Eine Ausstellung im Friedensmuseum Nürnberg

Unsere Großeltern: die Friedensbewegung der 50er

von Birgitta Meier
Schwerpunkt
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Das Friedensmuseum Nürnberg ist kein "normales" Museum, sondern ein Ort der Friedenserziehung, ein Ausgangspunkt für gewaltfreies Denken und Handeln. Nicht trocken und abstrakt, sondern als Geschichte Einzelner, die zeigen, dass "Frieden machbar ist".

Unser bisher größtes Projekt soll die Friedensbewegung der 50er Jahre vergegenwärtigen. Die Ausstellung "Nürnberger Bürgerinnen und Bürger engagieren sich gegen Krieg und Gewalt in den 50er Jahren" ist das Ergebnis einer zweijährigen Arbeit.

Es waren jene stürmischen Jahre, in denen der Kampf gegen die Wiederbewaffnung, dann der Kampf gegen die Atombewaffnung verloren wurde. Diesen Kampf wollten wir darstellen - aus der Perspektive der AktivistInnen vor Ort. Die "große" Geschichte ist bekannt, auch aus der Sicht der Friedensbewegung. Aber wie erlebten es die damals Beteiligten? Wer waren die Akteure, was ihre Motivation, ihre Ziele?

Also kämpften wir uns durch Bibliotheken und dicke Bücher, wir stöberten in Zeitungsarchiven, bei der DFG-VK, im Stadtarchiv. Und wir wurden fündig: wir waren überrascht von der Fülle des Materials, von der Vielfalt der Aktivitäten insbesondere in den frühen 50er Jahren, in denen wir eine allgemeine politische Abstinenz angenommen hatten ("Ohne mich"). Wir suchten nach Zeitzeugen: Zwar leben viele der damaligen AktivistInnen nicht mehr, andere standen uns bereitwillig für Interviews zur Verfügung, vermachten uns Erinnerungsstücke. So bekam der Widerstand gegen die Remilitarisierung für uns ein sehr direktes, menschliches Gesicht. Wir stießen immer wieder auf bemerkenswerte Aktionen, die es wert sind, bewusst gemacht zu werden.

Beispiele: Schon Ende der 40er Jahre gab es eine Kampagne zum Verbot des Verkaufs von Kriegsspielzeug auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt. Schließlich beugte sich der Stadtrat. Das Verbot ist bis heute gültig, auch wenn den meisten Marktteilnehmern der Ursprung nicht bekannt sein dürfte.
 

Eindrucksvoll ist auch die "Demonstration der 100 000" im Jahr 1950, organisiert vom DGB. Vor der Kulisse der zerstörten Altstadt fordern die Transparente: "Brot statt Kanonen, mehr Lohn statt Divisionen!" Eine FDJ-Gruppe demonstriert unter dem Transparent: "Nie wieder Bombennächte!" und sammelt Unterschriften für den Stockholmer Appell, der die Ächtung der Atomwaffen fordert.

Kriegsdienstverweigerung war bereits ein wichtiges Thema, bevor die neue Armee Wirklichkeit wurde. Eine der aktivsten Gruppen in Nürnberg war die "Internationale der Kriegsdienstgegner". Nachdem 8 Leute beim verbotenen Plakatieren erwischt worden waren, erhielten sie vom Amtsgericht einen Strafbefehl über jeweils 3,- DM Strafe zuzüglich 2,50 DM Schreibgebühr. Sie beschlossen, dies nicht zu bezahlen, dies käme ja letztlich der Remilitarisierung zugute, sondern lieber ins Gefängnis zu gehen, und organisierten den Gang zum Gefängnis unter Einbeziehung der Presse als Demonstration.

Richtig spannend ist die öffentliche Auseinandersetzung über Atomwaffen für die Bundeswehr. Da war einerseits eine allgemeine "Atom-Euphorie", spürbar beispielsweise im Film ´Atomic Cafe`. Und während in Nevada oder im Pazifik Hunderte von offenen Bombentests stattfanden, warnt der Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer vor den Gefahren freigesetzter Radioaktivität. Nur Adenauer erklärt die nuklearen "Gefechtsfeldwaffen" zur logischen Weiterentwicklung der Artillerie, und auf diese "modernsten" Waffen könne man natürlich nicht verzichten. Dies löst die öffentliche Verweigerung der Göttinger Professoren aus, in Nürnberg bildet sich eine Friedensinitiative aus höchst prominenten Persönlichkeiten des städtischen Lebens, das "Bürgerkomitee gegen Atomgefahren". Ihr Aufruf an die Bürger der Stadt ist ein zeitlos wichtiges Dokument (siehe Infokasten), selbst wenn wir alle uns inzwischen an die öffentliche Bagatellisierung dieser Gefahren gewöhnt haben.

Das Nürnberger Bürgerkomitee bleibt aktiv, 1958 heißt die zentrale Kampagne "Kampf dem Atomtod", auch in Nürnberg findet eine große Kundgebung in der Messehalle statt. Als es dann 1959 darum geht, in Nürnberg eine amerikanische Einheit für nuklear bestückbare Kanonen, die "Atom-Annies", zu stationieren, beherrscht das Thema eine Woche lang die Medien und den Stadtrat.

Die Liste solch bemerkenswerter Aktivitäten ließe sich fortsetzen. Lässt sich aus solchen Schlaglichtern ein zutreffendes Bild "unserer Friedensgroßeltern" gewinnen? Wir wählten zwei Wege, den allgemeinen und den persönlichen: Die Ausstellung besteht aus einer Synopse der "großen" Geschichte mit den lokalen Ereignissen, die mit Pressefotos erläutert sind. Dazwischen stehen die Biografien exemplarischer lokaler AntimilitaristInnen, angereichert mit persönlichen Erinnerungsstücken. Unsere Bibliothek stellt daneben Bücher zum Thema Krieg und Frieden aus den 50er Jahren aus - einfache politische Bekenntnisschriften, Bücher von Albert Schweitzer, Robert Jungk, auch Dichter wie Alfred Andersch und Hans Henny Jahnn.

Die Ausstellung ist bis November geöffnet und bietet auch ein reichhaltiges Begleitprogramm. Ein kurzer Gang durch das Friedensmuseum ist auch im Internet möglich: http://www.friedensmuseum.odn.de (dort sind auch unsere früheren, ausleihbaren Ausstellungen beschrieben). Wir wollen unser Material auch auf CD herausgeben und an Interessierte zum Selbstkostenpreis verteilen. P.S. Über Dokumente, Bücher und "Erinnerungsstücke" aus der Geschichte der Friedensbewegung freuen wir uns natürlich immer besonders! (Wir sammeln weiter, demnächst sind die 60er dran.)

Birgitta Meier + Dr. Wolfgang Nick, Friedensmuseum Nürnberg, Kaulbachstr. 2, 90408 Nürnberg, tel+fax: 0911-3609577, geöffnet mo 17-19, mi + fr 15-17 Uhr

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Birgitta Meier engagiert sich im Friedensmuseum Nürnberg.