angerufenen Arfbeitsgerichte kommen zu dem Urteil, das Arbeitsverhältnis von Hanne Birckenbach sei unbefristet und weisen die Kündigungen - mittlerweile drei an der Zahl - zurück.
Doch der Direktor und sein Stellvertreter - Prof. Egon Bahr und Dr. Dieter Lutz - werden nicht müde in dem Versuch, mit immer neuen Maßnahmen gegen die Friedensforscherin vorzugehen. Ungerührt von den Gerichtsurteilen und den noch schwebenden Berufungsverfahren des Instituts läßt die Leitung über eine Sekretärin Frau Birckenbach ausrichten, sie habe keinen Arbeitsplatz mehr am IFSH und möge nach Hause gehen. Die Gehaltszahlungen werden von heute auf morgen ohne Ankündigung eingestellt.
Der Vorgang, im Milieu der Friedensforschung spielend, erregt öffentliche Aufmerksamkeit. In Zeitungen wird berichtet. Selbst Der Spiegel widmet dem Konflikt eine Seite. Die Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung erklärt am 15.2.92: "... In der Konfliktforschung sind wir uns einig, daß die andauernde Bereitschaft zur Kommunikation und zur Verständigung die grundlegende Voraussetzung für eine konstruktive Konfliktregelung ist. Diese Handlungsmaxime gilt insbesondere bei asymmetrischen Konflikten für die überlegene Seite. Deshalb erwarten wir, daß die Leitung des IFSH eine verständigungsorientierte Lösung sucht und entsprechende Angebote von dritter Seite ernsthaft aufgreift. Dies heißt ferner, daß die Institutsleitung die bisherigen Kündigungsschutz-Urteile respektiert und das laufende Rechtsverfahren abbricht." Dazu passt die Äußerung von Egon Bahr wie die Faust aufs Auge: "Es ist eine Illusion, daß Frieden hergestellt werden kann, wenn alle Beteiligten nur lange genug miteinander reden" (Spiegel 16/92). Die beiden Sicherheitstheoretiker Bahr und Lutz folgen stattdessen strategischen Mustern des verflossenen Abschreckungssystems, indem sie den Konflikt eskalieren, wohl erwartend, daß die schwächere Seite materiell oder psychisch über kurz oder lang ihrem Druck nicht würde standhalten können. Feine Auffassungen vom Rechtsstaat!
Warum aber das ganze? Offiziell liegen den Kündigungen dringende betriebliche Erfordernisse zugrunde, man wolle nämlich, so der Institutsrat am 20. 9. 89 zukünftig Osteuropa und die Sowjetunion in der Institutsarbeit als Schwerpunkt bearbeiten . Dafür würde die Birckenbach-Stelle benötigt. Die Stelleninhaberin habe jedoch dafür keine Qualifikationen anzubieten. Aus sozialen oder Anciennitätsgründen könne keinem anderen der durchweg männlichen Referenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts gekündigt werden. Das muß man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Der Institutrat beschließt einen neuen Forschungsschwerpunkt und feuert dafür seine einzige unbefristet beschäftigte wissenschaftliche Referentin. Pikanterweise wird für den angeblich hochspezialiserten neuen Forschungsbereich ein Mitarbeiter eingestellt, ". . . der sich seit einigen Monaten u.a. mit dem Schwerpunkt Osteuropa beschäftigt hat . . ." (Institutsrat v. 22. 3. 1990). Der neue Mitarbeiter muß wirklich hochbegabt sein, wenn er in einigen Monaten zum Spezialisten heranreifen konnte. Warum hätte Hanne Birckenbach, die viel einschlägige Erfahrungen aufzuweisen hat, dies nicht können sollen? Inzwischen sollen vor dem Landesarbeitsgericht in Hamburg Gutachter hierzu gehört werden.
Nach all den sonderbaren Kündigungs- und bei Gericht vorgetragenen Argumenten fragt man sich nach den wirklichen Gründen des Anti-Birckenbach-Kampfes der Institutsleitung. Mangelnde Qualifikaton in ihrer Tätigkeit ist der Forscherin nie vorgeworfen worden und wäre auch angesichts ihrer vielseitigen wissenschaftlichen Arbeiten absurd. Absurd wäre auch die Annahme, daß ihr eigentiches Tätigkeistsfeld, nämlich die sozial-psychologisch orientierte Forschung über innergesellaschftliche und internationale Konflikte in der gegenwärtigen Situation von geringer Bedeutung sei. Das Gegenteil ist der Fall. Mit dem verstärkten Aufkommen von Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit und angesichts der schweren psychischen Beschädigungen im Gefolge der deutschen Vereinigung spielen bewusste und unterbewusste Prozesse eine enorme Rolle. Dies gilt auch für die nationalistischen Exzesse in Ost- und Südosteuropa, die damit verbundenen Identitätskrisen und ihre Eskalation zu Bürger- und zwischenstaatlichen Kriegen. Der vom IFSH angestrebte neue Schwerpunkt hätte von einer solchen Forschungsorientierung nur Nutzen ziehen können.
Meine Vermutung über die wirklichen Kündigungsgründe geht in eine ganz andere Richtung. Hanne Birckenbach zieht ihre Motivation zu wissenschaftlicher Arbeit nicht zuletzt auch aus ihrem Engagement in der Friedensbewegung, als deren Mitträgerin sie sich immer gefühlt hat. Pazifistische und anti-militaristische Denkansätze sind für sie von großer Bedeutung. Das ist nicht selbstverständlich der Boden auf dem ein großer Teil der westdeutschen Friedensforschung angesiedelt ist. Hier wird vielfach über Strategien der Rüstungskontrolle und Modelle der Systeme kollektiver Sicherheit nachgedacht, die trotz aller Abrüstungsbeteuerungen in der Vergangenheit und - schlimm zu sagen - auch in der Zukunft die Begleitmusik zur ständigen weiteren qualitativen Aufrüstung waren und sind. Gerade das IFSH hat sich schon unter der Leitung des Vorgängers von Bahr, dem Grafen Baudissin, unter verschiedenen Formeln der Rüstungskontrolle und Gleichgewichtspolitik verschrieben, war aber noch liberal genug, andere Ansätze zu tolerieren. Die Friedensbewegung hat sich dagegen in ihren parteiunabhängigen Teilen für Entmilitarisierung in auch unilateralen Schritten eingesetzt. Hanne Birckenbach gehört dieser Richtung in ihrem Denken an. Unter dem Parteipolitiker Bahr will man davon nun nichts mehr hören. Ich kann hier die Problematik der sehr unterschiedlichen Ansätze nicht weiter entfalten, will aber doch auf eine weitere Dimension hinweisen. Alle Volksparteien, insbesondere auch die SPD, haben stets ein prekäres, oftmals sogar ein sehr feindliches Verhältnis zu den sozialen Bewegungen, so auch zur Friedensbewegung gehabt. Der Grund dafür ist offensichtlich, stellen doch diese Bewegungen oft genug die Aussagen und Strategien der Parteien in Frage und versuchen die Anhänger die Parteien unter oppositionellen Vorzeichen zu mobilisieren. Für manch einen Politiker ist dies schwer zu verkraften. Die Diffamierungskampagne der SPD in den 60er Jahren und unter Schmidt Ende der 70er Jahre gegen die Friedensbewegung läßt dies klar erkennen. Andere Politikerinnen der Parteien haben längst begriffen, daß die Arbeit der sozialen Bewegungen zu gesellschaftlichen Lernprozessen führt, die im Sinne der Fortentwicklung von Demokratie unabdingbar sind. Das IFSH als sozialdemokratischer Tendenzbetrieb steht selbstverständlich mitten in dieser Problematik. Am Fall Hanne Birckenbach wird deutlich, daß man dort sein eigenes politisch-soziales Umfeld nicht begriffen hat.
Wie könnte man sonst die ständigen Bemühungen der SPD, das Gespräch und womöglich die Zusammenarbeit mit den sozialen Bewegungen zu ermöglichen, durch den Rausschmiss der engagierten Friedensforscherin konterkarieren! . . . und das im Zeitalter der Frauengleichstellung!