Aktionstag 26.2.2019 in Berlin

Waffenhandel tötet. Abrüsten jetzt!

Den AktivistInnen der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ ist es mal wieder gelungen, ihren bundesweiten Aktionstag mit einer öffentlichkeitswirksamen Aktion in Berlin zu gestalten, der großes Medienecho erreichte.

Mit dem Datum 26.2. für den bundesweiten Aktionstag gegen tödliche Rüstungsexporte verweist die Kampagne auf Artikel 26, den Friedensparagraphen im Grundgesetz. Artikel 26 des Grundgesetzes verbietet Deutschland nicht nur, einen Krieg anzufangen, sondern stellt im zweiten Absatz – eben in Artikel 26.2. – den Zusammenhang zu Rüstungsexporten her. Artikel 26 GG Satz (2) lautet: „Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ Das heißt: Was nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Bundesregierung geschehen darf, ist grundsätzlich verboten. Das muss in der deutschen Politik wieder klar werden. Die Kampagne fordert ein Rüstungsexportkontrollgesetz, das auch die Auslandsgeschäfte deutscher Rüstungsfirmen kontrolliert und existierende Schlupflöcher zur Umgehung des Jemen-Ausschlusskriteriums schließt.

Kunstvoll widerlegte die Protestaktion ein paar verharmlosende Behauptungen über den deutschen Rüstungsexport: Erstens: Der meiste Rüstungsexport ginge an NATO und EU Länder. Tatsächlich wurden in den fünf Jahren von 2013-2017 Kriegswaffen für 1,5 Milliarden Euro an NATO und EU-Staaten und Kriegswaffen in Höhe von rund 8 Milliarden Euro an Drittstaaten ausgeliefert. Die AktivistInnen trugen Schilder, die zeigten, wie viel an welches Land geht. Zweitens: Die Exporte und deutsche Waffen hätten mit den aktuellen Fluchtbewegungen nichts zu tun. Drittens wurde widerlegt: Exporte in NATO und EU seien unproblematisch; denn deutsche Waffen werden aktuell im Syrienkrieg vom NATO-Partner Türkei eingesetzt.

Die Rolle Deutschlands  im Jemen-Krieg
Auszug aus der Rede von Barbara Happe, urgewald e.V.:

Vier Jahre dauert die Militärintervention von Saudi Arabien und seinen Verbündeten im bettelarmen Jemen schon an. Auch Deutschland belieferte die Kriegsparteien in den letzten vier Jahren fleißig mit Rüstungsgütern. In den vier Jahren des Krieges genehmigte der Bundessicherheitsrat Rüstungsexporte im Wert von über 5 Mrd. Euro an die Jemen-Kriegskoalition.

Genehmigungen wurden u.a. erteilt für Patrouillenboote, U-Boote, Fregatten, Komponentenlieferungen für Panzer und Kampfflugzeuge, Haubitzen, Raketen, Maschinenpistolen, Bomben und Munition. Mit diesen Rüstungsgütern hat die Bundesregierung v.a. Kriegsparteien wie Saudi-Arabien, die VAE und Ägypten aufgerüstet. Teilweise kommen diese Güter jetzt im Jemen-Krieg direkt zum Einsatz wie z.B. die Kampfflugzeuge Eurofighter, die zu 30% aus deutschen Zulieferungen von Firmen wie Airbus, Liebherr, Diehl oder MTU Aero Engines bestehen. Oder die an Saudi-Arabien gelieferten Patrouillenboote der Lürssen Werft, die sich nach Medienberichten an der Seeblockade beteiligt haben.

Die Kriegskoalition setzt im Jemen zudem Munition der MK 80-Serie ein, die nicht direkt von Deutschland aus geliefert wird, sondern von Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen von Rheinmetall in Italien und Südafrika hergestellt und von dort aus direkt an Saudi Arabien und die VAE geliefert worden sind und werden. Darüber hinaus hat Rheinmetall Denel (das Gemeinschaftsunternehmen in Südafrika) geholfen, komplette Munitionsfabriken in den VAE, Saudi-Arabien und Ägypten zu errichten.

Deutschland und deutsche Rüstungsfirmen machen sich so mitschuldig am Töten im Jemen. Es ist unfassbar, dass die Grauen des Jemen-Krieges die Bundesregierung bisher nicht dazu bringen konnten, das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen. Umso zentraler ist es nun, dass dieser temporäre Exportstopp gen Saudi Arabien weiter bestehen und in ein prinzipielles und kategorisches Exportverbot umgewandelt und auf sämtliche Staaten der von Saudi-Arabien angeführten Jemen-Kriegskoalition ausgeweitet wird! Sämtliche bereits erteilten Ausfuhrgenehmigungen müssen widerrufen werden. Und ein solches Waffenembargo muss auch für (Zulieferungen für) europäische Gemeinschaftsprojekte wie z.B. den Eurofighter gelten!

Einsatz deutscher Waffen beim Einmarsch des NATO-Partners Türkei in Afrin / Syrien
Auszug aus dem Beitrag von Otfried Nassauer und Christine Hoffmann:

Die deutschen Exportregelungen gehen davon aus, dass der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern an Nato-Partner menschenrechtlich völlig unproblematisch sei. Der türkische Einmarsch in Afrin widerlegt dies anschaulich.

Die deutsche Bundesregierung hat in den Jahren 2005 bis 2011 aus Bundeswehrbeständen insgesamt 354 Kampfpanzer des Typs Leopard 2A4 an die Türkei abgegeben. Der Export war von einer türkischen Endverbleibserklärung für die türkischen Streitkräfte begleitet, nicht aber von einer Vereinbarung, die ihre Verwendung auf Operationen im NATO-Kontext beschränkte, wie dies bei früheren Regierungsabgaben Deutschlands an die Türkei der Fall gewesen war. Mindestens dreimal wurden Leopard 2A4 seither im Rahmen völkerrechtswidriger Militäreinsätze im Norden Syriens verwendet:

  • 2016/17 bei der Operation Euphrates Shield rund um die Stadt Al-Bab
  • Ab Januar 2018 bei der Operation Olivenzweig im Gebiet Afrin
  • Ab 2018/19 türkischer Streitkräfte gegen kurdische Kräfte westlich des Euphrats rund um die Stadt Manbij.

Beim Angriff auf Afrin waren türkische Soldaten mit dem Sturmgewehr HK33 ausgestattet. Dabei handelt es sich um eine 5,56mm-Version des G3. Die Türkei erwarb 1997/98 eine Lizenz für den Bau dieses Gewehrs und importierte ab 2000 für 90 Mio DM Ausfuhrwert auch eine Munitionsfabrikationsanlage für dieses Kaliber, die von der Fritz-Werner Industrieausrüstungen GmbH geliefert wurde und etwa 2003 in Betrieb ging.

Deutsche Motoren und Getriebe werden in der Türkei in vielen Waffensystemen eingesetzt. Einige werden in der Türkei in Lizenz endmontiert. Während der Einsätze in Syrien kamen etliche Waffensysteme mit solchen Motoren zum Einsatz:

  • die türkische Panzerhaubitze 155mm wird von einem Motor der Baureihe MTU 881 Ka 500 angetrieben
  • der ab 2007 durch Israel modernisierte Kampfpanzer M60T Sabre nutzt ebenfalls MTU 881 Ka500 Motoren

MTU unterhält in der Türkei ein Werk, in dem Motoren montiert und hergestellt werden können.

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