
Verlängerung bis Sonntag: Mehr als 1.300 Menschen haben unseren Ostermarsch-Aufruf, der in der taz, der Zeit und im Freitag erscheinen wird, bereits unterzeichnet. Bist du auch schon dabei?
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"Diese Tage waren erfüllt von großen und wichtigen Diskussionen über die Gegenwart und die Zukunft. Unsere Völker kommen einander entgegen und bauen Pläne der Zusammenarbeit auf." So wertete Michail Gorbatschow am letzten Tag seines Aufenthalts in der Bundesrepublik die Ergebnisse des Staatsbesuches. Ein wenig von den "großen und wichtigen Diskussionen" kam auch während der deutsch-sowjetischen Friedenswoche vom 25. bis 31. Mai über, wobei deutlich wurde, daß es nicht nur die Person Michail Gorbatschow ist, die die Sympathien in der Bundesrepublik weckte, sondern die Friedenspolitik, die mit seinem Namen verbunden ist.
Ich hatte das Erlebnis und das Vergnügen, sechs sowjetische Gäste in dieser Woche auf ihrer Reise nach Essen, Bremen und Vechta zu begleiten. Es waren dies der Historiker Professor Abdulhan Achtamsjan; der Sekretär des Patriarchen von Moskau, Georgy Derevianchenko; Sergej Gordeev, Außenamtsreferent der russisch-orthodoxen Kirche; die Musikgruppe "Russische Melodien" mit Tamara Koztschagina, Gesang, Nicolai Tischenko und Wassily Konov, Akkordeon.
In Essen, wo wir mit weiteren sowjetischen Gästen (Walentina Kefeli, Sozialwissenschaftlerin, und Dr. Jelena Pawlowa, Ärztin), zusammenkamen, die auf Einladung des Essener Friedensforums die Friedenswoche dort verbrachten, empfing Bürgermeister Sobeck (CDU) die Gäste und Gastgeber zu einem intensiven Gespräch bei Kaffee und Kuchen. Das herzliche Gespräch signalisierte, daß auch die Vertreter der Stadt frühere Vorbehalte aus der Zeit des Kalten Krieges überwunden haben.
Bei der Abendveranstaltung in der als Gedenkstätte eingerichteten "Alten Synagoge" sprachen eingangs Vertreter der Stadtverwaltung, der Stadtsuperintendent der evangelischen Kirche, H. Gehring, und der Stadtdechant der katholischen Kirche, O. Vieth, mehr als Grußworte; sie gingen inhaltlich auf das gestellte Thema "Von der Last der Vergangenheit zur Chance für eine gemeinsame Zukunft" konkret ein.
Am Sonntag, dem 28. Mai, war die evangelische Kirche Billebrinkshöhe bis auf den letzten Platz gefüllt, als beim Friedensgottesdienst Sergej Gordeev von der russisch-orthodoxen Kirche das Programm mitgestaltete. Die anschließende Diskussion im Gemeindezentrum mußte leider schon nach zwei Stunden abgebrochen werden, weil die Gäste in Bremen erwartet wurden.
Wie sehr sie dort erwartet wurden, wurde deutlich, als das Aufnahme-Team von Radio Bremen schon vor dem Hotel wartete; knapp drei Stunden später kam das Interview bereits über den Äther.
Die örtliche Leitung der evangelischen Kirche bat Sergej Gordeev, das Mittagsgebet im Dom zu Bremen zu sprechen. Anschließend lud Bürgermeister Henning Scherf (SPD) zum Mittagessen in die Senatssuite des Ratskellers ein und nahm sich über zwei Stunden Zeit zum politischen Gespräch.
Im Saal der Zionsgemeinde in Bremen mußten Stühle herbeigetragen werden, damit die vielen Teilnehmer Platz fanden. Zu der Diskussion unter dem Thema "Das Denken modernisieren, nicht die Waffen" hatten eingeladen der Arbeitskreis Christen in der Deutschen Friedens-Union, die Christliche Friedenskonferenz und die Abrüstungsinitiative Bremer Kirchengemeinden.
Ein Erlebnis besonderer Art war der Besuch in Vechta, einer Kleinstadt in Niedersachsen mit 22.000 Einwohnern. Achtzig Prozent der Wähler hatten bei der letzten Wahl der CDU ihre Stimme gegeben. Um der Bedeutung des Empfangs Ausdruck zu geben, hatte Bürgermeister Südbeck (CDU) die historische goldene Amtskette umgelegt. "Sowjetische Bürger wurden in den Mauern dieser Stadt bisher nicht gesichtet", betonte er die Besonderheit. Und die "Oldenburg-Vechtaer Zeitung" wußte anderntags zu berichten: 'Wackelige Knie habe ich vor der Ankunft der russischen Besuchergruppe schon gehabt', gab Vechtas Bürgermeister Karl-Heinz Südbeck nach dem Empfang zu".
Gespräche in der Katholischen Fachhochschule für intensive Landwirtschaft schlossen sich an. Von sowjetischer Seite wurde der Wunsch geäußert, zu letzterer konkrete Beziehungen seitens landwirtschaftlicher Hochschulen in der Sowjetunion anzuknüpfen.
Zu den aktivsten Friedensfreundinnen in Vechta gehört die Landwirtin Birgit Meyer. Die Besichtigung ihres 50 Hektar großen Musterhofes (Jahresumsatz: 3000 Schweine, 50 Zuchtbullen) brachte die Gäste zum Staunen: "Was hier drei Personen unter Einsatz moderner Computertechnik bei tiergerechter Haltung schaffen, dazu brauchen unsere Kolchosen 300 Arbeitskräfte. Sie müssen unbedingt dabei sein, wenn die Friedensbewegung unseren Besuch erwidert", meinte Professor Achtamsjan.
In der Abendveranstaltung im Pfarrheim St. Georg eroberte sich die Musikgruppe "Russische Melodien" die Herzen der Vechtaer. Um eine Zugabe kamen sie nicht herum.
Adressen wurden in dieser Woche viele ausgetauscht, und es ist zu hoffen, daß bis zum nächsten Austausch der "Volksdiplomaten" ein reger Briefverkehr stattfindet.