Buchbesprechung

Was geschieht eigentlich hinter der Mauer in Palästina?

von Andreas Buro
Krisen und Kriege
Krisen und Kriege
( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Ellen Rohlfs, seit vielen Jahren Mitarbeiterin und Übersetzerin von Uri Avnery, hat mir das von ihr herausgegebene Buch zugesandt. In ihrem Begleitbrief schreibt sie: „Nun entdecke ich im ‚Friedensforum‘ ein interessantes von Ihnen besprochenes Buch von Kiernan: ‚Erde, Blut und Völkermord‘. Dort drin steht über alle möglichen Völkermorde – aber nichts über den, der im Augenblick bzw. seit Jahrzehnten vor sich geht: ein ‚schleichender Völkermord‘ am palästinensischen Volk.“

Zu diesem Thema hat Ellen Rohlfs seit Jahren Material gesammelt. Ihr jüdischer Freund und Auschwitzüberlebender Hajo Meyer machte ihr Mut, das Gesammelte zu veröffentlichen. Er schrieb auch das Vorwort zu diesem Buch. In ihm heißt es, die zionistische Ideologie sei heute noch so aktiv und vital wegen drei Faktoren:

  • „Das absolut berechtigte Schuldgefühl der westlichen und christlichen Welt an der unvorstellbaren Tragödie des Holocausts;
  • Die psychologisch sehr durchdachte und effektive Weise, mit der israelische Politiker diese Schuldgefühle für politische Zwecke instrumentalisieren;
  • Die äußerst raffinierte Weise, mit der es der israelischen Politik gelungen ist, sich immer wieder als das unschuldige Opfer arabischer Aggression und Bedrohung darzustellen, während sie von Anfang an nie den Plan hatte, in Harmonie und Frieden mit der im Lande wohnenden, einheimischen Bevölkerung, dem palästinensischen Volk, zusammenzuleben.“

Ellen Rohlfs dokumentiert, was man nicht für möglich hält:

Chaim Weizmann: „Eines Tages werden sie (die Araber) gehen müssen und uns das Land überlassen. ... Wir Juden haben zehnmal mehr Intelligenz als sie.“

Ben Gurion 1937: „Wir müssen die Araber vertreiben und ihren Platz einnehmen.“

Yitzhak Rabin: „Wir werden die Palästinenser vernichten wie die Heuschrecken und ihre Köpfe an die Wände nageln“.

Avigdor Lieberman schlug 2003 vor, „alle Palästinenser in Busse zu packen und im Toten Meere zu ertränken“.

Felicia Langer berichtet von einem israelischen Kinderlied: “Es kommt ein schöner Tag, wo alle Araber sterben werden.“

Die Dokumentation enthält drei Teile. Im ersten wird die Ausgrenzung, Erniedrigung, Einschränkungen und Leugnung der Palästinenser behandelt. Palästinenser seien Nicht-Menschen, Namenlose. Die Existenz eines ganzen Volkes wird aberkannt. Mich erinnert das an die deutschen Hetzkampagnen gegen die Russen im Zweiten Weltkrieg, in denen die Russen als Untermenschen bezeichnet wurden. Die Frage nach der deutschen Verantwortung für die Palästinenser wird aufgeworfen, ebenso wie die nach den Auswirkungen auf die israelische Gesellschaft.

Im zweiten Teil sind Texte und Aufrufe gegen die israelische Besatzungspolitik, Berichte von Menschenrechtsorganisationen und Artikel über Gaza 2008 bis 2009 zusammengestellt. Im dritten Teil des Buches finden sich Texte von Ellen Rohlfs, die sie geschrieben hat, wenn sie mit Unfassbarem konfrontiert wurde. Dazu gehört auch ihre Konfrontation mit der Shoa in ihrer Jugend.

Das Buch ist überschrieben mit „Nie wieder?“ Das ist das Leitmotiv und gleichzeitig eine Frage an die deutsche Politik, wie mit der Shoa und der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern umzugehen sei. Rohlfs zitiert dazu eine der „Frauen in Schwarz“: Die Deutschen müssen lernen, mit dem Vorwurf des Antisemitismus umzugehen. Kritik an der Politik Israels hat nichts mit Antisemitismus zu tun. Es ist an der Zeit, den Holocaust und Israel von einander zu trennen. Die Vernichtung der Juden ist das eine, die Verfolgung der Palästinenser das andere. Wer das eine verurteilt, kann zu dem anderen nicht schweigen.“

Rohlfs, Ellen (Hg.) (2009) „Nie Wieder!“? Was geschieht eigentlich hinter der Mauer in Palästina? „Nur“ Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Oder schleichender Völkermord? Dokumentation. Mit einem Vorwort von Hajo Meyer. 3. Erweiterte Aufl. Selbstverlag. Zu beziehen über: ellen [dot] rohlfs [at] freenet [dot] de, 12,00 €

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