Trump Regime

Weißer Nationalismus, Unehrlichkeit und Dysfunktionalität

von Joseph Gerson

In den USA sehen wir uns dem größten politischen Skandal und der größten Bedrohung der Demokratie gegenüber, die ich je erlebt habe. Es geht um drei miteinander in Konflikt stehende Kräfte. Auf der einen Seite haben wir das illegitime Trump-Regime, das auf der Welle einer Armee von Lügen an die Macht kam. Und aufgrund einer Intervention in letzter Minute durch den Leiter des FBI, der auf verdeckte russische Manipulation unseres Wahlprozesses hinwies, um von der wachsenden Empörung über Trumps Geschichte sexuellen Missbrauchs abzulenken.

Zum zweiten haben wir das „nationale Sicherheits“-Establishment, das das Hacken der Computer von Hillary Clinton und der Demokratischen Partei durch Russland bestätigte. Im Februar sickerten Berichte nach außen, dass nicht nur Trumps Berater für Nationale Sicherheit über seine illegalen Vorwahl-Treffen mit dem russischen Botschafter gelogen hatte, sondern dass eine ganze Anzahl von Campaignern Trumps sich während des Wahlkampfs heimlich mit russischen Geheimdienstlern getroffen hat. Paul Krugman schrieb in der New York Times, die RepublikanerInnen im Kongress seien „gleichgültig gegenüber der Subversion und der realen Möglichkeit, dass wir von Leuten regiert werden, die ihre Hinweise von Moskau erhalten“. Wie bei Nixon während des Watergate Skandals lautet die Frage, die Trump und die RepublikanerInnen nicht beantwortet sehen wollen, was Trump wusste und seit wann er es wusste.“ (1)

Die dritte Kraft sind demokratische und antifaschistische populäre Kräfte. Wir sind die fünf Millionen Frauen, Männer und Kinder, die sich am 21. Januar den Frauenmärschen in 400 Städten im ganzen Land anschlossen – den größten Protesten in der Geschichte der USA. Wir sind die Städte, Gemeinden und religiöse Gemeinschaften, die sich zu Zufluchtsorten erklärt haben, um die Millionen von ImmigrantInnen ohne Papiere zu schützen, die Trump begonnen hat zu deportieren. Wir sind die Tausende von AktivistInnen, StaatsanwältInnen und RichterInnen, die Trumps verfassungswidriges Dekret blockierten, Flüchtlingen und Reisenden aus sieben vorwiegend muslimischen Ländern die Einreise zu verwehren. Wir sind die Teile der Medien, die begreifen, dass Lügen und Untergraben der Wahrheit die Fundamente von Totalitarismus sind, die die Lügen des Trump-Regimes offenlegen und über seine täglichen skandalösen Aktionen berichten. Und wir sind die BürgerInnen und Mitglieder des Kongresses, die eine Untersuchung von „Russlandgate“ und ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump fordern – auch wenn eine Präsidentschaft von Pence kaum viel besser wäre.

Eine neue politische Ordnung?
Wir sind in einem Kampf, die Verfassung, die Demokratie, unsere NachbarInnen und uns selbst zu verteidigen und internationale Katastrophen zu vermeiden. Bannon nannte das Spiel beim Namen, als er sagte, dass er und Jeff Sessions „im Zentrum von Trumps ‚pro-amerikanischer Bewegung‘ seien, ... der Geburt einer neuen politischen Ordnung“. Wie die New York Times und andere gewarnt haben, ist die Verfassung in Gefahr. Wir müssen Angst haben, dass ein großer Terroranschlag oder präemptive Kriege gegen Nordkorea oder Iran genutzt werden könnten, um diktatorische Macht zu konsolidieren. Selbst ohne eine Krise planen Trump & Co bis zu 100.000 National Guards zu mobilisieren, um ImmigrantInnen ohne Papiere aufzugreifen und zu deportieren. (3)

Seit Trumps Amtseinführung sehen wir uns fast jeden Tag einer neuen Krise oder einem neuen Skandal gegenüber. Am ersten Tag behauptete Trump – trotz Fotos, die das Gegenteil belegten – dass mehr Leute zu seiner Amtseinführung gekommen seien als zu Obama. Wir erleben das rassistische und verfassungswidrige Einreiseverbot, Trumps Angriffe auf die Presse und seine Lügen, die jetzt „alternative Fakten“ heißen, und seine Angriffe auf individuelle RichterInnen und auf den Rechtsstaat. Er drohte, in Mexiko einzufallen, zog rote Linien gegen Iran und Nordkorea, unterminierte die Politik des „einen Chinas“ und machte dann ohne eine Entschuldigung eine Kehrtwendung. Trump befremdete Australien und viele andere westliche Regierungen bis zu dem Punkt, dass es jetzt in Europa eine starke Bewegung gibt, ein Militär für eine europäische Supermacht zu schaffen. Er ernannte die faschistischen und Muslime hassenden General Flynn, Steve Bannon und Stephen Miller zu Hauptberatern. Wir sahen Bannons Coup, den Joint Chiefs of Staff des Pentagon aus dem Nationalen Sicherheitsrat auszuschließen, während er seine eigene vorbildslose Berufung zu diesem Rat arrangierte. Und in einer Szene, die man in einer TV-Comedy erwarten würde, sahen wir Trump, Abe und Trumps Berater, einschließlich des Offiziers mit dem Atomkoffer, um einen Restauranttisch herum sitzen, in voller Sicht der anderen Gäste, wo sie berieten, wie man am besten auf den jüngsten Raketentest Nordkoreas antworten solle. Und natürlich gibt es da Trumps fortgesetztes unerklärliches Lob Putins.

Da gibt es natürlich noch mehr: Deregulierung und Angriff auf die Umwelt, den Abbau der Regulierungen, die getroffen wurden, um eine Rezession wie 2008-2009 in Zukunft zu vermeiden, Trumps Verdoppelung der Militärpräsenz in Asien mit Plänen für eine Marine mit 350 Schiffen und eine Steigerung der US-Militärausgaben auf bis zu 100 Milliarden USD. Und wir sollten nicht die Privatisierung der Bildung, wachsende Unterdrückung der WählerInnen, sein Redeverbot für Senator Warren für das „Verbrechen“, die Worte der Witwe von Martin Luther King im Senat verlesen zu haben und den Bau von Trumps Großer Mexikanische Grenzmauer vergessen.

Statt eines Sicherheitsestablishments haben wir ein Machtvakuum, das von China und Nordkorea sowie von Russland in Europa, Ukraine und im Schwarzen Meer ausgenutzt wird. Zwischen Trumps Dummheit und fehlender Disziplin und den Zwischenfällen, die dadurch entstehen könnten, könnte das Endergebnis eine wirklich katastrophale Krise sein.

Tweets zur Atompolitik
Auch bei den Atomwaffen, wie bei so vielen anderen Themen, ist es die Stunde der Amateure im Weißen Haus. Viele fragten, ob man Donald Trump die Codes für die Atomwaffen anvertrauen könne – wenn man sie überhaupt jemanden anvertrauen sollte. Zu Anfang des Wahlkampfs wusste Trump nicht, was die nukleare Triade ist (Interkontinentalraketen, Langstrecken-Bomber und U-Boote mit Raketen, Anm. d. Red.) und schlug vor, dass wir sicherer seien, wenn Japan und Südkorea Atomwaffen besäßen. Bevor er ins Weiße Haus einzog, fragte er wiederholt seine ExpertInnen, warum wir keine Atomwaffen einsetzen könnten, er drohte damit, sie gegen „Terroristen“ einzusetzen und sagte „Ich kann gar nichts ausschließen“. (4)

Seitdem ist es nicht besser geworden. Er rief zu einem nuklearen Rüstungswettlauf auf. Er beauftragte den Kriegsminister Mattis, eine Review der Atompolitik durchzuführen, „um sicherzustellen, dass die nukleare Abschreckungsmacht der Vereinigten Staaten modern, robust, flexibel, widerstandsfähig, einsatzbereit und den Bedrohungen des 21. Jahrhunderts angemessen ist ...“. (5) Ebenso ordnete er eine Überprüfung der ballistischen Raketenabwehr an. Und während seines ersten Gesprächs mit Vladimir Putin musste er seine Berater fragen, worum es dabei ginge, bevor er sagte, dass der New START Vertrag (Vertrag zur Reduzierung von Trägersystemen strategischer Atomwaffen, Anm. d. Red.) einer der „schlechten Abkommen sei, die von der Obama-Administration verhandelt wurden“. (6)

Um es noch schlimmer zu machen: Neben den Billionen Dollars, die für eine neue Generation von Interkontinentalraketen, Bombern und U-Booten ausgegeben werden sollen, drängt die Forschungsabteilung des Pentagon auf mehr Produktion und Stationierung sogenannter Atomwaffen mit geringer Sprengkraft (2/3 der Wirkung der Hiroshima-Bombe), um die Möglichkeit zu erhöhen, sie in „begrenzten Atomkriegen“ einzusetzen. Rechtsgerichtete Think Tanks schlagen vor, dass die USA die New START und INF-Verträge kündigen, ein Arsenal für einen Erstschlag entwickeln und Atombombentests wieder aufnehmen. (7) Und um die Spannungen wie im Kalten Krieg aufrechtzuerhalten, ist es wahrscheinlich, dass der Kongress die Verlängerung der Sanktionen gegen Moskau beschließt. Es gibt auch Stimmen im Kongress, die fordern, man solle auf Russlands Stationierung von landgestützten Cruise Missiles, über die jüngst berichtet wurde, mit einem Ausbau von US-Atomwaffen in Europa antworten. (8)

Ängste wegen Trump und was er mit den Atomwaffen tun möge war einer der Gründe, warum das Bulletin of the Atomic Scientists die Zeiger seiner Doomsday Clock auf 2 ½ Minuten vor Mitternacht vorgestellt hat – so nahe war sie der Auslöschung der Menschheit nicht mehr seit 1953.

Natürlich sind Trump und die USA nicht die einzige Quelle nuklearer Gefahren: Russland stationierte eine neue Generation von nuklear bestückbaren Raketen in Kaliningrad, zwischen Polen und Litauen. China testet MIRV-Raketen (Interkontinentalraketen mit mehreren Sprengköpfen) und könnte seine Nukleardoktrin in Antwort auf die wachsende Bedrohung durch die USA überarbeiten. Angesichts der Infragestellung von Trumps Verpflichtung gegenüber der NATO ruft Polen zusammen mit Mitgliedern der deutschen Elite danach, die EU möge eine nukleare Supermacht werden, mit einem Arsenal, „das sich mit dem Russlands vergleichen lässt“. (9) Und der nukleare Wettlauf in Südasien geht weiter.

Widerstand und Mobilisierung für die Verhandlungen zur Ächtung der Atomwaffen
In Krisen liegen Chancen. Rufe nach der Absetzung Trumps fangen an, in den Mainstream-Medien aufzutauchen, obwohl das keineswegs alle unsere Probleme lösen würde. Die von uns, die das Trump-Regime ablehnen, sind in der Mehrheit. Große Teile der US-Gesellschaft leisten Widerstand. Zwischen drei und fünf Millionen Menschen nahmen an den Frauen-Protestmärschen im Januar teil. Generalstreiks werden vorbereitet, beginnend mit dem „Tag ohne Immigranten“. 800.000 Menschen haben angekündigt, dass sie an dem Marsch der WissenschaftlerInnen am 22. April teilnehmen werden, und Hunderttausende mehr werden an dem „Klimamarsch des Volkes“ eine Woche später teilnehmen.

Wir wissen, dass die Nacht direkt vor der Dämmerung am dunkelsten ist. Wenn wir uns die Geschichte der Länder anschauen, wo Bewegungen Autokratien überwanden, Kriege beendeten und wo die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgearbeitet wurden, dann sehen wir das Auftauchen von robusten und dem Frieden verpflichteten demokratischen Kulturen. Das ist meine Hoffnung für die Vereinigten Staaten.

 

Anmerkungen
(1) Editorial, “The Finger on the Nuclear Button”, New York Times, February 6, 2017

(2) Evan McMullin. The Constitution in Danger”, New York Times, December 5, 2016

(3) Sam Stein, Paige Lavender, White House Considered Mobilizing National Guard To Round Up Unauthorized Immigrants: Report, Huffington Post, February 17, 2017, http://www.huffingtonpost.com/entry/donald-trump-national-guard-immigran...

(4) S. Anm. 1

(5) Aaron Mehta. “Trump’s nuclear options: Upcoming review casts a wide net”, Nuclear News, February 9, 2017, http://nuclearsecurityworkinggroup.org/trumps-nuclear-options-upcoming-r...

(6) Presidential Memorandum on Rebuilding the U.S. Armed Forces, The White House, January 27, 2016, Presidential Memorandum on Rebuilding the U.S. Armed Forces; Reuters. “In call with Putin, Trump denounced Obama-era nuclear arms treaty”, February 9, 2017

(7) John M. Donnelly. “Pentagon Panel Urges Trump Team to Expand Nuclear Options”, Roll Call, February 2, 2017, http://www.rollcall.com/news/policy/pentagon-panel-urges-trump-team-expa... Michaela Dodge, “The Trump Administration’s Nuclear Weapons Policies: First Steps”, The Heritage Foundation, November 30, 2016, http://www.heritage.org/defense/report/the-trump-administrations-nuclear...

(8) “More madness – Cotton: ‘US should build up its nuclear forces in Europe’, Washington Examiner, February 14, 2017

(9) The Guardian. “Poland Wants Nuclear Weapons for Europe”, February 7, 2016, http://www.dw.com/en/poland-wants-nuclear-weapons-for-europe/a-37449773

 

Der Artikel ist ein Auszug aus einer Rede, die Joseph Gerson beim Bikini Day Commemoration International Forum in Shizuoka, Japan, am 27.2.2017 gehalten hat. Übersetzung: Christine Schweitzer.

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Hintergrund
Dr. Joseph Gerson ist Programmdirektor der Nordöstlichen Region des American Friends Service Commitees (AFSC) und seines Programmes "Frieden und wirtschaftliche Sicherheit". Er ist Mitglied im internationalen Koordinierungskomitee des No to NATO / No to War - Netzwerkes und Koordinator der Arbeitsgruppe für Frieden und Entmilitarisierung Asiens und des Pazifik. In seiner Jugend war er in der US-Bürgerrechtsbewegung aktiv und Anti-Kriegs-Organisator und Kriegsdienstverweigerer während des Vietnamkriegs. Im AFSC, dem er seit 1976 angehört, hat er bei dem Start der Nuklearen Freeze-Kampagnen geholfen, war Mitgründer der Organisation United for Peace and Justice auf nationaler Ebene und der United for Peace and Justice in der Gegend von Boston nach den Koalitionen des 11. September. Seine Bücher umfassen u.a. The Deadly Connection und Empire and the Bomb: How the US Uses Nuclear Weapons to Dominate the World.