Welthunger - ist Gentechnik die Lösung?

von Imke Ide
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Wem nützt eine Sojabohne, die große Mengen eines Pflanzengiftes verträgt? Wer braucht einen nordamerikanischen Genraps, der ein Öl produziert, das traditionell aus Kokosnüssen und Palmkernen gewonnen wird? Wer benötigt Kartoffeln, deren Stärkegehalt auf bestimmte Industrieanwendungen zugeschnitten ist? Manipulierte Pflanzen dieser Art gehen vollkommen an den Interessen der Entwicklungsländer vorbei.

Dabei geben sich US-Gentechnik-Konzerne wie Monsanto solche Mühe, diesen Eindruck zu erwecken. So wählten sie den Firmenslogan "Food, Health, Hope" und versprechen der Welt die Segnungen der Gentechnik:

Höhere Erträge, gesündere Pflanzen, verbesserte Nahrung, weniger Hunger.

Die Ursachen für Hunger sind jedoch nicht allein mit technischen Ansätzen zu lösen. Sie sind vielfältiger und komplizierter: Soziale und gesellschaftliche Bedingungen, politischer und wirtschaftlicher Rahmen, Kriege, Ressourcenverteilung (wie Boden und Wasser). Aufgrund der steigenden Weltbevölkerung spitzt sich diese Situation regional zu. Die Gentechnik wird die Verteilungsprobleme nicht lösen.

Vielmehr sind die Saatgutmultis angetreten, um mit Hilfe der Gentechnik die Kontrolle über die Nahrungsmittelherstellung zu erlangen. "Die nächste große Wertsteigerung steckt in dem Versuch, ein zusammenhängendes System für den gesamten Prozess zu schaffen - von der Saat über die Ernte hin zu Nahrungsmitteln, zu Gesundheit und Wohlbefinden" [Monsanto-Chef Robert Shapiro, in Forbes, 10. März 1997]. Das ist die typische Philosophie eines Industriemanagers aus dem Norden. Die Bedürfnisse der Menschen im Süden nach kleinräumigen Lösungen finden dabei keine Berücksichtigung.

In der Zeit von 1970 bis 1990 wurde in Lateinamerika die Pro-Kopfmenge an Nahrungsmitteln um 8 Prozent gesteigert. Trotzdem stieg im selben Zeitraum die Anzahl der Hungernden um 19 Prozent [Christian Aid "Selling suicide - farming, false promises and genetic engineering in developing countries"]. Es reicht also nicht aus, die Nahrungsmittelmenge zu erhöhen, wenn nicht gleichzeitig verhindert wird, dass noch mehr Menschen in die Armut abrutschen.
 

Bleibt die Frage, in wieweit gentechnisch erzielte "Qualitätsveränderungen" von Agrarpflanzen wirklich einen Beitrag gegen Mangelernährung leisten können.

Wie sieht es zum Beispiel mit Vitamin-A-Reis aus? Dieser Reis wurde gentechnisch so verändert, dass er das für die menschliche Ernährung wichtige Provitamin A bilden kann. Man hofft, die in bestimmten Entwicklungsländern verbreiteten Vitamin-A-Mangelerscheinungen damit lindern zu können. Noch ist jedoch völlig unklar, ob er gesundheitlich unbedenklich ist, sich in der landwirtschaftlichen Praxis bewähren könnte, ob das Saatgut bezahlbar sein wird und trotz seiner gelben Farbe kulturell akzeptiert würde. Dies sind zu viele offene Fragen, um eine ernstzunehmende Beurteilung des Nutzens von gentechnisch verändertem Vitamin-A-Reis vornehmen zu können.

In der entwicklungspolitischen Arbeit sind besonders solche Projekte erfolgreich, die zum Beispiel den Anbau heimischer Gemüse in Hausgärten fördern. Sie können die Ernährung ergänzen. Nur der lokale und umweltbezogene Ansatz wird langfristig die Ernährungsprobleme lindern, denn Vitamin-A-Mangel ist bei weitem nicht das einzige Nahrungsproblem.

Wer Nahrungsmittelsicherheit fordert, muss sich für den Erhalt der agrarischen Vielfalt stark machen. Nur der Schatz zahlreicher unterschiedlicher Sorten, die an die unterschiedlichsten geologischen und klimatischen Bedingungen angepasst sind, kann die Grundlage einer umweltschonenden Landwirtschaft liefern.

Für internationale Biotech-Konzerne sind nur Globallösungen wirtschaftlich tragfähig. Gentechnische Manipulationen sind für die Industrie der Schlüssel zum weltweiten Schutz ihrer ökonomischen Interessen. Diese Methoden lassen sich patentrechtlich schützen und verleihen dem Patentinhaber umfassende Nutzungsrechte: Der Bauer kann nicht mehr frei über die Verwendung und den Handel mit seinem Saatgut entscheiden. Das internationale Patentrecht führt zu größer werdenden Abhängigkeiten der Entwicklungsstaaten.

Die britische Entwicklungshilfeorganisation ActionAid wertete den Nutzen der Biotechforschung des Saatgutmultis AstraZeneca aus. Die aktuelle Studie kommt zu dem Schluss, dass die Genforschung des Konzerns kaum Anzeichen für eine Ausrichtung auf das Hungerproblem zeigt. Bemängelt wird, dass die Patente des Konzerns auf die Ausbildung von Monopolstrukturen angelegt sind [ActionAid, "AstraZeneca and its genetic research - Feeding the world or fuelling hunger?"].

Kürzlich stellte der Verhandlungsführer der Entwicklungsländer bei der Biosafety-Konferenz, Tewolde Egzhiaber, in einem offenen Brief fest: "Wir betrachten es nicht nur als Lüge, die Armut im Süden als Rechtfertigung für die Monopolbildung und den breiten Einsatz von gentechnisch veränderten Nahrungspflanzen durch die transnationalen Konzerne des Nordens zu verwenden, sondern als ein Mittel Lösungsansätze für die Probleme des Südens zu verhindern."

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Imke Ide ist Mitarbeiterin bei Greenpeace Deutschland.