Wahlen im Kongo - zwischen Pest und Cholera

Der Ausgang der ersten Präsidentenwahlen in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) seit 1965 brachte numerisch in Etwa das zu erwartende Ergebnis. Zwar hatten manche schon einen Sieg des Übergangspräsidenten Joseph Kabila im ersten Wahlgang deshalb für möglich gehalten, weil der Politveteran Etienne Tshisekedi seine Anhänger in der Diamantenprovinz Kasai Oriental frühzeitig zum Wahlboykott aufgerufen hatte. Seiner UDPS wird ein Potenzial von 15 bis 20 Prozent nachgesagt. So erhielt Kabila von den 16,9 Millionen gültigen Stimmen 44,81 % (7,9 Mio. Stimmen). Er muss am 29. Oktober gegen seinen Stellvertreter Bemba, für den 3,4 Millionen (20,03 %) votierten, in die Stichwahl. Angesichts eines 35-Prozent-Vorsprungs Kabilas dürfte seinem Sieg in der Stichwahl nichts im Wege stehen - außer er sich selbst.

Wenige Stunden nach Veröffentlichung, des vorläufigen amtlichen Wahlergebnisses eskalierte Kabilas Privatarmee GSSP die Angriffe auf Bernbas Miliz in ungeahntem Ausmaß, was den Afrikakorrespondenten der FAZ, Thomas Scheen, zu dem Urteil brachte, es handle sich um einen Mordanschlag auf Bemba (FAZ 23.8.06). Seine Beschreibung ist deutlich: ,,Vier Stunden schoss es am Montagabend in Gambe (Regierungsstadtteil in Kinshasa, L.H.) aus allen Rohren. Mit Panzerkanonen, Panzerfäusten, Flakgeschützen und schweren Maschinengewehren versuchte die Präsidentengarde, Bembas Residenz einzuäschern." Selbst fünf Kampfpanzer habe die Garde hinzugezogen. In Bembas Haus war jedoch nicht nur er und seine Familie, sondern auch 14 Botschafter, unter ihnen der MONUC-Chef William Swing, die Botschafter Deutschlands, Britanniens, Frankreichs und Südafrikas. Sie mussten im Keller Schutz suchen. ,,Nach Worten eines der Botschafter war der Angriff der Präsidentengarde weder ein Versehen noch eine einsame Entscheidung eines untergeordneten Offiziers", berichtet die FAZ und zitiert ihn weiter: ,,Die haben mit allem angegriffen, was sie haben. Das geht nur, wenn von ganz oben das Einverständnis dazu kommt" (FAZ 23.8.06). Danach hätten Kabilas Leute versucht, Bembas Leuten die Schuld in die Schuhe zu schieben. Dies weist Scheen zurück: ,,Wie abwegig diese Behauptung ist, war am Montagabend von den 14 Botschaftern unterstrichen worden, die von einem eindeutigen Angriff der Präsidentengarde sprachen" (FAZ 23.8.06).

Konsequent wäre es nun von Seiten der UNO und der EU gewesen, gegen den Schuldigen zu ermitteln oder zumindest eine Untersuchungskommission einzurichten. Davon ist nichts zu vernehmen. Kabila bleibt offensichtlich ungeschoren. Die internationale Gemeinschaft gibt sich mit der Unterzeichnung eines Waffenstillstands und dem Rückzug der Milizen auf die ursprüngliche Position zufrieden. Von An-strengungen zur Versöhnung zwischen den beiden Kontrahenten ist wiederholt die Rede. Wo man sonst schnell dabei ist, Anklagen und Strafverfahren einzuleiten, steht es hier ganz danach aus, als wenn der Vorgang unter den Teppich gekehrt werden soll. Die Frankfurter Rundschau berichtete, dass ein MONUC-Sprecher die in deutschen Zeitungen verbreitete Auffassung ,,als bloße unintelligente Spekulationen" zurückwies, wonach es sich um einen von Kabila geplanten Mordversuch an Bemba handele Kabilas Präsidentenamt sei von der Zusammenkunft der Gesandten in Bembas Villa zu diesem Zeitpunkt informiert gewesen", zitiert die FR den MONUC-Sprecher Saiki (FR 24.8.06). Der Konter der FAZ fiel harsch aus: ,,Zur Erklärung des Unbegreiflichen wurde schnell die Version in Umlauf gebracht, ein Offizier der Präsidentengarde habe eigenmächtig gehandelt.
Selbst Monuc beteiligte sich an diesem Beschwichtigungsspiel, obwohl jeder halbwegs mit den kongolesischen Verhältnissen Vertraute weiß, dass kein Offizier es ohne Rückversicherung wagen würde, die Kronjuwelen der Präsidentengarde, nämlich ihre Panzer, zu mobilisieren" (FAZ 25.8.06). Und: Der Diplomat zeigte sich indes überzeugt", schreibt die FAZ, ,,dass Bemba heute tot wäre, wenn sich in seinem Haus zur Zeit des Angriffs nicht nahezu das gesamte diplomatische Corps Kinshasas befunden hätte" (FAZ23.8.06).
Wie kam es nun zum Ende des Angriffs? „Informationen der FR zufolge telefonierte Monuc-Chef William Swing während des Feuergefechts aus Bembas Villa mit Kabila, der ihm versicherte, alles zu tun, um die Schießerei zu beenden" (FR 24.8.06). Dieser Telefonanruf war ausschlaggebend für das Ende der Belagerung und nicht der erste EUFOR-Einsatz. Denn es hatte mehrere Stunden gedauert, bis das uruguayische Monuc-Kontingent, unterstützt von 150 spanischen Legionären der EU FOR, bis zum Ort des Geschehens vordringen konnte. Schießen mussten sie nicht. Nicht nach-vollziehbar ist deshalb, dass in der TV-Berichterstattung · hierzulande davon die Rede ist, dass die kongolesische Bevölkerung froh sei über die Anwesenheit der EUFOR-Truppe, ,,denn letztlich war sie es, die sich zwischen die Konfliktparteien gestellt hatte" (Tagesschau 26.8.06). Hier strickt die Bundeswehr offensichtlich an einer Legende, um der Ablehnung des Kongoeinsatzes hier (dafür 37 %, dagegen 59 %, Die Welt 26.06) zu begegnen. Der Argwohn der Bemba-Anhängerin Kinshasa gegenüber der EUFOR ist in Zustimmung umgeschlagen. Er war berechtigt, weil die EU FOR mit etwa 3000 Mann (inklusive strategischer Reserve in Frankreich) nicht darauf ausgelegt ist, Kabilas 15.000 Mann starke GSSP abzuhalten, sondern gegen Bembas Miliz vorgehen sollte. Sie hat allenfalls ein Zehntel dessen unter Waffen, was Kabila zur Verfügung steht. Der EU-Einsatz bleibt in jedem Fall nutzlos, weil er zum Schutz Kabilas nicht benötigt wird (das könnte Kabila allein) und zum Schutz Bembas nicht reicht (dafür wäre sie zu klein). Alles andere kann MONUC erledigen.
Weshalb Kabila am Tag nach der Wahl alles auf eine Karte setzte, bleibt unerklärlich. Eventuell fürchtete er ein Zusammengehen Bembas mit Tshesikedi. Sicher muss er sich darin gewesen sein, dass die internationale Gemeinschaft ihn, den Kandidaten, hinter dem 45 Prozent der Kongolesen stehen, unbehelligt lässt. Bisher hat er Recht behalten. Sein Hauptverbündeter Frankreich lehnt Bembals Präsidenten ab. Frankreichs Verhältnis zu Bemba ist höchst gespannt, weil er es gewagt hatte, ,,noch als Rebellenführer im Busch von Equateurmehrere französische Fernspäher gefangen genommen (zu haben), die Verhandlungen über deren Freilassung mit immer neuen Forderungen garniert, dabei die Grande Nation über Gebühr vorgeführt (hatte). So hat er sich den Ruf des Unverlässlichkeit und den geballten Zorn Frankreichs eingehandelt" (FAZ 21.8.06). Zudem liegen Strafanzeigen beim JStGH (Internationaler Strafgerichtshof) in Den Haag gegen ihn vor wegen Menschenrechtsverletzungen und Plünderungen in der Zentralafrikanischen Republik. Mit Kabila konnte man vortrefflich Geschäfte machen. ,,Er verschleudert Bergbaukonzessionen für einen Bruchteil ihres Werts und lässt sich dafür bestechen." (NZZ 19.8.06) Für monatlich 250.000 Dollar dekretierte er Konzessionsverträge mit internationalen Bergbaugesellschaften. Ein Beispiel ist die Konzession der US Minengesellschaft Phelps Dodge vom August 2005. Für 60 Millionen Dollar, zahlbar binnen fünf Jahren, erwarb sie die Konzession für eine Mine, dessen Kupfer- und Kobaltgehalt zur Zeit rund 23 Milliarden Dollar wert ist. In Kongos Boden lagert Kupfer im Wert von rund 450 Kobalt für 140 und Gold für rund 20 Milliarden Dollar. Die Werte von Diamanten, Erdöl, Zinn; Zink etc. sind nicht ermittelt. Die Rohstoffe in Kongos Boden machen das Land so interessant für „den Westen"; Wer nun zum Präsidenten gewählt wird, ist zweitrangig. Es ist eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Denn die Politik schreiben dem Präsidenten andere vor. Wie DER SPIEGEL (14.8.06) erfuhr, haben sich in zwei streng vertraulichen Sitzungen Vertreter der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds sowie Emissäre der USA und Europas auf Grundzüge eines Regierungsprogramms verständigt. Akzeptieren die kongolesischen Machthaber nicht die westlichen Vorgaben, werde ihnen der Geldhahn zugedreht. Dabei geht es nicht etwa um die Überprüfung oder gar Neuausschreibung von unter Kabila erteilten dubiosen Konzessionen über den Rohstoffabbau, sondern darum, sämtliche neuen Regierungsaufträge unter das Kuratel von Washington und Brüssel zu stellen. Gelder aus öffentlichen Aufbauprogrammen sollen bitte schön „in den Westen"- und nicht etwa nach China-fließen.

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Krisen und Kriege