Die Friedensbewegung der 1980er Jahre

Vom Koordinationsausschuss der Friedensbewegung bis heute

von Ulrich FreyWolfgang Biermann

Aus der 1981 zur Vorbereitung der großen Bonner Demonstration und Kundgebung vom 10.10.1981 etablierten „Frühstücksrunde“ entstand Anfang 1983 der Koordinationsausschuss der Friedensbewegung (KA). Am Ende hatte er 30 Mitglieder aus 6 „Spektren“ (KOFAZ, Sozialdemokraten und Jungsozialisten, Grüne, Christen, Unabhängige, Sonstige - u.a. BBU). Mani Stenner war Anfang der 1980er Jahre im Bonner Friedensplenum aktiv. Im KA arbeitete er seit 1983 ehrenamtlich mit und wurde 1985 Geschäftsführer in dessen Büro (1), das der vom KA bestellten Geschäftsführung und dem politisch entscheidenden KA zuarbeitete. 

In diesem „Nervenzentrum der Bewegung“ (FAZ 8.5.1984) waren äußerst komplizierte Entscheidungsprozesse zu bewältigen. Im KA selbst trat Mani nicht in den Vordergrund der Debatten, aber er hatte das Talent, im Hintergrund Brücken zu bauen und Kompromisse zu ermöglichen. Damit trug er auch zum Erfolg der großen Friedensdemos am 22.10.1983 mit rund 1,3 Millionen Teilnehmenden bei, z.B. mit Willy Brandt, Petra Kelly und Heino Falke (DDR) als RednerInnen in Bonn.

Nach der Raketenstationierung verordnete sich der KA in einem Grundsatzbeschluss vom 14.12.1984 eine Beratungsphase. Das Büro sollte nur noch die nötigsten Koordinationsaufgaben wahrnehmen und wurde Anfang 1985 in kleinere Räume in die Bonner Dorotheenstraße 20 verlegt.

Am 29.9.1989 löste sich der KA auf. Gleichzeitig wurde das bis heute bestehende „Netzwerk Friedenskooperative“ gegründet, dessen erfolgreicher Geschäftsführer Mani wurde. (2) Ende 1987/Anfang 1988 zog das Büro erneut um – dieses Mal in die Römerstraße 88, wo es heute noch ist.

Welche Entwicklung führte zu dieser Veränderung?

Nach Großdemonstrationen in der Bundesrepublik und anderen Ländern Europas fand am 20.1.1983 die erste Sitzung des KA zur Vorbereitung des bundesweiten Aktionstages am 22.10.1983 statt. Die Zustimmung des Bundestages zur Stationierung am 22.11.1983 konnten der KA und die Friedensbewegung trotz ihrer öffentlichen Stärke mit Demonstrationen und Kundgebungen nicht verhindern. Die Friedensbewegung (ca. 5.000 – 6.000 lokale und regionale Gruppen) hatte zwar 72 % der Bevölkerung gegen den NATO-Doppelbeschluss vom 12.12.1979 und für die Verhinderung der Stationierung mobilisiert. Aber den Beschluss des Bundestages erlebten viele eine politische Niederlage.

„Wie weiter?“ Über diese existenzielle strategische Frage begann die Bewegung zu streiten. Große Demonstrationen und Aktionskonferenzen des KA mobilisierten immer weniger Menschen. Die auf der letzten, der 6. Aktionskonferenz am 5./6.5.1984 beschlossenen Herbstaktionen der Friedensbewegung (für Manöverbehinderungen und Menschennetze gegen Kriegsmanöver im „Fulda Gap“) wurden zum heftig debattierten Testfall für die Mobilisierungsfähigkeit der Friedensbewegung. Gedacht war an eine „integrierte Friedensaktion“, mit öffentlicher Aufklärung, zivilem Ungehorsam sowie einer Großdemonstration“ (3) unter dem Prinzip der Gewaltfreiheit gegen die neue US-Kriegsführungsstrategie „Airland Battle“. Weniger Menschen und Spektren als erwartet beteiligten sich.

Der KA konnte sich auf keine gemeinsame neue Strategie einigen. Ein Teil des KA thematisierte den NATO-Austritt, das sozialdemokratische Spektrum plädierte dafür, sich weiterhin gemeinsam gegen offensive Rüstungsmaßnahmen und für gemeinsame Sicherheit (Olof Palme) zur Überwindung der Konfrontationspolitik und der Blöcke einzusetzen. Auf Antrag von acht Mitgliedern aus seiner christlichen und bürgerrechtlichen Mitte beschloss der KA am 14.12.1984, den KA wegen eines „schädlichen Aktionismus‘“ und des schwachen Aktionsherbstes 1984 in ein Beratungsgremium umzuwandeln. Ziel war es, den lokalen, regionalen und berufsspezifischen Initiativen zur Stärkung ihres partei-unabhängigen und außerparlamentarischen Charakters mehr Raum zu geben. Die alte Geschäftsführung und das Büro wurden aufgelöst. Schwerpunktthemen 1985 waren z.B. die Genfer Verhandlungen zwischen UdSSR und USA, die Bundeswehrplanung und die Militarisierung des Weltraumes (SDI). Ein bundesweiter „Großer Ratschlag der Friedensbewegung“ debattierte im Juni 1985 strategische Alternativen. Das Ergebnis war der Beschluss für eine bundesweite Aktionswoche vom 11.-16. November 1985 für eine „wirkliche Friedenspolitik“.

Mani Stenner war konfrontiert sowohl mit der weit verbreiteten Enttäuschung über die politische Niederlage als auch mit der Arroganz der Mächtigen (Ihr demonstriert, wir regieren!). Die auf Aktionen ausgelegte Struktur des KA wurde den neuen Anforderungen an die Willensbildung für eine friedensgeprägte Sicherheitspolitik nicht mehr gerecht. Das Grundproblem war, so Andreas Buro, eine erfolgreiche „Bewegung auf Dauer“ zu stellen.

In dieser Krise entstand das bundesweite „Netzwerk Friedenskooperative“ zwecks gezielten Informations- und Erfahrungsaustausches sowie zur Koordination von Aktionen und Kampagnen.

Mani Stenner griff aktuelle friedensethische und friedenspolitische Konflikte auf, z.B. Probleme des Asyls, des Rassismus, der Völkerverständigung (Versöhnung mit den Völkern der Sowjetunion), der Deserteure des 2. Weltkrieges, der Rettung von Flüchtlingen aus Bosnien-Herzegowina („Den Winter überleben“, später: „Den Krieg überleben“) und der Vermittlung zwischen Polizei und Friedensaktivisten. Datenbanken und ein solides Informationsnetz unterstützen die gebliebenen Gruppen der Friedensbewegung. Das „FriedensForum“ wurde zu ihrem Organ.

An der Gründung der Kooperation für den Frieden 2003 war Mani nur am Rande beteiligt, was ihn aber nicht daran hinderte, der Kooperation, als sie einmal etabliert war, nach Kräften zuzuarbeiten.

Aus gegebenen Anlässen erhob Mani die Stimme „der“ Friedensbewegung in Stellungnahmen und Aufrufen.

Mani Stenner spielte sich nicht in den Vordergrund. Er machte gemeinsam mit Kristian Golla und anderen das Netzwerk zu einem dauerhaften unverzichtbaren Helfer der Friedensgruppen. Sein trockener Humor half ihm über Hürden. Gewaltfrei, einfühlsam und entschieden hob er Schätze der Menschenrechte und der Demokratie. Selbst die FAZ veröffentlichte am 21.7.2014 einen Nachruf.

 

Anmerkungen
1 Gegen ein Honorar von 700 DM monatlich. Siehe Thomas Leif: Die Strategische (Ohn-)Macht der Friedensbewegung, Westdeutscher Verlag, 1990, S. 126

2 Informationen entnommen aus: Thomas Leif a.a.O. und ders., Die professionelle Bewegung. Friedensbewegung von innen, Forum Europa Verlag, 1985 sowie aus Gesprächen mit Andreas Buro, Kristian Golla und Otfried Nassauer, siehe auch: Ulrich Frey: Die Friedensbewegung in den achtziger Jahren, FriedensForum 2/2008.

3 Argumentation zur Begründung der Aktionen: Thomas Leif 1990 a.a.O, S. 173

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Ulrich Frey ist Mitglied im SprecherInnenrat der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung.