Unterschiedliche Formen des Terrorismus

von Peter Barth

Terrorismus entsteht aus unterschiedlichen Motiven. Anhand dieser Unterschiede lassen sich seine verschiedenen Formen definieren. Eine Zuordnung ist jedoch nie eindeutig möglich. Die Ziele überschneiden sich häufig oder gehen ineinander über. Außerdem treten vergleichsweise exotische Terrorgruppen auf, die sich jeglicher Kategorisierung entziehen, zum Beispiel radikale Feministinnen oder radikale Tier- und Umweltschützer.

Ethno-nationalistischer / separatistischer Terrorismus
Nationalistisch-separatistischer Terrorismus entsteht dort, wo sich beispielsweise Volksgruppen von einer Besatzungsmacht oder ethnische Minderheiten von der Mehrheit bedroht sehen. Ursachen hierfür sind direkte Diskriminierungen, z.B. bei der Vergabe von öffentlichen Ämtern und im Wirtschaftsleben, oder Druck, sich der Mehrheit anpassen zu müssen. Der Staat verbietet, mit dem Ziel eine möglichst homogene Nation zu schaffen, kulturelle Besonderheiten der Minderheit wie die eigene Sprache oder besondere Bräuche. Separatistische Organisationen berufen sich in der Regel auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Die ETA (Euzkadi ta Azkatasuna, Baskenland und Freiheit) in Spanien und die IRA (Irish Republican Army) in Nordirland sind die bekanntesten Beispiele in Europa. Die bedeutendste nationalistisch/separatistische Terrorgruppe außerhalb Europas stellte lange Zeit die PLO (Palestine Liberation Organization) dar.

Sozialrevolutionärer Terrorismus
Der sozialrevolutionäre Terrorismus zielt auf die Errichtung einer klassenlosen sozialistischen/kommunistischen Gesellschaft. Er bekämpft den demokratischen Verfassungsstaat als Garant eines kapitalistischen Systems und wegen seines angeblich repressiven Charakters. In Europa bildeten sich linke Terrorgruppen aus den Resten der Studentenbewegung. In Deutschland waren die Roten Zellen / Bewegung 2. Juni und die Rote Armee Fraktion (RAF) aktiv. Die Kleingruppen verstanden sich als Teilnehmer eines sozialrevolutionären Guerillakampfes, der, wie in China, Cuba oder Vietnam, die Massen in Tiefe und Breite mobilisieren sollte. Mit der selbst gewählten Bezeichnung "Rote Armee Fraktion" machte die RAF ihren Anspruch deutlich, eine militärische Teilformation einer internationalen Weltbürgerkriegsarmee zu sein. In ihrer aktiven Zeit pflegte die RAF Kontakte zu Terrorgruppen in anderen Ländern mit ähnlichen Zielen, wie der Action Directe in Frankreich, der Brigate Rosse (Rote Brigaden) in Italien oder der Cellules Communistes Combattantes in Belgien.

Die RAF bildete sich Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre unter der Führung von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Zunächst verübten sie eine Reihe von Banküberfällen und Brandanschlägen. Bei einer Serie von Anschlägen im Mai 1972 kam es zu zahlreichen Toten und Verletzten. Wenige Wochen später wurde die Führung der RAF verhaftet. Eine zweite Generation setzte die Anschläge mit dem Ziel, ihre Gesinnungsgenossen frei zu pressen, fort. Einen Höhepunkt erreichte der Terror der RAF im Herbst 1977 mit der Entführung und späteren Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hans Martin Schleyer und der gleichzeitig stattfindenden Entführung einer Lufthansa Maschine nach Mogadischu durch ein palästinensisches Unterstützungskommando. Als diese Aktion scheiterte, nahmen sich die verhafteten Gründungsmitglieder der RAF in ihren Zellen das Leben. In den folgenden Jahren nahm die Bedeutung der RAF ab. Einige Aktivisten nahmen Kontakt zur Stasi in der DDR auf und erhielten dort durch das MfS (Ministerium für Staatssicherheit) eine gewisse logistische Unterstützung. Bis in die frühen 90er Jahre gingen einzelne Mordanschläge auf das Konto der RAF. 1992 erklärte die RAF einen Waffenstillstand und sechs Jahre später lösten sich die Überbleibsel der Terrorgruppe offiziell auf.

1975 beschrieb Manfred Schreiber (Polizeipräsident von München) in einem Aufsatz "Verändert der Terrorismus unsere freiheitliche Grundordnung?" die Folgen: Die bedrückende Präsenz der Sicherheitsorgane, weitreichende Eingriffe in das Rechtssystem, Verschlechterung des Ansehens der Bundesrepublik in der Welt, Veränderungen des innenpolitischen Klimas.

Nationalrevolutionärer Terrorismus
Anders als ihre linken Antagonisten konnten rechte terroristische Vereinigungen mit dem Ziel, einen faschistischen oder völkisch / nationalsozialistischen Staat zu errichten, in Deutschland nie eine große Bedeutung in der öffentlichen Diskussion erreichen. Es gab sie seit den Siebzigern auch in Deutschland. Schwere Straftaten wurden von der Aktionsfront Nationaler Sozialisten (ANS) und der Wehrsportgruppe Hoffmann verübt. Ein Mitglied der Wehrsportgruppe, Gundolf Köhler, verübte 1980 einen Anschlag auf das Münchner Oktoberfest, dabei wurden 13 Personen getötet und 219 verletzt. In den 80er Jahren wurden vereinzelt Anschläge auf Angehörige der amerikanischen Armee verübt.

Vigilantistischer Terrorismus
Vigilantistischer Terrorismus bezeichnet Terrorismus im Sinne des Staates oder der etablierten Ordnung. Diese Gruppen glauben entweder mit der Duldung des Staates oder der der Bevölkerungsmehrheit zu kämpfen. Sie wollen entweder gesellschaftliche Änderungen verhindern oder gegen eine angebliche Bedrohung durch Kriminelle vorgehen. Vigilantistische Terroristen halten den Staat und seine bestehenden Gesetze für zu schwach, um die herrschende Ordnung zu schützen. Sie entstehen entweder aus dem Umfeld des Staates und seiner Sicherheitsorgane oder aus der dominanten Gesellschaftsgruppe. Ein Beispiel ist die Ku Klux Klan - Bewegung. Ihr Ziel war es, die Diskriminierung der Schwarzen in Amerika beizubehalten, um so die weiße Vormachtstellung zu bewahren. Protestantische Terrorgruppen in Nordirland wie die Ulster Defence Assosiation (UDA) setzten sich für die Beibehaltung des Status quo, das heißt für einen Verbleib Nordirlands im Vereinigten Königreich, ein. Die UDA bekämpft direkt katholische Gruppen, die dies gefährden. In Spanien traten zwischen 1983 und 1987 die Grupos Antiterroristas de Liberacion (GAL) auf. Sie verübten Mordanschläge auf Sympathisanten und aktive Mitglieder der ETA, die sich in Frankreich versteckt hielten. Wie sich später herausstellte, handelten diese Gruppen, die überwiegend aus Polizisten und Geheimdienstmitarbeitern bestanden, im Auftrag oder zumindest mit der Billigung des Spanischen Innenministeriums.

Religiöser / fundamentalistischer Terrorismus
In letzter Zeit wird in der Öffentlichkeit der religiös-fundamentalistische Terrorismus als stärkste Bedrohung für die Sicherheit wahrgenommen. Er ist jedoch nicht nur auf den Islam begrenzt, sondern tritt in allen Weltreligionen auf. Religiös-fundamentalistischer Terrorismus ist gekennzeichnet durch die Begründung politischer Forderungen durch religiöse Gebote. Die Trennung von Staat und Religion wird aufgehoben. Islamistische Fundamentalisten und ihre terroristischen Ausläufer sehen ihr Handeln durch ihren Glauben legitimiert. Fundamentalismus ist immer eine Gegenreaktion auf Modernisierungsprozesse und die damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen. Dabei versucht der islamische Fundamentalismus = Islamismus in erster Linie, die aus seiner Sicht zerrüttete innere Ordnung der muslimischen Gesellschaft wieder herzustellen und in den jeweiligen Ländern an die Macht zu kommen, und erst in zweiter Linie, die Idee des Islamismus zu verbreiten. Zu ihnen gehören u.a. die Hamas (Islamische Wiederstandsbewegung) und Djihad Islami in Palästina und die shiitische Hisbollah (Partei Gottes) in Libanon. 

Sektiererischer Terrorismus
In den letzten Jahren haben immer wieder sektiererische Gruppen zum Mittel des Terrorismus gegriffen. Ähnlich wie religiös-fundamentalistische Gruppen sehen sie ihr Handeln durch eine höhere Macht legitimiert. Grundlage bilden hier jedoch nicht die großen Religionen, sondern Offenbarungs- und Verschwörungstheorien, apokalyptische und diffuse religiöse Vorstellungen. In Japan verübte die Aum Sekte ("höchste Wahrheit") am 20. März 1995 Giftgasanschläge mit dem Nervengas Sarin auf die U-Bahn Tokyos, bei denen 12 Personen starben und über 4.000 verletzt wurden. Die in den 80er Jahren von dem Wunderheiler Shoko Asahara gegründete totalitäre Sekte sah in den Anschlägen die einzige Möglichkeit, einen drohenden Untergang Japans zu verhindern und ein Reich des Friedens zu schaffen. Zu ihren stärksten Zeiten zählte sie etwa 10.000 Anhänger, dazu kamen etwa 30.000 in Russland.

Innerhalb der religiösen Rechten in den USA, der Christian Patriots, gibt es ebenfalls sektiererische Elemente. Sie sehen das ursprüngliche Amerika von einer Verschwörung aus UNO, Judentum und Schwarzen bedroht, die versuchen, mit Hilfe der Washingtoner Zentralregierung alle Amerikaner zu entwaffnen und zu versklaven. Um dies zu verhindern bildeten sich in vielen Bundesstaaten Bürgerwehren und Milizen. So soll die Militia of Montana (MOM) über 12.000 Mitglieder verfügen. Aus diesem Umfeld stammte Timmothy McVeigh, der 1995 einen Bombenanschlag auf eine Bundesbehörde in Oklahoma verübte und in-zwischen hingerichtet wurde.

Der Text wurde den “Denkanstössen” Nr. 46 zum Thema “Terrorismus im Zeitalter der Globalisierung” der Studiengesellschaft für Friedensforschung e.V. München entnommen und von der Redaktion gekürzt. Siehe www.studiengesellschaft-friedensforschung.de

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Dr. Peter Barth (Dipl.-Ing. (FH), Dipl.sc.pol.) war Berufsoffizier in der Bundeswehr und hat(te) Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen. Derzeit nimmt er eine Vertretungsprofessur "European Studies" in der Hochschule für angewandte Wissenschaften München wahr.