Die zivilmilitärische Zusammenarbeit und der Einsatz des Zivilen Friedensdienstes in Krisengebieten

Ungewohnte Nachbarschaft oder militärische Vereinnahmung?

von Renate Wanie
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Das aktuell veröffentlichte Weißbuch der deutschen Bundesregierung- Grundlagendokument zur außen- und militärpolitischen Ausrichtung der kommenden Jahre - legitimiert die weltweiten Einsätze der Bundeswehr. Hierbei stellen sich kritische Fragen zu der im Weißbuch verankerten zivil-militärischen Zusammenarbeit in Krisen-und Konfliktregionen. Auch Friedensfachkräfte sind bei ihren Auslandseinsätzen im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) zunehmend mit diesem Problem konfrontiert.

Pro und Kontra beim ForumZFD
,,Chancen in ungewohnter Nachbarschaft?" ist das die Frage, die sich die Friedensfachkräfte (FFK) des Zivilen Friedensdienstes bei der Zusammenarbeit mit dem Militär bei ihren Auslandseinsätzen stellen müssen? Im Rundbrief des ForumZFD im Jahr 2003 eröffnete Beiratsmitglied Willi Erl unter dieser Überschrift eine Debatte zum Pro und Kontra „zivil-militärischer Zusammenarbeit" und löste damit heftigen Protest aus. Bis zur nächsten Mitgliederversammlung folgte eine breite Diskussion im ForumZFD. .Im Zusammenhang damit wurde sogar Hammelburg besucht, die traditionelle Ausbildungsstätte der Bundeswehr.

Doch bei allem Pragmatismus im ForumZFD und der finanziellen Unterstützung des Staates, die Mitgliederversammlung des Forums grenzte sich scharf von einer möglichen Vereinnahmung durch den Staat ab: Der ZFD sei kein komplementäres Instrument zur militärischen Friedenserzwingung und auch nicht für die Einbindung in .ein militärisches Konzept geeignet. Auch dürfe der gewaltfreie Ansatz nicht beeinträchtigt werden. Der ZFD sei kein Instrument offizieller Verteidigungs- und Sicherheitspolitik - und soll es auch nicht sein! (Bricke 2006: .17) So der Tenor der Mitgliederversammlung. Eine klare Absage also an eine zivil-militärische Zusammenarbeit.

Zur Absicht der „zivilmilitärischen Zusammenarbeit"
Seit Ende der 90er Jahre versuchen Bundeswehr und NATO in einer wachsenden Zahl von Publikationen die Begriffe „zivil-militärische Zusammenarbeit" (ZMZ) bzw. ,,Civil Military Cooperation" (CIVIC) zu besetzen. Dahinter verbirgt sich die „zivil-militärische Zusammenarbeit der Bundeswehr im Ausland. Sie ist Bestandteil der militärischen Operationsführung in den Einsatzgebieten der Bundeswehr." (http://www.bundeswehr.de)

Bereits 2003 stellten die Verteidigungspolitischen Richtlinien auf dem Hintergrund vieler Fehlschläge gewaltsamer militärischer Operationen fest: ,,Sicherheit kann weder vorrangig zivil noch allein durch militärische Maßnahmen ge¬währleistet werden." Das Militär ist daher zur. Kooperation mit zivilen Kräften bereit. Auch das im Oktober diesen Jahres veröffentlichte „Weißbuch" der Bundesregierung betont die vernetzten Einsätze der Bundeswehr: ,,Bei Einsätzen ist auf internationaler Ebene (ebenfalls) ein umfassender vernetzter Ansatz. erforderlich, der die zivilen und militärischen Instrumentarien wirksam verbindet." (Weißbuch 2006:7) Und weiter heißt es: Der Begriff, der zivilen Krisenprävention ist nicht in Abgrenzung zur militärischen Krisenprävention zu verstehen, sondern schließt diese mit ein." (ebd: 27)

Hier ist Vorsicht geboten! Drei Punkte will ich nennen:
1. Im Kapitel „Vernetzte Sicherheit" unter „Aktionsplan zivile Krisenprävention" ist einer der drei „wichtigsten Eckpunk¬te": ,,(…) das Prinzip des alle Ressorts umfassenden kohärenten Vorgehens unter Verzahnung aller vorhandenen Instrumentarien" (ebd.: 27). Die Absicht ist klar: Es geht um die stärkere Verzahnung von zivilen und militärischen Maßnahmen zur Konfliktbewältigung und Konfliktverhütung.

Verzahnung bedeutet aber

• ,,eine Vereinnahmung ziviler Konfliktbearbeitung in einen militärisch dominierten Kontext
• eine Unterordnung unter militärische Denkweisen und Handlungsstrategien
• und damit letztendlich eine Entwertung ziviler Konfliktbearbeitung in ihrer Eigenständigkeit und Kreativität." (Vogler 2004: 33)

2. Ein Ziel besteht darin, das Militär handlungsfähiger zu machen. Dabei könnte man gute Absichten vermuten und unterstellen, dies führe zur zivilen Konfliktbearbeitung. Das Signal wird je doch in eine andere, meiner Auffassung nach falsche Richtung gesendet. Erleichtert werden „nur Entscheidungen für militärische Interventionen, weil man glaubt, Nachkriegssituationen im Kosovo, Afghanistan oder im Irak besser beherrschen zu können" (Buro 2006: 5).

3. Letztlich geht es um die Ausdehnung der Handlungsfelder der Bundeswehr mit zivilen Instrumenten wie auch um die Einbindung ziviler Akteure in militär(polit)ische Strategien.

Fragen an den Zivilen Friedensdienst
Die Bundeswehr sucht also neue Aufgaben und vor allem Legitimation jenseits der bisherigen „Landesverteidigung". Dies ändert jedoch nichts daran, dass

• die Bundeswehr ihrem Charakter nach ein Gewaltapparat zur Durchsetzung deutsch-westlicher Machtinteressen ist und
• Soldaten auch weiterhin zur Androhung und Ausübung von .Gewalt ausgebildet werden - und zum Töten.

Auf diesem Hintergrund sind auch viele Nichtregierungsorganisationen wie auch die Friedensfachkräfte des ZFD im Auslandseinsatz mit dieser Situation konfrontiert. Das ist im Kosovo so, das ist in Afghanistan nicht anders. Denn in Zei¬ten militärgestützter Globalisierungspolitik erweitert das Militär sein herkömmliches Handlungsrepertoire und führt Aufgaben durch, die bisher von zivilen Organisationen, z.B. dem technischen Hilfswerk oder humanitären Organisationen, durchgeführt wurde. (Ich erinnere an die legendäre Brunnenbohr-Aktion der Bundeswehr in Somalia 1993)

Wenn das Militär zunehmend zivile Aufgaben übernimmt, müssen sich auch die Friedensfachkräfte des ZFD einige Fragen stellen:

• Sind in dieser Situation die Unterschiede zwischen militärischen und zivilen Kräften für die Konfliktakteure vor Ort noch erkennbar?
• Wie können NGOs oder Friedensfachkräfte des ZFD dann noch ihre Allparteilichkeit glaubhaft machen, wenn sie praktisch als „zivile Anhängsel“ der Interventionsgruppen daherkommen? (z.B. im Kosovo und in Afghanistan)
• Wie sollen die Friedensfachkräfte die Menschen -in ihrem Einsatzland noch dazu ermutigen, ohne den (scheinbaren) Schutz der Militärs leben zu können?

Nach einem tödlichen Angriff auf fünf Mitarbeiter der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen" im Jahr 2004 bekräftigte die Generalsekretärin ihre strikte neutrale Haltung. ,,Wer Bewachung braucht, weil ihn die Bevölkerung als Teil des Militärs ansieht, der ist nicht humanitär."

Die Wirkungsmöglichkeiten des ZFD versus Militär
Im Sinne einer gewaltfreien Konfliktbearbeitung spricht nichts gegen einen Austausch von Erfahrungen und Meinungen mit den Militärs. ,,Akteure des ZFD sind ohne Berührungsängste für Gespräche mit allen Konfliktparteien offen (.), sofern eine klare Abgrenzung zwischen Aufgaben und Mitarbeiter/innen des Militärs und Aufgaben und Mitarbeiter/innen des ZFD jederzeit vorhanden und nach außen. sichtbar ist." (Bricke 2006: 17)

Einer Zusammenarbeit mit militärischen Einheiten ist jedoch auch in Notsituationen mit größter Zurückhaltung zu begegnen. Ein Beispiel dafür ist, wenn in seltenen. Einzelfällen „zivile Gewaltopfer oder zivile Friedensfachkräfte in unmittelbarer Gefahr für Leben und Gesundheit befinden und die militärische Unterstützung die einzige Möglichkeit humanitärer Hilfe 'darstellt." (ebd.) Ansonsten be¬steht immer die Gefahr, die Allparteilichkeit und Unabhängigkeit zu verlieren.

Chancen für eine ungewohnte Nachbarschaft? Ich kann sie nicht erkennen. Die Mitgliederversammlung des ForumZFD hat die richtige Wegrichtung ein geschlagen. Eine enge Zusammenarbeit mit militärischen Einrichtungen qefährdet die All-Parteilichkeit und damit die Erfolgsaussichten der Arbeit des ZFD.

Die Absicht des ZFD, mit gewaltfreien Mitteln Gutes zu bewirken - die Chancen dafür sind zumindest gegeben. Denn die Wirkungsmöglichkeiten des ZFD liegen u.a.

• in vertrauensbildenden Maßnahmen,
• in der Vermittlung bei Konflikten und
• im Abbau von Vorurteilen und Feindbildern.

Dies sind Aufgaben, die eine All-Parteilichkeit nahe legen und Gerechtigkeit und Versöhnung überhaupt erst ermöglichen. Sie tragen zu Strukturen für einen nachhaltigen Frieden bei.

Das Militär hingegen handelt nach einer anderen Maxime: Zur Überwindung von Gewalt ist massive Gewaltanwendung erlaubt: .Das Militär wird so organisiert und ausgerüstet, dass es gewaltsam nationale Ziele durchsetzen kann. Ausrüstung und Strategien weisen eindeutig in diese Richtung." (Bure 2000: 123} Dies gilt auch für so genannte Friedensmissionen. Anders als der ZFD ist das Militär Handlanger nationaler oder wirtschaftlich geleiteter Interessen. Gegenüber der „Überwindung von Gewalt durch Gewalt (.) müssen Zivile Friedensdienste der lebendige Widerspruch bleiben!" (ebd.) Das Militär kann grundsätzlich keinen Frieden schaffen.

Der ZFD ist nicht der kleine Bruder der militärischen Intervention und auch kein verlängerter Arm der kriegerischen NATO. Für die Friedensbewegung sind die Methoden der zivilen Konfliktbearbeitung (wie der ZFD) ausdrücklich eine Alternative zu militärischer Sicherheitspolitik - und nicht lediglich eine Ergänzung! Damit es so bleibt, müssen wir eine klare Trennung beibehalten zwischen zivilen und militärischen Aktivitäten. Dann werden Gutes wollen und Gutes bewirken zwei Seiten des Gleichen sein.

Quellen
Briese, Dieter: Zivi/er Friedensdienst und Militär „im Einsatz", 2006. In: Wissen¬schaft und Frieden, Dossier 52: ZFD- Frieden schaffen ohne Waffen!
Bundesministerium für Verteidigung: Weißbuch der Bundesregierung, Vernetzte Sicherheit. 2006, Berlin
Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Verteidigungspolitische Richtlinien .. Berlin, 2003
Buro, Andreas: Das Monitoring-Projekt. Zivile Konfliktbearbeitung, Gewalt-und Kriegsprävention: Bonn 2006
Buro, Andreas: Ziviler Friedensdienst im Verhältnis zu Staat, militärgestützter Politik und Militär. In: Ziviler Friedensdienst, Fachleute für den Frieden. Opladen 2000
Vogle, Kathrin: Wider die militärische Umarmung von Friedens- und Menschenrechtsprojekten. In: Friedensforum 3/2004
 

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