Friedenswoche in Izmir verboten

Vorsitzender des Vereines der KriegsgegnerInnen Istanbul in Haft

von Jörg Rohwedder
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Einen besseren Tag hätte der Verein der KriegsgegnerInnen Istanbul nicht wählen können. Am Antikriegstag, knapp dreieinhalb Monate nachdem der Verein das erste Mal verboten wurde, brachten die 13 Gründungsmitglieder die alte Idee mit neuem Namen wieder auf den Weg. Mit staatlichen Repressionen müssen sie immer wieder rechnen und so ist es fast gewohnte Praxis, verbotene politische Vereinigungen unter ähnlichem Namen wiederzugründen.

Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, diejenigen Kräfte zu sammeln, die frei von ideologischen Hintergründen gegen den Krieg kämpfen wollen. Ein Schwer­punkt der Arbeit bildet die Forderung nach einem Recht auf Kriegsdienstver­weigerung. Für diese Forderung muß sich zurzeit das ehemalige und neue Vorstandsmitglied Arif Hikmet Iyido­gan verantworten. Seit dem 12.07. sitzt er in U-Haft im Militärgefängnis vom Mamak, Ankara, weil er sich in einem Interview zur KDV geäußert hatte, eine Pressekonferenz zum gleichen Thema veranstaltete und sich dort als Kriegs­dienstverweigerer bezeichnete. Im Mi­litärgefängnis wurde er unter Andro­hung von Folter gezwungen, eine Mili­täruniform anzuziehen. Während eines Prozesstermins vor dem Militärgericht zog er die Uniform vor dem empörten Richter aus und erklärte, er werde keine Uniform tragen. Er werde sich nicht zum Soldaten machen lassen. Unter dem Beifall des Publikums, das ihn mit Blu­men bewarf, wurde er aus dem Saal ge­wiesen. Seitdem sind die Haftbedingun­gen verschlechtert. Arif, der in Einzel­haft sitzt, erhielt Besuchsverbot. Ledig­lich sein Anwalt durfte ihn sehen. Die Prozesse gegen Arif dauern an. Er er­scheint zwar inzwischen in Zivil vor Gericht, muß aber mit 15 Monaten Frei­heitsentzug rechnen. Die andauernde Inhaftierung "ist ein Ausdruck der staatlichen Repressionspolitik gegen einen bekannten Vertreter der antimili­taristischen Bewegung und zeigt deut­lich, daß der Staat derzeit nicht bereit ist, seine grundsätzliche Haltung zu ver­ändern." sagte Osman Murat Ülke vom Verein der KriegsgegnerInnen in Izmir.

Friedenswoche in Izmir

Auch die KriegsgegnerInnen  in Izmir haben unter dieser Repression zu leiden. Sämtliche Veranstaltungen, die während der Friedenswoche vom 01.09. außer­halb der Vereinsräume stattfinden soll­ten, wurden verboten. In einer "Piraten­aktion" wurde das geplante Straßen­theater dennoch in einer Fuß­gängerzone vom Izmir gespielt.

Der Unteroffizier Beckmann aus Bor­cherts "Draußen vor der Tür" quält sich in Selbstzweifel. Um ihn herum die schwarzen Schatten seines Gewissens, die ihm die Botschaft von "Sag Nein" entgegenwerfen. So kommt es zum Zwiegespräch zwischen zwei Werken Borcherts, das in einen Chor mündet als Borchert in "Sag Nein" die Menschen auffordert, sich gegen die Schreckensvi­sion des kommenden Krieges zu wen­den und mahnt, daß wieder Leiden zu erdulden sein werden, wenn Ihr nicht NEIN sagt. Das Theater war in der Fuß­gängerzone ein Erfolg und verlor seinen Reiz auch nicht, als es beim Friedens­buffet in den viel zu engen Vereinsräu­men ein weiteres Mal vor rund fünfzig ZuschauerInnen gespielt wurde. Das Theater auch dort zu spielen war ein Aufschrei gegen die kurz zuvor erfolgte Repression gegen den Verein. Gut ein Dutzend Polizisten hatten den Verein gestürmt, die Personalien aller Anwe­senden kontrolliert, wahllos Faxe be­schlagnahmt. Abschließend hielten sie die Ausländer aus Deutschland und Griechenland zur Überprüfung derer Identität eineinhalb Stunden auf der Po­lizeiwache fest.

Musa-Anter-Preis an den Verein in Istanbul und ein Vereinsmitglied ver­liehen

Musa Anter war ein kurdischer Intel­lektueller und Dichter, der durch ein Attentat der Konterguerilla vor einigen Jahren getötet wurde. Die prokurdische Tageszeitung "Özgür Ülke" (Nachfolgerin der verbotenen "Özgür Gündem) richtet seit 1993 zum Geden­ken an ihn einen Journalistenpreis aus. Ahmet Hür, der Anwalt des Izmir SKD, wurde mit dem Musa-Anter-Preis in der Kategorie für die beste Recherche aus­gezeichnet. Ahmet hat zusammen mit dem Izmir SKD eine Broschüre zur Mi­litärjustiz herausgeben. Diese Broschüre begründet die Verteidigung von Kriegs­dienstverweigerern bei den laufenden Prozessen und ist damit ein wichtiger Baustein antimilitaristischer Arbeit. Gleichzeitig untersucht Ahmet die Hi­storie der Militärjustiz und zeigt wich­tige Machtstrukturen innerhalb der Ar­mee auf.

Die Broschüre von Ahmet Hür wird derzeit von der DFG-VK NRW über­setzt. Dort kann jetzt schon eine Kopie der türkischen Fassung bezogen werden. Auch die Bestellungen für die Überset­zung werden schon entgegengenommen. DFG-VK NRW Tel: 0231/818032, Fax: 0231/818031

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Jörg Rohwedder, Jahrgang 1968, bis 2001 aktiv als Trainer für gewaltfreies Handeln und zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung in der Türkei, seit 2002 Geschäftsführer der Bewegungsstiftung.