Die Rechte und die Friedensbewegung

Unterwanderungsversuche abwehren

von Christine Schweitzer

In den letzten Wochen hat eine sog. „Friedensbewegung 2014“ oder „Mahnwachen-Bewegung“ auf sich aufmerksam gemacht. Seit März finden immer wieder in verschiedenen Städten Mahnwachen und Demonstrationen statt, die teilweise – so in Berlin – mehr Menschen anzogen als die Ostermärsche. (So waren es in Berlin am Ostermontag 1.500 Personen; der Ostermarsch zwei Tage zuvor zählte nur 1.000.) Mobilisiert werden die überwiegend jungen TeilnehmerInnen vor allem über Facebook und das Internet. Betroffen über die Krise in der Ukraine oder andere aktuelle friedenspolitische Ereignisse kommen sie zusammen, ohne in vielen Fällen überhaupt zu wissen, wer den Anstoß für die Proteste gegeben hatte. Aber die Demonstrationen waren nicht wirklich spontan, sondern ihre OrganisatorInnen scheinen geleitet von rechtsextremistischem Gedankengut.

Die Bewegung wurde initiiert durch Lars Mährholz, einem bislang unbekannten jungen Unternehmer, der Mitte März über seinen Facebook-Account (1) zur Montagskundgebung gegen die Federal Reserve Bank (FED), die privatwirtschaftlich organisierte US-Notenbank, am Brandenburger Tor aufrief. Eine Erklärung, warum gerade die FED die Ursache allen Übels sein soll, blieben die Veranstalter zunächst schuldig.

„[In einem Interview von “The Voice of Russia Berlin” vom 7. April] sagt [Mährholz]: ‚Woran liegen alle Kriege in der Geschichte in den letzten 100 Jahren? Und was ist die Ursache von allem? Und wenn man das halt alles ‘n bisschen auseinander klamüsert und guckt genau hin, dann erkennt man im Endeffekt, dass die amerikanische Federal Reserve, die amerikanische Notenbank – das ist eine Privatbank, dass sie seit über hundert Jahren die Fäden auf diesem Planeten zieht. (2)

Einen verhängnisvollen Sinn macht diese Anklage, wenn man sie in Verbindung damit setzt, dass Mährholz die Familie Rothschild als Besitzer der Bank benennt (3) (tatsächlich ist sie eine von mehreren) (4) und sich dann anschaut, wie alte und neue Nazis von einer „Verschwörung des Weltjudentums“ faseln. Es gibt noch zahlreiche Zitate der gleichen Denkart, Zitate von MitstreiterInnen, die den Holocaust relativieren, und offen ausländerfeindliche Äußerungen im Umfeld, die dokumentiert worden sind und nachgelesen werden können. (5) Sie können hier nicht alle zitiert werden, aber wer selbst über die hier genannten Quellen hinaus weiter recherchieren möchte, braucht nur „Friedensbewegung 2014“ in seiner/ihrer Suchmaschine einzugeben und wird schnell fündig. (6) Auch ein Blick auf die Facebook-Seite der Bewegung und die dort jetzt angefangene Auseinandersetzung um diese Themen ist lohnenswert. (7)

Zwei Namen aus dem Umfeld von Mährholz sollen aber noch erwähnt werden: Ken Jebsen und Jürgen Elsässer. Ken Jebsen ist ein Verschwörungstheoretiker, der beim Rundfunk Berlin-Brandenburg aufgrund von antisemitischen und verschwörungstheoretischen Äußerungen seine Radiosendungen einstellen musste und seitdem ein eigenes Presseportal, das KenFM (8), betreibt. Er ist außerdem Autor in der Zeitschrift Compact. (9) Über Jürgen Elsässer, einem der Redner auf einer Berliner Veranstaltung der „Friedensbewegung 2014“, haben wir bereits im Friedensforum 2/2009 berichtet. Er ist Chefredakteur von Compact und gehört zu jenen Personen, die sich selbst nicht als Rechtsextreme bezeichnen, deren Äußerungen und Kontakte aber entsprechende Vorwürfe mehr als plausibel machen. Auf der Seite von Compact fordert er: „Solidarität mit Ken Jebsen und Lars Mährholz!“ (10)

Immer wieder tauchen Bezüge zur NPD auf. So verlinkte Mährholz seine Website mit einem Stadtrat und Mitarbeiter der sächsischen NPD-Landtagsfraktion, Karl Richter. Richter sitzt für die „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ im Münchner Stadtparlament. (Als dies bekannt wurde, löschte Mährholz den Link, der aber zuvor von genügend KritikerInnen gesehen wurde und bezeugt werden kann.) Indymedia (s. Anm. 3) schreibt, dass auf der Homepage des NPD-Kreisverbandes Leipzig über eine der Mahnwachen gestanden hätte: “Zwischen den Redebeiträgen schallten immer wieder die Rufe ‘Wir sind das Volk’ und ‘Wir sagen Nein zum Heim’ [meint wohl ein Flüchtlingsheim; Anm. d. Red.] über den Versammlungsplatz.” Und wirklich vielsagend wird es, wenn man sich auf die Homepage der NPD wagt. Dort ist direkt auf der ersten Seite ein Link zu einem Beitrag mit dem Titel zu finden: "Friedensbewegung 2014 - Die NPD ist dabei!" Wer dies nur als Anbiederung nach dem typischen Muster der Rechtsextremen sieht: Gewöhnlich wehren sich diejenigen, an die sich die Rechten anbiedern wollen, öffentlich. Bei Mährholz und Elsässer findet man viel Ausdruck von Empörung dagegen, dass sie als Rechtsextreme tituliert werden, aber eine Distanzierung findet man nicht.

Inzwischen hat sich in einigen Städten – zumindest in Aachen und Stuttgart – herumgesprochen, welche rechten Verbindungen die Initiatoren der „Friedensbewegung 2014“ haben - auch weil von Seiten von FriedensaktivistInnen das Gespräch gesucht wurde. In Aachen führte dies zu einer auch im Internet schriftlich verbreiteten Distanzierung. In einem neuen, Ende April veröffentlichten Text der Aachener Gruppe heißt es u.a.: „Ein ... von uns angestrebter, globaler Dialog schließt jeden Menschen ungeachtet seines Alters, sowie seines sozialen, kulturellen und religiösen Hintergrundes ein. Die Friedensbewegung stellt die Würde des Menschen in den Mittelpunkt und bietet deshalb keinerlei Raum für Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und weiteren Extremismus jeglicher Art. In diesem Sinne solidarisieren wir uns mit der Aachener Initiative ‚Wir sind Aachen. Nazis sind es nicht‘. Ebenfalls möchten wir uns mit unserer Arbeit für die Förderung, Achtung und Einhaltung der Menschenrechte einsetzen.“ (12) Dass es zu solchen Prozessen kommen konnte, ist das Verdienst einzelner Friedensaktivisten wie Otmar Steinbicker in Aachen, die den Dialog mit der Gruppe suchten. Inzwischen ist die Facebook-Seite „Studenten/Friedensbewegung 2014“ keine Seite mehr, wo sich die Rechten tummeln, sondern Ort einer kritischen Auseinandersetzung mit ihnen.

Leider gilt dies nicht für alle Städte. Besonders in Berlin scheinen weiterhin die Rechten um Mährholz den Ton anzugeben, obwohl auch von dort erste kritische Töne vermeldet werden.

Schon 2009 beschrieben wir im Friedensforum 2 mit dem Schwerpunkt zu Rechtsextremismus, wie Rechtsextreme versuchen, sich an soziale Bewegungen anzubiedern und von ihnen organisierte Ereignisse – Demonstrationen, öffentliche Diskussionen – zu benutzen, um für ihre Sache Propaganda zu machen. Christoph Butterwegge, Politikwissenschaftler in Köln und einer der Kenner der Szene, schrieb dort: „Nach einer längeren Schwächeperiode droht der Rechtsextremismus künftig wieder mehr Einfluss zu gewinnen, ohne dass man sich dieser Gefahr bewusst wäre. Ein möglicher Grund dafür dürfte in seiner enormen Flexibilität, großen Anpassungsfähigkeit und geschickten Mimikry liegen.“ Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, dass die „Friedensbewegung 2014“ ein neuer Versuch ist, die ehrliche Betroffenheit und die Sorge junger Menschen auszunutzen und für die eigenen – letztlich das Gegenteil von friedlichen – Absichten zu missbrauchen.

Diese Täuschungsversuche zu stoppen, ist die Aufgabe aller Friedensbewegten. Lasst uns den Dialog suchen mit jenen, die an Veranstaltungen der „Friedensbewegung 2014“ teilnehmen. Nicht mit der message, „Kommt doch zu uns“, auch wenn es natürlich schön wäre, wenn diejenigen, die jetzt bei den Mahnwachen der „Friedensbewegung 2014“ mitmachen, in Zukunft bei echten Veranstaltungen der Friedensbewegung dabei wären. Aber das Anliegen einer neuen Generation, eigene Organisationsformen zu finden, ist völlig legitim und äußerst produktiv. Es geht darum, deutlich zu machen, wer die Initiatoren der „Friedensbewegung 2014“ sind, dass es sich dabei nicht um einen Zufall, sondern um eine gut durchdachte Strategie der Rechtsextremen handelt. Und andererseits gilt es, Prozesse der Loslösung von Mährholz und Co anzustoßen, wie sie sich derzeit in Aachen und Stuttgart zu entwickeln scheinen.

Anmerkungen
(alle Seiten zuletzt abgerufen am 28.4.14)

1 https://www.facebook.com/lars.maehrholz

2 Link: https://www.youtube.com/watch?list=PL7KDgVubf8lpoHg5SxxaOZQ-GP8PDVjRi&fe...

3 Indymedia weist auf diese Verlinkung hin, siehe https://linksunten.indymedia.org/de/node/110793

4 http://boerse.ard.de/boersenwissen/boersenwissen-fuer-fortgeschrittene/d...

5 Besonders verdient um solche Recherchen haben sich Jutta Ditfurth und Otmar Steinbicker gemacht. Jutta Dithfurth: Email vom 16.4.2014 mit dem Betriff: „Auseinandersetzung mit den neuen Rechten: Jürgen Elsässer / Ken Jebsen / Lars Mährholz“ und ihre Facebook-Seite https://www.facebook.com/Jutta.Ditfurth. Otmar Steinbicker: Siehe seine Seite www.aixpaix.de.

6 Siehe auch Zeit Online vom 22.4.2014, Frida Thurm, Die ganz eigene Welt der Montagsdemonstranten, http://www.zeit.de/gesellschaft/2014-04/montagsdemo-mahnwache-frieden-be...

7 Facebook/com.studentenbewegung2014 („Friedensbewegung 2014“ wird dorthin umgeleitet).

8 www.kenfm.de. Jebsen soll sich angeblich inzwischen aus der Bewegung zurückgezogen haben.

9 https://www.compact-magazin.com/ Die Zeitschrift wehrt sich gegen den Vorwurf, den Rechten nahezustehen und verweist auf zahlreiche AutorInnen aus dem linken und grünen Spektrum.

10 http://juergenelsaesser.wordpress.com/2014/04/12/jutta-ditfurth-die-schr...

11 http://ds-aktuell.de/?p=3680

12 www.aixpaix.de

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.