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Zum Vertrag über das Verbot der Atombombe
„Alle redeten vom Frieden“
vonIn der ersten Vorbemerkung zu seinem im Oktober 1981 erschienenen Buch „Alle redeten vom Frieden. Versuch einer paradoxen Intervention“ hat Horst-Eberhard Richter geschrieben, die Angst vor der atomaren Aufrüstung sei richtig, weil sie eine echte Gefahr anzeige, die stetig anwachse. Wie der Philosoph Günther Anders riet Richter den Mut zur Angst an. Diese Angst müssten wir so lange aushalten, bis wir mit ihrer Hilfe die Politik dazu gedrängt hätten, mit echter Abrüstung zu beginnen. Immer unsicherer werde der „Abschreckungsfrieden“. Die Ohnmächtigen müssten in berechtigter Angst die falsche Zuversicht vorzeigenden oder auch heuchelnden Mächtigen zur Teilnahme an ihrer Angst zwingen.
In der zweiten Vorbemerkung wird jene fundamentale Umbesinnung angemahnt, ohne die bereits Albert Einstein das Überleben der Menschheit im Atomzeitalter für unmöglich erklärt hat. Richter war klar, dass eher als von Krieg, ehervon Verteidigung von Massenvernichtung und Völkermord gesprochen werden muss, von vergifteter Erde, Zerstörung der Schöpfung, die Inhumanität beim Namen nennend. In seinem „Aufruf zur Einmischung“ erneuerte Richter Einsteins Wort und Max Borns Befürchtung, die entfesselte Macht des Atoms habe alles verändert, nur nicht unsere Denkweise. Ein neues Denken sei notwendig, wolle die Menschheit am Leben bleiben.
„Die Atombombe und die Zukunft des Menschen“
Richter zitiert auch den Mediziner und Philosophen Karl Jaspers, der in seinem im Jahr 1958 veröffentlichten Buch „Die Atombombe und die Zukunft des Menschen “ fragt, ob wir, den Horizont unseres Daseins verdeckend, gedankenlos noch eine Weile wie gewohnt fortleben wollen und können. In seiner Antwort heißt es, Bildung und Selbstdenken trügen bei zum Friedenswillen, Widerstand gegen den Krieg, gegen jeden Krieg gehörten zur Verantwortung der Freiheit selbst. In seiner im Jahr 1950 verbreiteten Abhandlung „Das Gewissen vor der Bedrohung durch die Atombombe“ hielt Jaspers die Zweideutigkeit der Atombombe fest, dieser Erfindung der „Abendländer“, der Kriegswaffen überhaupt. Sie verwirklichten das neue Schreckliche, um dadurch das alte Schreckliche in den fremden Händen für den Augenblick zu lähmen, um Frieden durch eigene Übermacht zu gewinnen. Dieser Vorgang sei nur zu erhalten durch eine ständige Steigerung der Zerstörungswaffen. Hier gebe es keinen anderen Weg, außer der Steigerung bis zur Zerpulverung des Erdballs im Weltstaub.
Jaspers dachte und hoffte, die Atombombe werde erst dann unmöglich, wenn Gewalt unter dem Recht stehe, eine übergeordnete Menschheitsinstanz anerkannt sei. Die ganze Menschheit müsste zu einem „besseren Recht“ gelangen, um mit anderen Schrecken auch die Atombombe unwirksam zu machen. Über die Ebene der Rechtsform hinaus war es für den Philosophen der Menschheitsgeschichte klar, dass nur mit der Veränderung der menschlichen Welt, die eins sei mit der „Verwandlung des Menschen“, eine Ausschaltung der Atombombe möglich sei. Dazu gehört dies: Der Widerstand gegen die atomare Vernichtungslogik und gegen die Logik der Abschreckung darf nicht abhängig sein von der Isolierung des Blicks auf ein „einzelnes ungeheures Entsetzen wie die Atombombe“.
Für die heutige Situation gesprochen: Der Widerstand darf sich demnach nicht beruhigen bei der Verabschiedung der neuen Konvention; sondern darüber hinaus ist in einem weiten Horizont die Ablehnung anderer menschenverachtender Schändlichkeiten zu forcieren (an denen es nicht mangelt), zumal nicht Niedertracht gegen Niedertracht aufgerechnet und damit verharmlost werden darf. So heißt es in der genannten Abhandlung wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg: „Eine Welt, in der es Zwangsarbeit in Konzentrationslagern, Deportationen ganzer Bevölkerungen, Lüge in jeder Gestalt, planmäßiges Ausrotten ganzer Menschengruppen gibt, kann nicht dies alles dulden und zugleich die Atombombe ausschließen… Eine Niedertracht, durch die ein Einzelner zu Tode gequält wird, ist qualitativ das gleiche, als wenn es Millionen geschieht. Solange wir die quantitativ scheinbar geringere Niedertracht vergessen oder als geringfügig behandeln, werden wir dem quantitativ Ungeheuren im Grunde widerstandslos verfallen.“ (1)
Widerstand gegen jeden Krieg
Damit soll gesagt sein, dass der Widerstand gegen die atomare Vernichtungslogik, gegen die atomare Rüstung des Widerstands gegen die Unmenschlichkeit jedes Kriegs bedarf; dieser Widerstand geht nicht unter, darf nicht aufgegeben werden. Richter hat die eigentliche Macht der Friedensbewegung darin gesehen, Menschen nicht als Glieder von rivalisierenden politischen und militärischen Systemen gegeneinander zu verrechnen, sondern das Überleben aller zum obersten Grundsatz jedes politischen Handelns zu erheben. Einig war er sich mit Einstein und Jaspers darin, dass ein fundamentales Umdenken geboten sei, der Aufbruch zu dem Bewusstsein eines die Grenzen überschreitenden Gefühls der Verantwortung, eines Gefühls und Wissens, anders zusammenleben zu können in Zukunft. In großer sozialer Sensibilität kann die Angst ausgehalten, umgewandelt werden in den Mut zur Einmischung und zur Auflehnung.
Dann kann es nicht bei der Verabschiedung einer Nuklearwaffen-Konvention verbleiben. Die Widerstandskraft gegen die Atombombe, gegen jeden Krieg und seine Androhung wird dann gestärkt werden. Auf der politischen Ebene ist dann erneut – Richter und viele andere haben das getan – über Formen alternativer Sicherheitspolitik nachzudenken, sie zu praktizieren, wozu die Bildung atomwaffenfreier Zonen in Europa (weltweit gibt es davon schon mehrere) gehört. (2)
Das kann hier nicht näher dargestellt werden.
Anmerkungen
1 Karl Jaspers (1958): Das Gewissen vor der Bedrohung durch die Atombombe, in: ders., Rechenschaft und Ausblick, München, S. 373
2 Knut Ipsen (2005): Völkerrecht, 6. Aufl. München, § 54 Rn. 35 ff.; Erhard Denninger, Recht in globaler Unordnung, Berlin