Türkei

Waffenhandel mit der Türkei – ein Mordsgeschäft

von Irmgard Ehrenberger
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Angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen und des Umbaus der Türkei zu einem autoritären Staat fielen die Reaktionen der „Wertegemeinschaft“ EU sehr dürftig aus. Die Türkei ist ein wichtiger Handelspartner, auch in Sachen Waffen.
Bemerkenswert ist hierbei auch die Art der Zusammenarbeit. So haben die britische und die türkische Regierung im Januar 2017 ein Verteidigungsabkommen im Wert von mehr als 100 Millionen Pfund für die Entwicklung des türkischen TF-X-Programms zur Entwicklung von Kampfflugzeugen unterzeichnet, an dem TAI (Turkish Aerospace Industries) und BAE (British Aerospace Electronic Systems) beteiligt sind. Auch Rolls Royce ist in das Projekt eingebunden. Die Unterzeichnung des Abkommens soll auch den Weg für eine tiefere Kooperation während der Projektlaufzeit eröffnen. Eigens für dieses Abkommen entwarf die britische Regierung eine „Offene allgemeine Exportlizenz“, um den Transfer von Militärgütern zu erleichtern.

Im Hinblick auf den Brexit ist die britische Regierung auf der Suche nach besseren Handelsbeziehungen außerhalb der EU, da haben Menschenrechte das Nachsehen. Lloyd Russell-Moyle, Parlamentsabgeordneter der Labour-Partei, meinte dazu: „In Downing Street 10 unter Theresa May gehen die größten Tyrannen der Welt ein und aus, die auch unsere besten Waffenkäufer sind“.

Aber auch andere europäische Länder betreiben fleißig Waffenhandel mit der Türkei, in den letzten Jahren stehen Spanien und Italien an der Spitze der EU-Länder. Im Zeitraum 2013–17 bezog die Türkei 59% ihrer Rüstungsimporte von den USA, an zweiter Stelle steht für diesen Zeitraum bereits Spanien mit 14%.

Die Position Deutschlands
Während der Jahre 2015 – 17 betrug der durchschnittliche Wert der Ausfuhrgenehmigungen rund 52,3 Mio. Euro. Demgegenüber betrug er in den Jahren 2005 – 2014 durchschnittlich rund 131 Mio. Euro. Bemerkenswert ist, dass während und nach dem militärischen Angriff auf Afrin weiterhin Exportgenehmigungen erteilt wurden, obwohl der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages bezweifelte, dass der Angriff mit dem Völkerrecht vereinbar sei.

Vorläufig keine Exportgenehmigung gab es allerdings für die Nachrüstung des Leopard 2-Panzers: Die damalige deutsche Regierung hatte 2005 den Verkauf von 354 Leopard 2-Panzer an die Türkei genehmigt. Panzer dieses Typs waren nun Ende Januar 2018 auf Fotos der Operation Olivenzweig des türkischen Militärs gegen kurdische Truppen im Nordwesten Syriens zu sehen. Die Veröffentlichung der Fotos löste heftige Proteste aus. Das hatte zur Folge, dass die von der türkischen Regierung anvisierte und vom damaligen Außenminister Gabriel in Aussicht gestellte Genehmigung für die Nachrüstung der Panzer, um sie gegen Raketen und Sprengfallen besser zu schützen, Ende Januar 2018 ausgesetzt wurde.

Seit Beginn 2018 gibt es Spekulationen über ein weiteres Milliardengeschäft für die Firma Rheinmetall. Es geht um den Bau von 250 Stück des Panzers Altay, wobei die Anzahl der Panzer auf 1000 Stück steigen könnte. Den Zuschlag für den Auftrag soll die Firma BMC des „mit Präsident Recep Tayyip Erdogan eng verbundenen Unternehmers“ Ethem Sancak erhalten. BMC und Rheinmetall gründeten bereits im Herbst 2016 ein Gemeinschaftsunternehmen, dessen Hauptziel von Anfang an der Bau von Altay war. Von der Firma Rheinmetall gibt es zu dem Geschäft allerdings keine Auskünfte, „als sei ihnen der bevorstehende Auftrag peinlich“ (Stern, 4. Mai 2018).

Wie sich die deutschen Waffengeschäfte mit der Türkei in Zukunft entwickeln werden, wird wohl in den nächsten Rüstungsexportberichten nachzulesen sein. Die Bundesregierung will noch 2018 die Rüstungsexportrichtlinien aus dem Jahr 2000 verschärfen. Jedenfalls wurden zwischen März und August dieses Jahres lediglich Ausfuhrgenehmigungen im Wert von rund 418.300 Euro an die Türkei genehmigt.

Insgesamt erteilten die Länder der Europäischen Union 2016 Exportlizenzen an die Türkei im Wert von 2,3 Milliarden Euro und 2015 im Wert von 2,6 Milliarden Euro. In der Vergangenheit konnten türkische Firmen auch von der EU-Grenzschutzpolitik profitieren. So geschehen 2015, als das größte türkische Rüstungsunternehmen, Otokar, den Auftrag in Höhe von 47 Mio. Euro zum Bau von 82 Cobra-II Aufklärungs- und Überwachungsfahrzeugen für das türkische Militär erhielt. Die Fahrzeuge werden zur Überwachung der türkisch-syrischen Grenze genutzt und ihr Bau wurde zu einem großen Teil aus EU-Geldern finanziert.
EU-Mitgliedsländer bzw. die EU selbst werden nicht müde, ihre strengen Regelungen für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern zu betonen. Wenn die EU-Länder den Waffenhandel tatsächlich mit der Einhaltung der Menschenrechte verknüpften, würde dieser massiv abnehmen oder gar darniederliegen – ganz abgesehen davon, dass Waffenproduktion und Waffenhandel vom pazifistischen Standpunkt aus gesehen per se schwere Verletzungen der Menschenrechte darstellen.  

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Irmgard Ehrenberger ist Co-Geschäftsführerin des Internationalen Versöhnungsbundes – österreichischer Zweig. Sie ist für die Themenbereiche Friedenskultur und Friedenspolitik zuständig. Darüber hinaus arbeitet sie in der Arbeitsgruppe „Stoppt den Kreislauf der Gewalt in der Türkei“ (der VertreterInnen von WRI, dem Bund für Soziale Verteidigung und Connection e.V. angehören) mit.