Die zweite Staatenkonferenz des UN Atomwaffenverbotsvertrags

„Vernünftige“ und „unvernünftige“ Atomwaffenstaaten?

von Juliane Hauschulz
Hintergrund
Hintergrund

Während der Nukleare Nichtverbreitungsvertrag (NVV) seit Jahren durch Konflikte blockiert ist, zeigten Ende 2023 die Staaten des UN Atomwaffenverbotsvertrags (AVV) wie inklusive und konstruktive Verhandlungen aussehen können. Bei der 2. Mitgliedsstaatenkonferenz (2MSP) des Vertrags, die vom 27.11. bis 1.12.2023 in New York stattfand, kamen Vertreter*innen von 94 Staaten sowie unzählige zivilgesellschaftliche Akteur*innen zusammen. Die Konferenz endete mit der Annahme einer politischen Abschlusserklärung im Konsens.

Die vorherige Konferenz hatte im Juni 2022 mit der Verabschiedung des Vienna Action Plans geendet, kurz darauf nahmen verschiedene Arbeitsgruppen zu Einzelaspekten des AVV die Arbeit auf. Die bisherigen Ergebnisse dieses intersessional process wurden nun in New York präsentiert und diskutiert. Dabei blieben die Staaten nicht unter sich, wie es etwa bei den Konferenzen des NVV üblich ist, sondern boten der Zivilgesellschaft und insbesondere den Überlebenden der Atomwaffeneinsätze und –tests Möglichkeiten, mitzureden.

Noch vor den Reden der Staaten bekamen sie das Wort und verdeutlichten, warum die humanitären Folgen des nuklearen Systems stets im Mittelpunkt des Atomwaffenverbots stehen müssen. Dabei ist es wichtig, gerade auch für unsere Arbeit in Deutschland, dass Überlebende nicht in eine passive Opferrolle gedrängt werden, sondern als politische Aktivist*innen anerkannt werden. So forderte Karina Lester, Überlebende der 2. Generation aus Australien, in der Generaldebatte: „Wir wollen, dass die heutigen Regierungen den Schaden anerkennen, den sie unseren Gemeinschaften, unserem Volk und unserem traditionellen Land zugefügt haben. Wir wollen Respekt und wir wollen Gespräche über Wiedergutmachung beginnen.“ (1)

Um dafür zu kämpfen, waren viele Überlebende nach New York gekommen und gestalteten die Konferenz mit. Doch es wurde auch deutlich, wie viele nicht dabei sein konnten – aufgrund von finanziellen oder organisatorischen Hürden, fehlenden Visa usw. Entsprechend wurde die Entscheidung der Vertragsstaaten, die nächste Konferenz im März 2025 ebenfalls in New York abzuhalten, kontrovers diskutiert. Hier wird gerade auch die Zivilgesellschaft aus wohlhabenden Ländern gefragt sein, um noch diverseren Menschen den Zugang zu ermöglichen.

Ein Erfolg der deutschen Zivilgesellschaft war die beobachtende Teilnahme Deutschlands an der Konferenz, insbesondere, da weniger NATO-Staaten teilnahmen als noch in Wien. In ihrem Statement versprach die deutsche Vertreterin die Unterstützung von Projekten zur Opferhilfe und Umweltsanierung durch das Auswärtige Amt. Nun gilt es also, diese Unterstützung einzufordern und ihre Umsetzung zu begleiten. Darüber hinaus gab das deutsche Statement jedoch wenig Anlass zur Freude. Das Bekenntnis zur nuklearen Teilhabe wurde bekräftigt und unterschiedliche Standards im AVV für verschiedene Staaten gefordert. So müssten „vernünftige“ Atomwaffenstaaten anders behandelt werden als „unvernünftige“ wie etwa Russland und China. Diese Forderung sorgte für Verständnislosigkeit im Raum, denn sie untergräbt das Ziel der Abschaffung aller Atomwaffen. Und sie suggeriert, dass es verantwortungsvolle Atomwaffenstaaten geben könne – ein Affront gegen die anwesenden Betroffenen britischer, französischer und US-amerikanischer Atomwaffentests.

So lässt sich die politische Abschlusserklärung der Konferenz auch als Antwort auf die deutsche Rede verstehen: Erstmals wird in dieser die nukleare Abschreckung als Sicherheitsproblem identifiziert und angegangen. „Wir, die Vertragsstaaten des AVV, werden den wachsenden nuklearen Risiken und der gefährlichen Aufrechterhaltung der nuklearen Abschreckung nicht tatenlos zusehen“, (2) – so steht es im letzten Absatz des Dokuments. Und tatsächlich wurde eine neue Arbeitsgruppe zur Bearbeitung und Delegitimierung von Abschreckungsnarrativen geschaffen, welche auf der 3MSP erste Ergebnisse vorstellen soll.

Obwohl also noch viel Arbeit nach innen und nach außen ansteht, lassen sich die Konferenz und der Vertrag selbst nur als Erfolg bezeichnen. Mit gerade einmal drei Jahren hat sich der AVV bereits als einziges Forum etabliert, in dem ernsthaft über nukleare Abrüstung gesprochen wird, indem Staaten konstruktiv zusammenarbeiten, aber auch die Expertise der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Überlebenden einholen, um gemeinsam eine atomwaffenfreie Welt zu ermöglichen. Diese Leistung macht Mut in oft frustrierenden Zeiten und die vergangene Konferenz hat bei mir und vielen anderen Teilnehmenden die Motivation erneuert, ein Teil dieses Prozesses zu sein.

Anmerkungen
1 Nachzusehen auf YouTube bei ICAN Australia: „Karina Lester addresses the Second Meeting of States Parties to the TPNW”. https://www.youtube.com/watch?v=D22ppVlXS5k (Minute 6:40-7:00).
2 Siehe TPNW: „Draft declaration of the second Meeting of States Parties to the Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons: ‘Our commitment to upholding the prohibition of nuclear weapons and averting their catastrophic consequences‘”. https://reachingcriticalwill.org/images/documents/Disarmament-fora/nucle...

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Hintergrund
Juliane Hauschulz arbeitet bei der deutschen Sektion der IPPNW als Campaignerin für nukleare Abrüstung. Seit Oktober 2023 ist sie zudem im Vorstand von ICAN Deutschland. Sie nahm als Mitglied der IPPNW-Delegation auf der 2MSP in New York teil.