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"Unzweifelhaft bedeutet die militärische Nutzung auch eine Belastung von Umwelt und Natur."
vonSeit Mitte der achtziger Jahre versucht die Bundeswehr intensiv, ihre Bemühungen im Umweltschutzbereich öffentlichkeitswirksam darzustellen. Mit Hilfe einer propagandistischen Offensive, die Anfang der 90er Jahre ihren Höhepunkt erreicht hat, wird mit Halbwahrheiten und aufgeblähten Fakten allen Ernstes versucht, die Bundeswehr als den größten Umweltschützer unserer Nation aufzubauen. Inzwischen sollen z.B. über eine Milliarde DM der Militärausgaben jährlich im Umweltschutz ausgegeben werden, also etwa so viel wie im Etat des Bundesumweltministers enthalten sind. (Der Etat des Umweltministers für 1993 beträgt ca. 1,3 Milliarden DM.)
Die Bundeswehr arbeitet schon lange Zeit an ihrem Umweltschutz-Image, ohne daß erkannt wurde, daß das Militär auch versucht, ökologische Schutzfunktionen zu übernehmen und somit den Umweltschutz zu militarisieren. Spätestens mit der Vorlage des Bundesministeriums für Verteidigung für den Verteidigungsausschuß im Januar 1992 wurde deutlich, daß der Sicherheitsbegriff und damit die Aufgaben der Bundeswehr erweitert werden sollen. Die Bundeswehr will und soll mit dabei sein, wenn es um die "Förderung und Absicherung weltweiter (!) politischer, wirtschaftlicher, militärischer und ökologischer Stabilität" geht.
Ein "Wandel der militärischen Funktionen" soll helfen, das Militär in der Bundesrepublik gegenüber ökologischer Kritik zu legitimieren. Gleichzeitig trägt der Funktionswandel zur neuen Sinnstiftung der Bundeswehr bei.
Bei einer Analyse muß zwischen diesen Legitimationsversuchen und den ökologischen Fakten andererseits unterschieden werden. Eine Kritik der Umweltschutzausgaben und eine Darstellung der Daten und Fakten in den Bereichen Ressourcennutzung und Umweltzerstörung wurde parallel zu dieser Entwicklung erarbeitet und publiziert und muß auch für eine zukünftige Bewertung der Bundeswehr fortgeführt werden. Es erscheint jedoch notwendig, das Umweltschutzbestreben der Bundeswehr selbst zu analysieren, um Aussagen zum zukünftigen Stellenwert dieses Bereichs im Militärapparat zu erhalten.
Die zentrale Frage ist aber, wer in Zukunft welche ökologischen-strategischen Ressourcen kontrolliert. Die Bundeswehr hat sich inzwischen mit Abstand die beste Position aller gesellschaftlichen Gruppen erarbeitet. Dabei geht sie planstabsmäßig vor. Sie paßt sich nach außen hin den ökologischen und gesellschaftlichen Erfordernissen an und sichert sich dabei gleichzeitig den Zugriff auf zentrale ökologische Funktionen.
Militarisierung der Ökologie
In die Zentrale Dienstvorschrift (ZdV 10/1) "Innere Führung" wurde neuerdings folgender Satz aufgenommen:
"Militärisches Handeln erfordert oft eine Abwägung zwischen verschiedenen Rechtsgütern. Der Schutz von Leben und Gesundheit der Soldaten und Dritter und der Schutz der Umwelt haben im Frieden Vorrang vor der Erfüllung anderer Aufgaben" (BMVg 1991, S.18).
Dieser verbale Wandel ist perfekt konzeptioniert, hat aber leider kaum ökologische Konsequenzen. In der "Fachkonzeption Umweltschutz der Bundeswehr", die im Oktober 1990 vom Verteidigungsministerium erlassen wurde (SIV 3 Az6-3-25-00/20) und die für den gesamten Verantwortungsbereich des BMVg gilt, heißt es: "Angesichts abnehmender militärischer Bedrohung und zunehmender Umweltschäden und -gefährdungen werden Streitkräfte nicht allein nach ihrer Fähigkeit bewertet, den Frieden zu erhalten, sondern auch danach, welche Rücksicht sie dabei auf die Umwelt nehmen, und welchen aktiven Beitrag sie zu ihrem Schutz leisten können.“
Im Ausblick wird zusammenfassend festgestellt: "Der Handlungsbedarf zum Schutz der Umwelt wird weiter steigen. Erhebliche Finanzmittel zur Sanierung und für die Umweltvorsorge werden notwendig werden. Eine neue, umfassende Sicherheitskultur für die Industriegesellschaft in Deutschland zeichnet sich ab, um die Umwelt nachhaltig wiederherzustellen.“
Der Schlußsatz dieser Konzeption verdeutlicht, daß es sich um eine getarnte Akzeptanzstudie handelt, die gleichzeitig eine entscheidene Argumentationshilfe und Grundlage für den zukünftigen staatlichen Umweltschutz ist: "Mit dieser Fachkonzeption erhält der Umweltschutz der Bundeswehr den Stellenwert, der ihm aufgrund der gesellschaftspolitischen, naturwissenschaftlich-technischen und aktuellen militärischen Entwicklung zugestanden werden muß. Dies setzt ein neues, mitverantwortliches Denken bei allen Bundeswehrangehörigen voraus. Eine intakte Umwelt vermittelt dem Frieden in Freiheit höhere Qualität".
Dahinter steht die Vision der Bundeswehr als einer ökologischen Elite. Demnächst könnte es also einen Minister für Verteidigung und Sicherheitskultur mit leitender Funktion in einer Ökodiktatur geben. Das Militär wird zum "Ökotär" (Vogt). Dieses Dokument ist ein erster Baustein für eine militarisierte Ökologie ...
Um den Widerspruch zwischen den realen Umweltbelastungen und Zerstörungen durch den Militärapparat und der Umweltschutzpropaganda zu verschleiern, werden verbal große Zugeständnisse an das Verhalten der Bundeswehr gemacht. Mit der Praxis stimmt dies nicht überein und vor allem, und dies ist entscheidend, werden keine rechtlich verbindlichen Aussagen getroffen. So werden z.B. noch immer Planungs- und Umweltgesetze von "Militärklauseln" durchzogen, die das Militär von jeweiligen Umweltschutzregelungen freistellen.
Die Bundeswehr ist bemüht, daß nur bestimmte Informationen aus dem Umweltbereich an die Öffentlichkeit geraten. So hat die Bundeswehr bis heute keine Daten über die FCKW-Emissionen der Truppe veröffentlicht, ebenso wenig wurde ein Schadstoffkataster oder ein Ressourcenindex erstellt.
Bundesland Bundeswehr
Das derzeit größte "Beschaffungs“-vorhaben der Bundeswehr ist die Übernahme möglichst vieler Militärareale in der ehemaligen DDR. Die Flächennutzung pro Soldat soll im Endeffekt verdoppelt werden. Rechnet man alle militärisch genutzten Flächen zusammen, so ergäbe dies ein Gebiet, das die Bundeswehr quasi zum elftgrößten Bundesland machen würde. Das Militär kann eine noch einmal mindestens ebensogroße Fläche kontrollieren. Im Wesentlichen geschieht dies über das Schutzbereichsgesetz, in dem der Bundeswehr z.B. Flächen für den Objektschutz zugewiesen werden. Dadurch würde es an die achte Stelle in dieser Liste rücken. Hier sind solche Flächen noch nicht mitgerechnet, die die Bundeswehr insofern "dominiert", als erhebliche Einschränkungen durch Flug- oder Schießlärm auftreten.
Addiert man die Zahlen aus West- und Ostdeutschland, so beträgt die direkte militärische Landnutzung in Deutschland derzeit mindestens 1,1 Mio. ha und mit Schutzbereichen mind.1,9 Mio. ha, entsprechend ca. 3 % bis 5 % der Fläche der Bundesrepublik.
Dazu kommt neben Flugplätzen, Kasernen u.a. in Deutschland eine Militärübungsfläche von 244.000 ha geben. Zum Vergleich: Das Saarland hat eine Größe von 257.000 ha.
Im neuen Truppenübungsplatzkonzept der Bundeswehr wird dieser Flächenfraß auch damit legitimiert, daß sie - wo immer möglich - militärische Einrichtungen für Übungen nutzen wolle. Dies ist aber nur eine Absichtserklärung. So werden die Großmanöver mit den NATO-Partnern, wie z.B. das REFORGER-Manöver vom Oktober 1992 mit 20.000 Soldaten, auch weiterhin auf freiem Felde stattfinden. Immerhin ist ein positiver Aspekt insofern zu vermerken, als die öffentlich bekanntwerdenden Manöverschäden durch dieses Vorgehen geringer geworden sind. Noch 1990 gab es 8000 Übungen im freien Gelände mit 140 Mio. DM Flurschäden.
Sollten Rückübereignungsansprüche auf Militärflächen bestehen, will die Bundeswehr die Übungsgebiete sogar mit Hilfe des Landbeschaffungsgesetzes (LBG) rekrutieren. Auch dieses Gesetz hätte, angesichts der Abrüstung und des enormen Flächenverbrauchs der Bundeswehr (das LBG, das ursprünglich aus
der Zeit des Faschismus stammt, und im Zusammenhang mit der Wiederbewaffnung neue Aktualität erlangte, war in seiner Genese für eine Beschaffung von lediglich 100.000 ha bestimmt), längst abgeschafft werden müssen. Nicht einmal politisch und ökologisch umstrittene Übungsflächen werden freigegeben. Der Antrag der SPD, die Waffenerprobung und Schießübungen im Watten- und Boddenmeer zu verbieten, da die intensive Nutzung dieses Naturraumes im krassen Widerspruch zu Geist und Zweck des Nationalparkgesetzes stehe, wurde vom Verteidigungsausschuß am 4.11.92 abgelehnt.
Das Truppenübungsplatzkonzept entstand nach "intensiven Gesprächen mit den Regierungen der fünf neuen Bundesländer". Dabei wurde der Umfang "überprüft" und reduziert. Während die kleinen Flächen aufgegeben werden, soll auf große Flächen auf keinen Fall verzichtet werden. So wird zum Beispiel, trotz heftiger Gegenwehr unter anderem auch durch die Landesregierung von Sachsen-Anhalt, die Letzlinger Heide doch weitergenutzt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde sogar auf das Schießen mit Panzern, Schützenpanzern und Artillerie verzichtet. Dem Protest wird entgegnet, daß dieser Übungsplatz ein "zentraler Eckpunkt des Truppenübungsplatzkonzeptes'' sei.
Die guten ins Töpfchen ...
Im Zusammenhang mit der militärischen Flächennutzung sind die Alt- und Neulasten für die Bundeswehr das größte Problem. Um zu prüfen, auf welches Gebiet man sich einläßt, wurde z.B. eine "überschlägige Ermittlung der Altlastensituation" (also keine genaue Untersuchung) auf den Flächen der Streitkräfte der ehemaligen UdSSR durchgeführt. "Das Ergebnis der Untersuchungen zu den Altlasten soll neben der Frage der Eigentumsverhältnisse Grundlage der Entscheidung über die Übernahme von WGT-Plätze anstelle von Plätzen der ehemaligen NVA sein" (BMVg 1992b). In der Tat vermehren sich die Anzeichen, daß die Bundeswehr belastete Flächen an den Fiskus abgibt, um so Geld zu sparen und sich auf die Beschaffung großer Flächen konzentrieren zu können.
Eine Erhebung für die über 3000 ehemaligen NVA-Liegenschaften wurde im Januar 1991 abgeschlossen (Stufe 1). Eine weitere Untersuchung, wie sie
auch auf den Liegenschaften im Westen der Republik durchgeführt wurde, ergab nach ihrem vorläufigen Abschluß im Juli 1991 (Stufe 2) 920 Verdachtsflächen. Inzwischen wurde die Erfassung fortgesetzt und es waren bis Mitte 1992 bereits 1400 Altlastenverdachtsflächen gesichtet worden. Hierbei ist hervorzuheben, daß diese fortgeführte Erhebung anscheinend nur auf den bei der Bundeswehr verbleibenden Liegenschaften erfolgt.
Für die westlichen Bundesländer gab das Bundesverteidigungsministerium erst auf wiederholte Anfragen von Bundestagsabgeordneten am 20.2.92 eine Liste mit den Namen der unter Altlasten-Verdacht stehenden Bundeswehrliegenschaften heraus. Angaben zu Art und Ausmaß der Verseuchung unterblieben jedoch. Während im Osten eine Altlastendiskussion nicht zu vermeiden war, ist die Bundeswehr im Westen an einer solchen Diskussion auf keinen Fall interessiert. Es werden nur sehr wenige, kleine Flächen freigegeben. Das Militär hält die Stellung.
Öko-Militarismus
Diese Beispiele zeigen, daß die Bundeswehr ihre operative Basis erweitert, um sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, d.h. auf weniger "öffentlichen" Flächen präsent zu sein. Wir befinden uns mitten in einem Verteilungskampf um ökologisch-strategische Ressourcen, den das Militär gerade für sich entscheidet. Naturnahe, umgesiedelte Flächen sind in einem Industriestaat selten und sind ein zentraler Gegenstand einer ökologischen Politik. Arten-, Natur- und Umweltschutz drohen durch diese Flächenannektion durch das Militär monopolisiert zu werden. Es sichert sich die ökologisch wertvolleren Gebiete, während die Gesellschaft sich mit den verseuchten Flächen zu begnügen hat.
(Der Beitrag wurde Redaktionell gekürzt. Er kann in vollständiger Länge und mit Literaturhinweisen gegen einen Unkostenbetrag von 3,- DM bei der Redaktion angefordert werden.)