Erfahrungen einer neuen Friedensgruppe

„Wenden Sie sich doch mit Ihren Fragen an die US-Army!“

von Michael Stiels-GlennPenelope Glenn

Meine Frau und ich erfuhren im Oktober 2016, dass die US-Army in den Tower Barracks in Dülmen (zwischen Münster und Ruhrgebiet) ein Waffendepot eröffnet. Erst vor wenigen Jahren waren Truppenübungsplätze und Kasernen hier geschlossen worden. Wir fragten Abgeordnete und die Bürgermeisterin, was die Eröffnung des Waffendepots bedeutet – wir wollten kein neues Depot bei uns.

Die CDU antwortete, dass die Stationierung wegen der aggressiven Russen nötig sei, die SPD meldete sich bis heute nicht, GRÜNE und LINKE Stadträte nahmen Kontakt zu uns auf. Auch die Lokalzeitung reagierte: Die Bürgermeisterin habe sich vom früheren Standortchef der Bundeswehr beraten lassen; es sei nichts zu befürchten. Wieso lässt sie sich von einem Ex-Generaloberst beraten, aber nicht von FriedensforscherInnen, fragten wir uns. Auf den zweiten Brief, mit Kopien an die Fraktionen im Rat, antwortete die Bürgermeisterin, wir sollten uns doch an die Army wenden, die hätte Transparenz zugesagt. Also stellten wir konkrete Fragen an die US-Army; viel Hoffnung hatten wir nicht, wir erinnerten zweimal. Dann antwortete ein General überraschend – für uns nicht konkret genug. Wir hakten nach und erinnerten wieder freundlich, bis eine Antwort kam.

Inzwischen trafen wir uns im Februar 2017 erstmals mit lokalen AktivistInnen. Das Ergebnis war eine Kundgebung unter DGB-Verantwortung zum 72. Jahrestag der Bombardierung Dülmens am 21. März 1945, an der 120 Leute teilnahmen. Ein Geflüchteter verlas auf Arabisch und Deutsch eine Friedensbotschaft. Wenige Tage später kamen 40 Leute zum Info-Abend des DGB, wo es um das Depot ging. Ermutigt planten wir am Ostermontag ein Friedenspicknick vor den Tower-Barracks. Alles war bereits genehmigt, da verbot die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), der der Grünstreifen – und pikanterweise auch das Gelände der Tower Barracks Dülmen gehört, das Picknick. Wir führten die Aktion dann eben nicht im Sitzen, sondern im Laufen durch – mit Zustimmung der Polizei. Es kamen 60 Personen, die Lokalpresse berichtete. Viele unterschrieben eine Protesterklärung – und wir haben einen unerledigten Konflikt mit der BImA. (Auskünfte, u. a. vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, geben uns Recht: Radwege und Grünstreifen sind öffentliche Verkehrsflächen und dürfen deshalb für Demos genutzt werden. Bei der nächsten Aktion vor den Barracks sind also Konflikte zu erwarten.

Aus der Ein-Punkt-Bewegung wurden mittlerweile die „Friedensfreunde Dülmen“. Wir setzen der Stationierung unser „Projekt Friedensstadt Dülmen“ entgegen.

Als nächstes luden wir Ex-Oberst Wolfgang Richter ein, der lange Diplomaten bei Abrüstungsverhandlungen beriet. Er ist heute für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und die OSZE tätig. Er sollte aus seiner Sicht referieren, auch weil wir uns als Lernende verstehen. Wir waren unsicher, ob die Paarung NATO-Experte und junge Friedensinitiative uns nicht „um die Ohren fliegt“. Das tat sie nicht! 40 ZuhörerInnen hörten aufmerksam zu, die Diskussion blieb sachlich (Video von Weltnetz.TV unter https://www.youtube.com/watch?v=fVxr_6PY9Fs).

Richters Thesen passen zu unseren Überlegungen. Wir nahmen Abstand von Losungen wie:„Weg mit …! Kampf den …!“: Wenn das Waffendepot verschwinden soll, bedarf es einer umfassenden politischen Bewegung. Viele Dülmener sind konservativ und warfen uns anfangs Antiamerikanismus vor. Wir stellten deshalb der Logik der Modernisierung der Waffenarsenale und der Beschleunigung der Einsatzbereitschaft die Logik von Gesprächen und Verhandlungen gegenüber und forderten:

  • Gespräche zwischen NATO und Russland ohne Vorbedingungen;
  • Gegenseitige und gleichberechtigte Kontrollen der Waffenarsenale, Truppenbewegungen und Manöver;
  • Aufnahme von Verhandlungen mit dem Ziel von Verträgen zur Kontrolle, Begrenzung der Aufrüstung unter dem Dach der OSZE.

Die Tower Barracks wurden am 10. Mai als „Dülmen Army Depot“ eröffnet. Und am 12. Juli lud die US-Army uns ein, mit einer kleinen Gruppe das Depot zu besichtigen. Wir nahmen an und stellten unseren Report darüber auf unsere facebook-Seite (Die Friedensfreunde Dülmen) und die homepage (www.friedensfreundeduelmen.eu). 

Für die Friedensfahrradtour 2017 der DFG-VK NRW am 9. August in Dülmen war die Bürgermeisterin überraschend bereit, die FriedensradlerInnen willkommen zu heißen. Unser Programm – ein kurzes Gedenken auf einem Friedhof für verhungerte Kriegsgefangene aus dem 1. Weltkrieg, eine Kundgebung am Mahnmal und eine Aktion vor den Tower-Barracks – fand erneut ein gutes Medienecho, zumal der DGB Münsterland mit der FI Nottuln und uns eine Erklärung zum Jahrestag von Hiroshima und Nagasaki abgab. Den Kranz für die Opfer der Atombombe finanzierten die Ratsfraktionen von SPD, GRÜNEN und LINKEN mit.

Am Rande der Friedensradtour vereinbarten die Münsterländer Initiativen, dass wir versuchen wollen, im kommenden Jahr den Ostermarsch Münsterland wieder aufleben zu lassen.

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Michael Stiels-Glenn ist Initiator der Friedensfreunde Dülmen.
Penelope Glenn ist die Initiatorin der Friedensfreunde Dülmen.