"Wehrmachtsausstellung" in Bonn

von Mani Stenner
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"Nichts darf verdrängt, nichts darf vergessen werden. Wir tragen Verantwortung dafür, daß sich so etwas nie mehr wiederholt.... Jetzt kommt alles darauf an, über die Vergangenheit so zu sprechen, sie so zu vermitteln und an sie so zu erinnern, daß die Jungen die Verantwortung, gegen jede Wiederholung anzutreten, als ihre eigene Verantwortung empfinden. Das ist eine ganz entscheidende Aufgabe unserer Generation.... Es ist natürlich wahr, die Geschichte wiederholt sich nicht. Aber es kann neue Formen von Ausschluß und Gleichschaltung, von Selektion und Totalitarismus geben, die wir heute vielleicht noch nicht einmal ahnen. Also müssen wir wachsam bleiben. Dazu müssen wir uns erinnern. Nur wer sich erinnert, kann Gefahren für die Zukunft bannen...." (Bundespräsident Roman Herzog am 27.4.1995 bei einer Gedenkveranstaltung im ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen).

Ganz im Gegensatz zu den Sonntagreden von Politikern hat die Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1994" des Hamburger Instituts für Sozialforschung dazu beigetragen, daß der "Schlußstrich" unter die deutsche Vergangenheit nicht gezogen werden konnte. Sie ist vom 29. September bis zum 1. November im Südtrakt der Bonner Beethovenhalle zu sehen.

Die Debatte um die Verstrickung der "normalen" Soldaten in NS-Verbrechen und Holocaust hat endlich eine breite Öffentlichkeit einschließlich der damals beteiligten Generation erreicht. Die Ausstellung hat nicht nur lautstarke öffentliche Kontroversen ausgelöst, sondern viele Menschen der Kriegsgeneration und ihre Enkel persönlich stark berührt und oft "zum Dialog befreit". Nach mehr als 50 Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnten oftmals eine lange verdrängte Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und offene Gespräche zwischen den Generationen geführt werden.

In Fachkreisen sind die dargestellten Verbrechen der Wehrmacht schon seit längerem unumstritten. Sie waren u.a. Grundlage für die Kampagne zur Rehabilitation der Wehrmachtsdeserteure und anderer Opfer der NS-Militärjustiz, die viele Friedensinititiven im letzten Jahrzehnt mit Denk-Malen für die unbekannten Deserteure begleitet haben. Aber erst jetzt, nach "Schindlers Liste", Goldhagens Buch "Hitlers willige Vollstrecker", der "Raubgold"-Affaire und eben mit der Ausstellung findet eine überfällige gesellschaftliche Auseinandersetzung darum statt. Erst jetzt sind weitere Forschungen zu ähnlichen Verstrickungen ganzer Berufsgruppen angestoßen oder vorangetrieben worden, etwa zu Juristen, Ärzten und der Polizei.

Ausstellung und Aufklärung stoßen überall auch auf Widerstand und Blockaden, nicht nur bei den Neonazis, die nahezu in jeder Stadt gegen die Ausstellung demonstrieren. Auch in Bonn haben sich CDU und Bundeswehr nicht entschließen können, die Ausstellung mitzutragen. Das Kanzleramt zog im Hintergrund die Strippen, um eine Präsentation im "Haus der Geschichte" zu verhindern, so wie die Koalitionsparteien auch gegen den Bundestag als Ausstellungsort votierten.

In Bonn wird die Ausstellung von der Stadt in enger Kooperation mit dem "Initiativkreis" aus Gruppen und Verbänden getragen. Das Begleitprogramm vom 1. September bis zum 9. November umfaßt nahezu hundert Veranstaltungen, die einen differenzierten Dialog ermöglichen wollen.

Die Bonner NPD hat für Samstag, 24. Oktober 98 eine Demonstration von der Josefshöhe zur Beethovenhalle und zurück angemeldet, mit angeblich 3.000 Personen.

"Versuche, anläßlich der Ausstellung nationalsozialistische Propaganda in die Öffentlichkeit zu tragen, sind für uns unerträglich", schreibt das Friedensbüro und kündigt ab 13 Uhr eine gewaltfreie Besetzug des Auftaktortes der Neonazis an.

Infos dazu: Bonner Friedensbüro, Budapester Str. 21, 53111 Bonn, Tel. 0228/692255, Fax: 0228/692906.

Bonner Initiativkreis zur Durchführung der Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht":

Arbeitsgemeinschaft Frauengeschichte an der Universität Bonn, Bonner Friedensbüro, Bonner Geschichtswerkstatt, Bündnis 90/Die Grünen Bonn, Deutsch-Israelische-Gesellschaft - Arbeitsgemeinschaft Bonn, Deutscher Gewerkschaftsbund Bonn/Rhein-Sieg, Evangelischer Kirchenkreis, SPD Bonn, Verein An der Synagoge, Verein Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V.

Kontakt: Altes Rathaus, Rathausgasse, 53103 Bonn, Tel.: 0228/698865; Fax: 0228/692305.

Bonner Ausstellungsprogramm im Internet: http://www.bonn.de/wehrmachtsausstellung

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