Kommentar

Ungleich religiösen Kriegen haben politische Kriege Lösungen

von Gershon Baskin

Es wird keine Hoffnung, Sicherheit oder Frieden in Jerusalem geben, bis Jerusalem die Hauptstadt von zwei Ländern ist – Israel und Palästina.

Es gibt keine akzeptablen Entschuldigungen für Gewalt und Terrorismus.

Töten ist Töten und führt nur zu noch mehr Töten. Die Gewalt in Jerusalem geht weiter und wird unglücklicherweise wahrscheinlich erst noch schlimmer werden, bevor es wieder besser wird. Der Terrorangriff am 18. November in einer Jerusalemer Synagoge erhöht den Hass, die Hetze und das Gefühl von Hoffnungslosigkeit und Angst. Israelis und Palästinenser leben in Jerusalem in Angst, und mit gutem Grund.

Die israelischen und palästinensischen Führungspersonen – politische und religiöse – dürfen kein Öl ins Feuer gießen. Stattdessen müssen sie zu Ruhe und einem Ende der Gewalt aufrufen. Friedensgruppen in Israel und Palästina – wie das Palästinensisch-Israelische NGO Friedensforum, in dessen Vorstand ich tätig bin, und andere Gruppen wie der Council of Religious Leaders of the Holy Land müssen zu Versammlungen von Israelis und PalästinenserInnen in Jerusalem aufrufen, um Unterstützung der Zivilgesellschaft für Frieden in Jerusalem auszudrücken – zwei Hauptstädte in Jerusalem für zwei Staaten. Der Rat hat ein sehr gutes Statement mit einer Verurteilung des Angriffs verfasst. Ich bin bereit, als Wache in palästinensischen Nachbarschaften in Ost-Jerusalem zu stehen, um Kindergärten und Moschee gegen mögliche Gewalt durch Vigilante-Gruppen zu schützen. Ich rufe PalästinenserInnen aus Ost-Jerusalem auf, als Wachen vor jüdischen Kindergärten und Synagogen in West-Jerusalem zu stehen.

Yoram Cohen, der Leiter der Shin Bet (der Israelischen Sicherheitsbehörde) hat gesagt, dass der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Präsident Mahmoud Abbas, nicht zu Gewalt aufrufe. Abbas und die Behörde lehnten in der Tat, so sagte er, die Gewalt ab und bekämpften sie.

Trotzdem fahren rechtsgerichtete israelischen Politiker, einschließlich Premierminister Benjamin Netanyahu, damit fort, gegen Abbas und die Autonomiebehörde zu hetzen. Die Behörde hat keine Verantwortung oder Zuständigkeit in Jerusalem. Ihre Polizei kann nicht in Jerusalem tätig werden – Israel erlaubt ihnen das Betreten der Stadt nicht. Der palästinensische Geheimdienst darf in Jerusalem keine Informationen sammeln. Ich erinnere die LeserInnen, dass die Information über die Mörder der drei Teenager von Gush Etzion von diesem Geheimdienst kam.

Jerusalem ist eine geteilte Stadt und eine Demonstration des Schreckens einer bi-nationalen Realität unter israelischer Kontrolle. Die palästinensischen Nachbarschaften in Ost-Jerusalem sind nie vollständig in die „vereinigte Stadt“ integriert worden. Die einzigen echten „Dienstleistungen“, die palästinensische Nachbarschaften in Ost-Jerusalem genießen, sind die der Grenzpolizei, die Nachbarschaften schließt (heute mit zusätzlichen Mauern und Checkpoints), die Zerstörung von Häusern und Besteuerung.

80% der PalästinenserInnen in Ost-Jerusalem leben unterhalb der Armutsgrenze. Ganze Nachbarschaften sind auf der anderen Seite der Trennmauer, ihre EinwohnerInnen aber haben weiterhin israelische Personalausweise. Ost-Jerusalemer PalästinenserInnen leben unter der ständigen Bedrohung, ihr Aufenthaltsrecht zu verlieren, so wie Tausende seit 1967. Sie haben israelische Personalausweise, aber ihr Rechtsstatus ist der, „Israel zu betreten“ – wenn in Wirklichkeit es Israel war, das ihr Land betreten hat.

Kein/e PalästinenserIn in Ost-Jerusalem hat ein Gefühl der Sicherheit in Bezug auf das Recht, in der eigenen Stadt leben zu dürfen. Wenn jemand aus Ost-Jerusalem jemand aus der West Bank heiratet, erlaubt Israel ihnen nicht, zusammen in Jerusalem zu leben. Sie müssen in der West Bank leben. Sie müssen ständig beweisen, dass Jerusalem ihr Lebensmittelpunkt ist, sonst verlieren sie das Recht, dort zu leben.

Die politischen und wirtschaftlichen Problem Ost-Jerusalems sind in den letzten Jahrzehnten gestiegen und werden immer schlechter, nicht besser.

Es gibt eine tiefe Diskriminierung gegen PalästinenserInnen in Ost-Jerusalem durch israelische Einrichtungen und die Regierung. Der rechtsgerichtete Bürgermeister von Jerusalem, Nir Barkat, hetzt gegen Palästinenser, und baut nicht nur in jüdischen Nachbarschaften über die Grüne Linie hinaus (was nach internationalem Recht offizielle Siedlungen sind), sondern auch tief in palästinensischen Nachbarschaften, mit dem Ziel, eine politische Lösung für lange Zeit unmöglich zu machen. Das palästinensische Ost-Jerusalem ist von Palästina abgeschnitten und auch nicht Teil von Israel. Es gibt keine funktionierenden palästinensischen Institutionen in Jerusalem und keine klare palästinensische Führung, mit der man sprechen kann. Viel davon ist das Ergebnis israelischer Politik.

Jerusalem ist mehr als je eine geteilte Stadt. Und dazu füge man die Flammen der Provokationen auf dem Haram a-Sharif / Tempelberg hinzu. Die Palästinenser glauben den israelischen Versprechen, dass der Status Quo des Haram a-Sharif / Tempelbergs erhalten bliebe, nicht. Sie sehen, dass Israel den Berg von Palästina isoliert und Muslime daran hindert, dort zu beten.

Sie glauben, dass die Pläne, von denen die Hamas und der Nördliche Zweig der Islamischen Bewegung sprechen, dass ein jüdischer Gebetsplatz auf dem Berg oder in der Moschee gebaut werden sollen, wahr seien. Sie glauben wirklich, dass al-Aksa in Gefahr ist.

Trotz der Tatsache, dass der Tempelberg der heiligste Ort der Juden in der ganzen Welt ist, müssen wegen der politischen und religiösen Realitäten und Empfindlichkeiten Juden, die dort beten wollen, schlicht auf den Messias warten oder zumindest, bis es einen echten und sicheren Frieden gibt, und man über diese Fragen rational sprechen kann, ohne Drohungen und Ängste vor jüdischen Plänen, die Moscheen zu zerstören. Die Mehrzahl der geistlichen Autoritäten in Israel und der ganzen Welt sehen dies so.

Netanjahus Pudel Ofir Akunis sagte heute, dass es keinen politischen Horizont mit den Palästinensern geben könne und dass wir nur einen „Sicherheitshorizont“ benötigten. Mit Netanjahu gibt es keinen politischen Horizont und keine Hoffnung, soviel ist klar. Solange er im Amt ist, wird es auch keine Sicherheit geben. Netanjahus Politik und sein Fehler jeglicher Vision oder Initiative für Frieden bringt Israelis in Gefahr – das ist auch klar.

In früheren Wahlen schrie Netanjahu, dass Shimon Peres Jerusalem trennen wolle. Er sagte, es gebe keine Sicherheit in Jerusalem und Peres sei schuld. Nun, Netanjahu, heute bist Du der Boss – und bist es schon seit langer Zeit. Es gibt keine Hoffnung in Jerusalem, keine Sicherheit und keinen Frieden.

Es wird keine Hoffnung, Sicherheit oder Frieden in Jerusalem geben, bis Jerusalem die Hauptstadt von zwei Ländern ist, Israel und Palästina.

Eine offene Stadt, die in Frieden lebt, und als die Hauptstadt von Israel und Palästina von der Welt anerkannt ist – das ist die Formel. Es ist möglich, dies zu erreichen, trotz aller Schwierigkeiten. Es gibt politische Lösungen für Jerusalem, die die Sicherheit für Israelis und Palästinenser vergrößert. Dies bleibt möglich, solange wir verhindern, dass der Krieg zwischen Israel und Palästina zum Krieg zwischen dem Judentum und dem Islam wird. Wenn ein politischer Krieg ein religiöser Krieg wird, verschwinden die Chancen für Kompromiss und Sich-Verstehen sehr schnell. Wir dürfen nicht zulassen, dass das geschieht.

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Gershon Baskin ist Co-Vorsitzender von IPCRI, dem Israel Palestine Center for Research and Information, Kolumnist von The Jerusalem Post und der Initiator und Verhandlungsführer der geheimen Verhandlungen für die Freilassung von Gilad Schalit. Er ist auch Autor des Aachener Friedensmagazins www.aixpaix.de.